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TV-Dokumentation über SüdsudanDer Vereiniger

Katharina von Schroeder und Florian Schewe begleiten für eine Dokumentation den Aktivisten und ehemaligen Kindersoldaten Agel Ring Machar.

Agel: „Ich hatte damals die Möglichkeit, zu gehen und mich meiner Situation als Kindersoldat zu entziehen“. Bild: zdf

Agel Ring Machar knöpft sein Jackett auf, legt sein iPad neben sich. „Das nennt ihr Sommer“, fragt er und bestellt einen Caffè Latte in Berlin-Friedrichshain. Draußen regnet es. In seiner Kindheit hat Agel Menschen getötet. Zu fragen, wie viele es waren, erscheint taktlos. Das Trauma, dass das hinterlassen haben muss, sucht man in seinem freundlichen Gesicht aber vergebens.

Agel Ring Machar ist in Berlin, um an der Premiere des Dokumentarfilms „Wir waren Rebellen – Krieg und Frieden im Südsudan“ von Katharina von Schroeder und Florian Schewe teilzunehmen. Die Dokumentation wurde von der Produktionsfirma Perfect Shot Films und ZDF produziert und dreht sich um Agel und sein Leben im jüngsten Staat der Welt.

Am 9. Juli war es drei Jahre her, dass sich der Südsudan vom Norden getrennt hat und einen unabhängigen Staat bildete. Etwa ein Viertel der sudanesischen Bevölkerung lebte damals in dem Gebiet, und viele kehrten nach der Unabhängigkeit im Jahr 2011 dahin zurück. Es war ein langer Weg, denn der Süden führte mit dem Norden seit dem Jahr 1955 Krieg um die Selbstbestimmung.

Die erkämpfte Unabhängigkeit brachte aber auch wirtschaftliche Probleme, denn das Land ist reich an Erdöl und für den Transport auf die Pipelines durch den Norden angewiesen. Man verhandelte lange um die Höhe der Gebühren, bis Anfang 2013 eine Lösung gefunden wurde. Aber Ende des Jahres kam es dann zu Unruhen im Land.

Die Doku

„Wir waren Rebellen“, in der Nacht zu Dienstag, 15. Juli, 00.10 Uhr, ZDF

Mord und Hungersnot

Der südsudanesische Präsident Salva Kiir Mayardit ist Angehöriger des Volksstammes Dinka. Er warf dem Vizepräsidenten Riek Machar, Angehöriger der Volksgruppe Nuer, im Dezember 2013 vor, einen Putsch zu planen. Der Machtkampf eskalierte. Seitdem sind im Südsudan bei den auch ethnisch motivierten Kämpfen etwa 10.000 Menschen gestorben, eine Million Menschen mussten fliehen. Die Kämpfe breiteten sich von der Hauptstadt Juba in andere Teile des Landes aus, und das Land steuert nach Einschätzung der UN auf eine katastrophale Hungersnot zu.

Von den zugesagten Hilfsgeldern aus aller Welt gingen bei den Vereinten Nationen jedoch bislang nicht genug ein. Es fehlt an Saatgut, das in der Regenzeit ausgesät werden muss, damit die Menschen ihre Felder bestellen und die Rinder grasen lassen können.

Von Schroeder und Schewe wurden auf den hochgewachsenen Agel aufmerksam, als sie am Unabhängigkeitstag 2011 im Südsudan filmten. Er war damals professioneller Basketballspieler und Kapitän der südsudanesischen Nationalmannschaft. „Es war nicht geplant, dass sich der Film so um ihn dreht. Das hat sich erst durch die politischen Ereignisse ergeben“, sagt Katharina von Schroeder. Im Film erzählt Agel von seinem Leben und seiner Sicht auf die politischen und wirtschaftlichen Konflikte, die sein Land zu spalten drohen.

Man sieht ihn bei den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag, beim Basketballspielen, mit seiner Familie und später bei seiner Arbeit als Bürgeraktivist. Seine charismatische Ausstrahlung hat auch Machern bei den Dreharbeiten geholfen. „Agel ist jemand, den man gut begleiten kann, er kennt sich aus, weiß, mit wem man reden muss. Damals hielten sich die Schwierigkeiten, vor Ort Drehgenehmigungen zu bekommen, zwar noch im Rahmen, aber es ist eben doch alles von der UN kontrolliertes Gebiet“, sagt Florian Schewe.

Die beiden Filmemacher begleiteten Agel über zweieinhalb Jahre lang, reisten mehrmals in den Südsudan, filmten meist in Juba und Umgebung. Die letzten Aufnahmen beendeten sie Ende 2013. Ungefährlich war das nicht, auch weil das Geld nicht immer reichte. „Eine Hausmiete für einen kleinen Bungalow kostet etwa 10.000 Dollar im Monat“, sagt Katharina von Schroeder. Juba ist eine der teuersten Städte der Welt. Das liege an den Hilfsorganisationen und daran, dass es von allem so wenig gebe, sagt Schewe. Da könne man sich sogar das Mietauto manchmal einfach nicht leisten.

„Es war eine Low-Budget-Produktion, und die Umsetzung war nicht immer einfach. Man muss nehmen, was man kriegen kann, auch wenn man dann mit der Kamera auf einem Motorradtaxi sitzt“, sagt er. In der Dokumentation wird schnell klar, wie gefährlich das ist. Man sieht kaum befestigte Straßen, und die medizinische Versorgung ist nicht vergleichbar mit europäischen Standards, wie durch die Aufnahmen aus der Arztpraxis, in der Agels kleine Tochter gegen Malaria behandelt werden soll, klar wird.

Ein stabiles Land

Agels Frau und seine Tochter lebten während der Dreharbeiten bei ihm, aber seit dem Ausbruch der Unruhen im Dezember 2013 sind sie in Kenia, weil es da sicherer ist. Agel selbst denkt aber nicht im Geringsten daran, den Südsudan zu verlassen. Er ist nach seiner Flucht als Kind mit Ende zwanzig zurückgekehrt und möchte bleiben. Im Alter von 14 Jahren kam er über Kenia nach Australien, wo er mit einem Basketballstipendium die Schule besuchte. „Ich hatte damals die Möglichkeit, zu gehen und mich meiner Situation als Kindersoldat zu entziehen. Ich konnte Bildung und eine Therapie bekommen. Mein Vater und meine Onkel sind gestorben, meine älteren Brüder waren im Krieg“, sagt er.

Bei den jüngsten Unruhen sind wieder Verwandte von ihm gestorben, aber wenn er gefragt wird, ob ihn das Leben mit den andauernden Kämpfen und den Schwierigkeiten nicht erschöpft, lacht er nur. Er versteht die Frage nicht, sagt er, denn jede Generation habe ihre eigene Herausforderung: „Das kann dich nicht erschöpfen, du musst einfach jeden Tag weiterarbeiten, bis du bist, wo du hinwillst. Meine Generation muss ein stabiles und wohlhabendes Land aufbauen. Die letzte Generation hatte die Aufgabe, den Südsudan zu befreien. Sie haben Jahrzehnte ihres Lebens dafür investiert. Die waren auch nie erschöpft.“

In der Dokumentation wirkt Agel überzeugt, dass der Südsudan ein demokratischer und stabiler Staat werden kann. Die jüngsten Entwicklungen müssten ihn enttäuschen, er hat sich aber mit der Situation arrangiert. Er fühle sich, als hätte ihn alles, was er in seinem Leben durchmachen musste, genau darauf vorbereitet: „Meine Arbeit ist vielleicht härter als die von anderen Generationen in anderen Ländern. Aber irgendjemand hat es da auch getan. Irgendjemand musste Deutschland wiedervereinen und die Wirtschaft aufbauen. Das war nicht einfach für diese Generation, sie mussten Kompromisse eingehen. Aber die junge Generation profitiert nun von der alten.“

Wenn es nötig ist, wäre Agel bereit, sein Leben wieder mit einer Waffe zu verteidigen, sagt er. Aber solange es geht, wolle er weiter als Bürgeraktivist arbeiten und den Menschen dabei helfen, sich mit Trinkwasser zu versorgen. Denn im Südsudan hat immer noch jeder dritte Bürger keinen Zugang zu sauberem Wasser. Er hilft in den Dörfern Brunnen zu bohren, für ihn ist das der Beitrag, den er zum Aufbau seines Landes leisten kann.

Der rund 90-minütige Dokumentarfilm „Wir waren Rebellen“ schafft es, den Konflikt im Südsudan anhand eines Hauptakteurs umfangreich zu skizzieren. Die Dokumentation bewegt sich auf Augenhöhe mit dem Protagonisten und kommt dank seiner Wortgewandtheit gut ohne einen Erzähler aus.

Agel selbst steht für einen Generationswechsel im Südsudan, er vereint die Konflikte der Vergangenheit und die der Zukunft. Dabei ist er aber voller Hoffnung und überträgt ein Art Optimismus, die man in Europa längst schon vergessen hat.

„Wir waren Rebellen“, in der ZDF-Mediathek

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