Tagebuch aus Lützerath (3): „Am Ende sind das Menschen“

Vor der Belagerung sprechen die Be­set­ze­r:in­nen über ihre Erfahrungen mit der Polizei. Die einen mahnen zur Differenzierung, andere sind wütend.

Polizei und Menschen in weißen Overalls stehen sich gegenüber. Ein Ortsschild zeigt "Lützerath" durchgestrichen, drüber estht geschrieben: "Bulle"

Die Stimmung bleibt schlecht an diesem Morgen, auf beiden Seiten Foto: Aron Boks

Immer wenn ich mir jetzt am Morgen einen Kaffee holen will, sieht mich dabei eine Reihe von Polizist:innen. Seit Montag umstellen diese nun das besetzte Dorf, in dem ich mit Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen lebe.

An einem der Abende, bevor diese Belagerung beginnt, wird am Lagerfeuer noch das Übliche besprochen. Ja, die Polizei sei ein Scheißsystem. Jemand mit Schnurrbart und Lederjacke, der sich hier „Eulenspiegel“ nennt, mahnt zur Differenzierung. „Ich weiß, woher der Hass kommt“, sagt er. „Aber am Ende sind das Menschen.“ Die Polizei als Machtapparat sei zu kritisieren, der Slogan „All Cops Are Bastards“ aber auch. Als niemand darauf eingeht, fügt er hinzu: „Die anderen denken auch, sie wär’n die Guten.“ Ein Zitat des Rappers Alligatoah.

Die Menschen am Feuer diskutieren, reden über Einsätze, bei denen sie oder ihre Freun­d:in­nen diskriminiert oder niedergeknüppelt wurden. Eine Frau um die 40 mit Outdoorjacke verschränkt die Arme. „Aber wenn ich jetzt an eine alte, einsame Frau denke, bei der eingebrochen wird. Wen soll die denn anrufen, um Hilfe zu bekommen?“ Stille. Einer schüttelt den Kopf. „Es musste erst was geschehen, dass jemand so isoliert leben muss.“ „Niemand würde einfach so einbrechen!“, fügt wer hinzu. „Doch nur, weil ihnen das kapitalistische System Besitztum vermittelt hat.“

Wie sieht ein Po­li­zis­t:in­nen­alb­traum aus?

Ich werde aus meinen Erinnerungen gerissen, alle Kaffeebecher sind weg. Ich muss umkehren und die Po­li­zis­t:in­nen stehen immer noch da. Ich frage mich, wie ein Po­li­zis­t:in­nen­alb­traum aussieht. Ob sie auch Angst haben vor der anstehenden Räumung. Ob sie etwas Absurdes befürchten – als Geisel genommen zu werden oder so. Wie würde das in diesem anarchistischen Dorf aussehen?

Die Stimmung an diesem Morgen bleibt schlecht, auf beiden Seiten. Eigentlich war abgemacht, dass die Polizis­t:in­nen sich hinter dem Erdwall bei der Straße zum Dorf aufhalten. Sie sind aber dann doch davor getreten. „Die sagen, sie fühlen sich unwohl sonst“, sagt jemand im Dorf.

🐾 Das Tagebuch „Countdown Lützerath“ entsteht mit finanzieller Unterstützung der taz Panter Stiftung.

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Aron Boks lebt als Slam Poet und Autor in Berlin. Er schreibt für diverse Zeitungen und Magazine. Einmal hat er sogar einen Weihnachtsforscher aufgespürt und interviewt. Sein letztes Buch „Luft nach Unten“ erschien 2019. Im selben Jahr erhielt er den Klopstock Förderpreis für Neue Literatur.

Eine Person sitzt auf einem Ausguck. Sie trägt eine blaue Hose und hat eine goldene Wärmedecke um die Schultern geschlagen. Außerdem trägt sie eine weiße Maske und eine Mütze. Szenerie aus Lützerath

Wie lebt es sich im besetzten Weiler? Die taz-Autor*innen Aron Boks und Annika Reiß waren für die Kolumne Countdown Lützerath vor Ort. Zwischen Plenum, Lagerfeuer und Polizei

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