Tarifkonflikt in den USA: US-Autobauer vor neuen Streiks
Die Gewerkschaften drohen mit neuen Arbeitsniederlegungen bei General Motors und Stellantis. Sie fordern 40 Prozent mehr Lohn.
Washington taz | Die US-Gewerkschaft UAW, die knapp 146.000 Mitarbeiter in der Autoindustrie vertritt, will ihren Streik gegen die drei großen Hersteller aus Detroit weiter verschärfen. US-Medienberichten zufolge will die Gewerkschaft den seit zwei Wochen andauernden Streik am Freitag deutlich ausweiten, sollte es bis dahin in den Tarifverhandlungen mit Ford, General Motors und Stellantis zu keinen deutlichen Fortschritten gekommen sein.
Bereits vergangene Woche hatte die Gewerkschaft ihren Streik intensiviert. Nachdem zu Beginn des Streiks am 15. September nur drei Produktionsstätten – jeweils eine pro Hersteller – betroffen waren, erklärte die UAW am Freitag, dass sie ihren Arbeitskampf auf 38 zusätzliche Teile- und Versandlager der Hersteller GM und Stellantis erweitern werde. Die Gewerkschaft verzichtete auf weitere Maßnahmen gegen Ford, da dies laut Gewerkschaftsführung der einzige Hersteller sei, der es ernst meine, ein Abkommen zu erzielen.
„Wir weiten unseren Arbeitskampf damit auf das ganze Land aus“, sagte UAW-Präsident Shawn Fain. Er machte auch klar, dass die Gewerkschaft an ihren Forderungen festhalten wolle und gegebenenfalls weitere Ausweitungen der gezielten Arbeitsniederlegung in Betracht ziehen werde.
40 Prozent Gehaltserhöhung
Insgesamt streiken aktuell mehr als 18.000 Arbeitnehmer, knapp 12,5 Prozent aller Gewerkschaftsmitglieder, an 41 Standorten in 20 US-Bundesstaaten. Die UAW fordert von den als „Big 3“ bezeichneten Autoherstellern eine Gehaltserhöhung von 40 Prozent über vier Jahre hinweg, kürzere Arbeitszeiten, die Rückkehr zu traditionellen Betriebspensionen und eine Anpassung der Lebenshaltungskosten. Sie verweisen dabei auf den Kaufkraftverlust der Arbeitnehmer, die hohen Gewinne der Unternehmen und die Vergütungssprünge der Konzernchefs.
Die Autohersteller haben bislang Gehaltserhöhungen von bis zu 20 Prozent in Aussicht gestellt. Hinzu kommen Bonuszahlungen, höhere Kostenübernahme bei der Krankenversicherung und andere Zusatzleistungen. Der UAW sind diese Angebote bislang noch nicht genug.
Der Gewerkschaft geht es vor allem darum, frühere Zugeständnisse, die sie während der Finanzkrise 2008 zur Rettung der Autohersteller eingegangen ist, wieder rückgängig zu machen. Die Betriebspension sowie die medizinische Versorgung im Alter sind der UAW besonders wichtig.
„Meine Pension ist unersetzlich. Die Pension ist es, die mich in der Mittelschicht hält. Die streikenden Arbeiter müssen dieselben Betriebszulagen erhalten, die wir auch erhalten haben, als wir in Rente gegangen sind“, sagte der frühere GM-Arbeiter Craig Nothnagel zu Bloomberg Law.
Biden unterstützt Arbeitskampf
Unterstützung erhält die Gewerkschaft auch aus Washington. US-Präsident Joe Biden schrieb Geschichte, als er als erster amtierender Präsident in dieser Woche streikende Arbeiter in Michigan besuchte und diese inmitten eines Arbeitskampfs unterstützte.
“Die Wahrheit ist, ihr, die UAW, habt viel abgegeben, um den Autosektor 2008 und auch schon davor zu retten“, sagte Biden während seines Auftritts am Dienstag. Nun seien die Autohersteller, die in den vergangenen Jahren Rekordgewinne erzielt hatten, an der Reihe, den Arbeitern das zu geben, was sie verdient hätten.
Die UAW-Führungsriege wird ihre Entscheidung über die nächsten Schritte im Arbeitskampf um 10 Uhr US-Ostküstenzeit (16 Uhr deutscher Zeit) verkünden.
Leser*innenkommentare
Dietmar Rauter
Der Arbeitskampf -der Kampf UM Arbeit- ist auch Folge technologischer Entwicklung: Die Produktion wird immer mehr roboterisiert, sofern das Kapital dafür bereit gestellt wird. Auf der anderen Seite werden durch die immer schneller betriebene Entwicklung der Produktivkräfte (bis hin Denkautomaten!) immer weniger leibliche Arbeiter benötigt und damit verlieren die Couponschneider von Ford, VW und auch aus China ihre Kundschaft, die sich keine Fahrzeuge mehr kaufen kann: Technischer Fortschritt führt zu Überkapazitäten und zum tendenziellen Fall der Profitrate. Blech macht nicht satt. Das Gegenteil ist notwendig: Es sollte abgerüstet werden, ein Recht auf Arbeit und Teilhabe als neues Kriterium einer demokratischen Gesellschaft Geltung bekommen. Das geht aber nicht im Kapitalismus! (Literatur dazu: Kohei Saito, Systemsturz, SPIEGEL-Bestseller)
Axel Schäfer
Gute Idee, die Zahlen dürften auch bei uns passen.
Doch statt mal bei den niedrig entlohnten Branchen (dazu zählen bei uns die Autokonzerne nicht) mal auch mit solchen Forderungen aufzutreten fährt die IG Bergbau Chemie als Schoßhündchen der Chemieriesen mit zum Jammern beim Kanzler.
Wenn selbst Biden sich mit den Arbeitern solidarisiert, kann man sehen, wie weit sich in Deutschland selbst ehemalige Arbeiterparteien von der Arbeiterschaft entsolidarisiert haben.