Tarifeinigung bei US-Autobauern: Mit Folgen für BMW, Mercedes, VW
Die Gewerkschaft UAW hat sich mit Ford und Stellantis auf 25 Prozent mehr Lohn geeinigt. Das kann sich auch auf deutsche Autobauer auswirken.
taz | Zwei der drei großen Autobauer in den USA haben sich in den vergangenen Tagen mit der Gewerkschaft UAW auf einen Tarifvertrag geeinigt. Dies könnte für ein Ende des seit mehr als einem Monat anhaltenden Streiks sorgen. Doch der Tarifkonflikt zwischen der Gewerkschaft und den sogenannten “Big 3“ in Detroit hat nicht nur Auswirkungen auf die US-Konzerne, auch die deutschen Autobauer, die in den USA produzieren, könnten die Folgen spüren.
“Die Unterstützung für Gewerkschaften in den USA ist auf dem höchsten Stand seit fast 60 Jahren. In der Öffentlichkeit findet die Arbeiterbewegung große Zustimmung“, sagt Tod Rutherford der taz. Er ist ein Experte in Sachen Arbeiterbewegung in der Autoindustrie und Professor an der Syracuse University im US-Bundesstaat New York.
Trotz der großen Unterstützung in der Öffentlichkeit haben Gewerkschaften in den vergangenen Jahrzehnten in den USA stark an Bedeutung verloren. Gerade einmal 10 Prozent der Arbeiter sind in einer Gewerkschaft organisiert.
Aufgrund der jüngsten Erfolge von Gewerkschaften in den unterschiedlichsten Branchen könnte sich das in Zukunft jedoch ändern. Die UAW, die knapp 150.000 Mitglieder im Automobilsektor zählt, hat sich in den vergangenen Tagen auf vorläufige Tarifverträge mit den Fahrzeugherstellern Ford und Stellantis geeinigt.
Sollten die Arbeiter der beiden Hersteller den neuen Tarifverträgen zustimmen, dann wäre dies das Ende des über sechswöchigen Streits, der die Produktion bei Ford, General Motor (GM) und Stellantis teils stark beeinträchtigt hatte. Nur General Motors konnte sich bislang nicht mit der UAW einigen. Die UAW kündigte deswegen am Samstag (Ortszeit) an, den Arbeitskampf gegen GM auszuweiten.
Sowohl der neue Vertrag mit Ford als auch der mit Stellantis, dem Hersteller von Marken wie Jeep oder Chrysler, beinhaltet eine Lohnerhöhung von 25 Prozent über vier Jahre. Hinzu kommt die Wiedereinführung eines Mechanismus, um das Gehalt der Arbeiter an die Lebenshaltungskosten anzupassen.
Besonders diese beiden Aspekte könnten sich indirekt auch auf die ausländischen Autoproduzenten auswirken, so Rutherford. Die deutschen Hersteller BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen betreiben große Produktionsstätten in den US-Südstaaten. Der Einfluss von Gewerkschaften ist in diesen Staaten historisch schwach.
Weder im BMW-Werk in South Carolina noch im Mercedes-Werk in Alabama oder im VW-Werk in Tennessee gibt es Gewerkschaftsvertretungen, welche die Interessen der Belegschaft vertreten. Trotzdem könnten die von der UAW erkämpften Lohnerhöhungen zu einer ähnlichen Forderung unter der dortigen Belegschaft führen. Keiner der deutschen Autobauer wollte sich zum aktuellen Arbeitskampf der UAW äußern, doch in einer Stellungnahme erklärte BMW-Pressesprecher Eckhard Wannieck, dass das Unternehmen für die zukünftige Herausforderung gewappnet sei.
„Mit Blick auf unser Werk in Spartanburg lässt sich sagen, dass wir dort seit über 30 Jahren wettbewerbsfähige Löhne und Sozialleistungen bieten – und damit hochqualifizierte und motivierte Arbeitskräfte anziehen konnten“, erklärte Wannieck in einer Stellungnahme der taz.
Mercedes und VW machen ähnliche Angaben. Beide wollten sich nicht direkt zum UAW-Streik äußern, doch Mercedes-Benz-Pressesprecherin Anna Berg sagte, Mercedes gehe davon aus, dass die bestehende Unternehmenskultur die beste sei, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. „Mercedes-Benz U.S. International in Alabama hat sich verpflichtet, beim Thema Arbeitnehmervertretung neutral zu bleiben, und die Entscheidung, einer Gewerkschaft beizutreten, liegt bei unseren Teammitgliedern“, heißt es seitens des Konzerns. Man verpflichte sich, seinen Angestellten „einen sicheren und professionellen Arbeitsplatz zu bieten“.
Dass sich die deutschen Autobauer überhaupt in den US-Südstaaten angesiedelt haben, liegt unter anderem an den großzügigen Subventionen und anderen Vergünstigungen, die von den jeweiligen Bundesstaaten in Aussicht gestellt wurden.
Wie Unterlagen später zeigten, hatte im Jahr 2014 der damalige Gouverneur von Tennessee, Bill Haslam, erklärt, dass, falls die Belegschaft im VW-Werk Chattanooga für die gewerkschaftliche Organisierung stimmt, knapp 300 Millionen Dollar an Steuergeldern nicht zur Verfügung stehen würden.
Wenn sich die UAW nun auch mit GM einigt, kann sich die Gewerkschaft auf Expansionskurs begeben, um auch bei den ausländischen Marken präsent zu sein und für ähnliche Lohnsteigerungen zu kämpfen. Doch auch ohne Gewerkschaft müssen sich die deutschen Hersteller auf Gehaltsforderungen ihrer Belegschaft einstellen, sagte Rutherford. Und das Thema Elektromobilität und deren Auswirkung wurde da noch gar nicht angesprochen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn