TV-Duell in USA: Trump-Fans beim Harris-Bingo
Viele feiern Kamala Harris’ Auftritt gegen Trump. Aber wie kam das Duell bei eingefleischten Trump-Unterstützern an? Ein Besuch in North Carolina.
Der Dienstagabend war ein Höhepunkt im monatelangen Wahlkampftheater: Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner saßen vor dem Bildschirm, um die mit Spannung erwartete TV-Debatte zwischen Harris und Ex-Präsident Donald Trump in Philadelphia zu verfolgen. Für Harris und Trump war es das erste Mal, das sie persönlich aufeinandertrafen. Sie ging zu ihm herüber und streckte zur Begrüßung die Hand heraus, der erste Handschlag einer Präsidentendebatte seit 2016. „Kamala Harris“, sagte sie. „Have fun“, schoss er zurück.
Wie sieht sie also aus, die Trump-Wählerschaft? Hier in der republikanischen Parteizentrale des Wake County in Raleigh, North Carolina, haben sich hartgesottene Trump-Fans auf Klappstühlen zur Watch-Party eingefunden. Viel graues Haar, viele MAGA-Käppis, viele USA-Fahnen mit Versprechungen von Freiheit. Es gibt Pizza von Papa Johns für alle, zum Trinken allerdings nur stilles Wasser. „55 Tage bis zum Sieg. USA! USA!“, steht auf dem Schwarzen Brett in Druckbuchstaben geschrieben.
North Carolina ist einer von sieben Swing States, den Bundesstaaten, die einen offenen Ausgang haben und bei der Präsidentschaftswahl entsprechend ihrer Bevölkerungsgröße ins Gewicht fallen. 2020 stimmten in North Carolina die Mehrheit der Einwohner für Trump: im wohlhabenden Wake County wählte man aber vorwiegend demokratisch.
In Ohio essen sie Hunde?
Trump: „Ich wollte ihr einen MAGA-Hut senden.“ Gelächter.
Trump: „Sie ist so furchtbar und lächerlich.“ Gejohle.
Harris: „Ich bin als Kind als Teil der Mittelschicht aufgewachsen!“ Buuuuuh.
Als Trump dann behauptet, Zuwanderer aus Haiti in Ohio würden die Hunde und Katzen von Einheimischen schlachten und verspeisen, findet das niemand seltsam, zumindest bleiben die Ahs und Ohs dieses Mal aus. Auch an Trumps Lügen zur gestohlenen Wahl stößt sich niemand, man stöhnt nur genervt auf.
Aber in der Gesamtsumme erinnert der Abend doch ein bisschen an ein Spiel der Regionalliga, bei dem sich trotz bester Absichten aller Anwesenden einfach kein Stimmungshoch einstellen will.
Harris: „Es ist eine Tragödie, dass er Hautfarbe dazu benutzt, um die Amerikaner gegeneinander aufzubringen.“ Ein Raunen der Empörung geht durch die Menge, einzelne Aufschreie unterbrechen das harmonische Beisammensein.
Trump: „Nicht mal Joe Biden kann sie ausstehen!“ Begeisterter abfälliger Applaus. Echte Freude bricht erst aus, als Harris etwas sagen will und Trump sie mit den Worten „I’m speaking“ verstummen lässt: ein winziger und köstlicher Racheakt, ein Verweis auf die Debatte zwischen den beiden Vizepräsidentschaftskandidaten von 2020, als Harris Trumps Vize Mike Pence mit den Worten „I’m speaking“ zum Schweigen brachte.
„Let’s goooooo!“ Die gesamte erste Reihe springt von ihren Stühlen und brüllt. Da ist er endlich, der Gegenschlag ihres Helden.
Enttäuschung als Zeichen von Schwäche
In der Pause kichert einer der Anwesenden in der Kloschlange. Er scheint zufrieden, aber auch ein bisschen enttäuscht. „Er ist nicht fies genug, bei Hillary war er noch viel gemeiner.“ Tatsächlich ist dieser Dienstagabend ein sehr anderes Ereignis als 2016, als Trump sich mit seinem Charisma Hillary Clintons Argumenten der Vernunft entzog.
Aber sich Enttäuschung anmerken zu lassen, wäre ein Zeichen von Schwäche, von Einknicken. Trumps Unterstützer halten mit Leidenschaft an ihm fest. Er muss ihnen nichts mehr beweisen. Ihre Huldigung ist ihm gewiss, seine beleidigenden Vokabeln nutzen sich nie ab.
Sehr gut würde er das machen, lobt ihn ein Mann mittleren Alters, der auf seinem Stuhl hin und her rutscht. Für sein Fan-Shirt, himmelblaue Buchstaben auf grauem Stoff, hätte er sich eigens auf den Weg nach Charlotte gemacht, in die Hauptstadt North Carolinas – eine Autofahrt von zwei Stunden.
Trump würde das Land eben wie ein Business führen: und so sollte es auch geführt werden. Bei Harris gehe es in der Debatte nicht um Inhalte, sie klinge wie eine Werbekampagne. Trump vielleicht auch ein bisschen, gibt er zu, aber nicht so sehr. Er hätte in den letzten zwei Wahlen Trump seine Stimme gegeben, jetzt wolle er es wieder tun.
Von einer anerkennenden Stimmung wie bei den US-Medien, die Harris sofort nach Abschluss der Debatte für ihre Souveränität und ihr professionelles Auftreten loben werden, ist im Wake County nichts zu spüren. In dieser verblüffenden Parallelrealität steht eine Tatsache unumstößlich fest: Die Debatte hat einen klaren Gewinner.
Zum Ende hin schließlich noch ein letzter Höhepunkt. „Sie verspricht all diese wundervollen Dinge“, sagt Trump. „Aber warum hat sie die dann in dreieinhalb Jahre im Amt noch nicht getan?“ Die kleine Parteizentrale im Wake County jubelt und tobt.
„Danke, dass ihr da wart!“, sagt eine ältere Frau mit langen goldblonden Haaren zum Abschluss. Um kurz nach elf am Abend ist der Zauber vorbei. Einer nach dem anderen verlassen die Trump-Fans das Gebäude und treten in die angenehm kühle Spätsommerluft. Niemand verweilt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag