„Tatort“ aus Köln: Als der Haustechniker tot vorm Eroscenter lag
Nutten oder Sexarbeiterinnen? TV-Krimis im sogenannten Rotlichtmilieu schaffen es häufig nicht, auf dem schmalen Grat zu bleiben. Dieses Kammerspiel schon.
Moment – wer? Beim ersten Blick in die Pressemappe zum neuen Köln-Tatort fällt ein Name auf der Besetzungsliste sofort auf: Sabrina Setlur? Im Tatort?! Stimmt, wo war die eigentlich die vergangenen 20 Jahre? Ihr Song „Du liebst mich nicht“ ist ja immerhin auch schon über 25 Jahre alt.
Setlur taucht nun also wieder auf als Chiara Passak. Die hat ein Nagelstudio im 7. Stock des „Eroscenters“, war selbst mal Sexarbeiterin – jetzt kümmert sie sich um den Look der ehemaligen Kolleginnen. Alle, so heißt es, auf eigene Kasse, keine Zuhälter, 160 Euro kostet die Zimmermiete am Tag.
Allein wie Regisseur Hüseyin Tabak die ersten knapp drei Minuten in die Story von Dauer-Krimidrehbuchduo Eva Zahn und Volker A. Zahn einführt, ist sagenhaft selten in dem Genre. Allein dafür lohnt es sich schon. Keine Dialoge, nur Atmosphäre, Aufzug, Flure, gemächliche Vorstellung der Hauptfiguren, die sich für die Arbeit richten, Jasmin Backes (Antonia Bill), Cosima Adam (Senita Huskić), Tani Schiller (Maddy Forst). Und im Off singt Hilde Knef über junge Träume, „Mit 16, sagte ich still, ich will, will alles oder nichts“.
Und dann, kurz vor Ende der drei Minuten, liegt mittags ein Mann tot vorm Eroscenter – in der „Siebten Etage“, so auch der Folgentitel, steht ein Fenster auf. Der Tote war hier Haustechniker seit einem halben Jahr. Der Geschäftsführer fischt einen Drohbrief an den Mann aus seinen Unterlagen, als Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) zur ersten Befragung vorbeischauen. Die Frauen, die dort arbeiten, waren eher angepisst von dem Typen, ein frauenverachtender Kotzbrocken. Kein Suizid. Eine halbe Stunde später: noch ein Mord.
Abkehr von Kitsch und Stereotyp
TV-Krimis, die im sogenannten Rotlichtmilieu spielen, schaffen es häufig nicht, auf jenem schmalen Grat zu bleiben: Zeigen sie die Frauen als Sexarbeiterinnen, Prostituierte, Nutten? Wer hat das Sagen über ihre Arbeit – sie selbst oder die Zuhälter dahinter? Wird Sexarbeit verteufelt oder wird im Sinne der Hurenbewegung betont, wie selbstbestimmt Frauen diese Arbeit machen (können)?
Was man sagen kann: Im Zentrum dieses Kammerstücks, auf den Zimmern, den Fluren, den kleinen Läden und Lokalitäten des charmefreien Kölner Graubaus, stehen die Frauen – nicht die Ermittler. Jasmin, Cosima, Tani, Kaja, Chiara, dazu dank „der Schnüttgens“ (Birgit Mascus), der Putzkraft, zum vielleicht ersten Mal eine mit – ok, für süddeutsche Ohren zumindest – fast unverfälschtem Kölsch in der Stimme. Ihre Perspektiven, ihre Geschichten, ihre Lebensfragen, ihr Alltag. Ohne Kitsch, ohne allzuviele Stereotype, aber wer weiß das schon genau, so vom Schreibtisch aus. Die Zahns, so die Info, hätten jedenfalls ausführlich recherchiert.
Die Frauen bekommen also Raum als mehrdimensionale Individuen – was ein Glück für die Story und den Film. Was ein Glück, dass dies nicht der x-te Sonntagabendkrimi-Paradefall zum Thema „Tote Prostituierte“ ist.
Und Sabrina Setlur? Die prägt sich ein in ihrer Bildschirmzeit – und spielt keinen geringeren als André Eisermann („Schlafes Bruder“) als Geschäftsführer locker an die Wand.
WDR-Tatort „Siebte Etage“, Sonntag, 24.11., um 20.15 Uhr, ARD
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