Unabhängigkeitstag im Südsudan: Die Elite lebt in Saus und Braus

Drei Jahre nach der Unabhängigkeit genießen führende Politiker das Nachtleben in Juba. Die Elite des Landes ist gespalten. Es geht auch um Öleinnahmen.

UN-Lager in der Nähe der sudanesischen Hauptstadt Juba. Bild: dpa

JUBA taz | Zwei junge Frauen checken in Kenias Hauptstadt Nairobi für den Flug in die südsudanesische Hauptstadt Juba ein. Ihre zahlreichen Koffer stammen ebenso von einer teuren Marke wie ihre Kleidung. Das Gepäck ist deutlich schwerer als das zugelassene Gewicht. Doch im Gegensatz zu anderen Passagieren, die um Nachsicht bitten, zahlen sie ohne zu murren den beträchtlichen Aufpreis.

„Wir haben vor allem Geschenke für die Familie dabei“, sagt eine der Frauen. „In Juba gibt es nicht viele schöne Sachen. Hier in Nairobi kann man alles kaufen.“ Die Südsudanesinnen studieren in Kenia, wo ihre Väter neben den Wohnungen in Juba Häuser besitzen. Dass sie zur Elite des Südsudan gehören, zeigt sich bei der Ankunft. Sie werden von einem Mann in Anzug und Sonnenbrille mit einer Handbewegung am Zoll vorbeigeschleust.

Die südsudanesische Elite besteht aus Politikern, hochrangigen Militärs und Geschäftsleuten. Sie sind allesamt Mitglieder der regierenden Partei SPLM (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung), die vor der Unabhängigkeit am 9. Juli 2011 eine Rebellenbewegung war.

Die SPLM und damit die Elite des Landes ist gespalten, seit der Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und seinem ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar im Dezember in einen ethnischen Konflikt ausartete. Kiir ist ein Dinka und Machar ein Nuer; sie gehören den beiden größten Völkern des Landes an. Über eine Million Menschen wurden durch die Kämpfe vertrieben; 800.000 flohen in die Nachbarstaaten. Mindestens 10.000 Menschen wurden getötet.

Kampf um Öl

Machar ging in den Busch, wo er eine Rebellengruppe von Nuer-Kämpfern organisierte und sie „SPLM in der Opposition“ nennt. Seitdem besteht die Armee überwiegend aus Dinka.

„Die Antriebskraft des Bürgerkriegs ist die Korruption“, erläutert Abraham Awolich vom südsudanesischen Forschungsinstitut SSUD. „Der Kampf geht um die Macht, die den Zugang zum Reichtum des Landes ermöglicht. Südsudan mag ein Entwicklungsland sein, aber es hat riesige Einnahmen aus der Ölförderung.“

Bei der Unabhängigkeit lag das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen bei mehr als 1.350 Euro. Das war mehr als doppelt so viel wie in Kenia (550 Euro) und sogar viermal so viel wie in Uganda (350 Euro). Beide Länder sind deutlich besser entwickelt als der Südsudan. Doch als Folge der Kämpfe ging die Ölproduktion zurück, gleichzeitig wurden große Summen an öffentlichen Geldern unterschlagen, sodass sich das Einkommen eines Südsudanesen halbiert hat.

Einstige Rebellenführer an der Macht

Die Führung des Staates liegt heute in den Händen einstiger Rebellenführer, die zwanzig Jahre gegen die sudanesische Regierung in Khartum gekämpft haben. Die ehemaligen Kommandanten tauschten ihre Uniformen gegen Anzüge ein und begannen, ihre Positionen schamlos auszunutzen, um sich zu bereichern. Viele von ihnen glauben, sie seien dazu berechtigt, weil sie ihr Leben für die Unabhängigkeit riskiert haben. Dabei vergessen sie die anderen zwei Millionen Südsudanesen, die während des Krieges gegen den Norden starben.

„Wir Südsudanesen bringen uns gegenseitig um, weil zwei Männer dieselbe Position wollen, sodass ihre Freunde von unserem Ölreichtum stehlen können“, seufzt eine Frau in einem Flüchtlingslager nahe dem Städtchen Bentiu im Norden des Landes. Die Elite scheint sich kaum darum zu kümmern, wie es der Bevölkerung geht. Städte wie Bentiu wurden durch die Kämpfe teilweise zerstört. Vertriebene leben in Lagern neben den Basen der Unmiss, der UN-Mission im Südsudan.

In Juba selbst gibt es kaum Hinweise auf den Konflikt. Anfang des Jahres, kurz nach heftigen Kämpfen in der Stadt, waren die Straßen wie leergefegt. Entwicklungshelfer zogen ab, Wohlhabende reisten nach Kenia oder Uganda. Die Nuer-Bevölkerung in Juba suchte Zuflucht auf der Unmiss-Basis beim Flughafen.

Geländewagen und Hummer

Jetzt stauen sich wieder die Geländewagen der Hilfsorganisationen und die Spritfresser vom Typ Hummer der lokalen Elite. Die Terrassen teurer Hotels und Restaurants sind voll. Nur die Viertel, in denen bisher meist Nuer lebten, sind teils verlassen.

Aus der Bar De’Havana hämmert trotz einer Ausgangssperre nach 23 Uhr laute Discomusik bis vier Uhr morgens. Ein Nachbar beschwert sich und droht mit der Polizei. Der Manager zuckt mit den Achseln und weist auf die Trinker an der Bar – viele von ihnen sind hochrangige Polizisten. Dem Nachbarn wird geraten, lieber schnell wieder nach Hause zu gehen, weil der Besitzer der Bar enge Beziehungen zu einflussreichen Mitgliedern der Elite hat.

Südsudan ist zu 98 Prozent vom Öl abhängig und hat Milliarden Euro daran verdient. Trotz weiterer Milliarden Euro Entwicklungshilfe ist Südsudan eines der rückständigsten Länder der Welt. Es gibt noch nicht einmal hundert Kilometer asphaltierte Straßen, von denen die meisten durch Juba führen. Das Gesundheitswesen wird vor allem von internationalen medizinischen Organisationen geführt. Es gibt kaum Investitionen in die Landwirtschaft, obwohl weite Teile des Landes fruchtbar sind. Drei Viertel der Bevölkerung sind Analphabeten.

Politische Misswirtschaft und Korruption

Vor diesem Hintergrund sowie dem der politischen Misswirtschaft und der Korruption stellt sich die Frage, ob der Südsudan nicht zu früh unabhängig wurde. „Die Bevölkerung war zur Unabhängigkeit bereit, aber nicht die SPLM“, erläutert Isaac Kenyi, der als Beobachter an den Friedensgesprächen mit der sudanesischen Regierung teilgenommen hat.

„Als die SPLM noch eine Rebellenbewegung war, hat sie keine Strukturen aufgebaut, die nach der Unabhängigkeit Keimzellen der Regierung werden konnten.“ Auch fehlte der SPLM eine Vision für das Land. „Jeder kümmert sich einfach nur um sich selbst“, fügt Kenyi hinzu.

Auch heute ist Kenyi im Auftrag der katholischen Kirche wieder Beobachter bei Friedensgesprächen, diesmal im benachbarten Äthiopien. Er glaubt nicht an ernsthafte Verhandlungen und verweist darauf, dass beide Fraktionen für Massenmorde verantwortlich sind. Doch internationaler Druck bleibt aus. „Beide Konfliktparteien glauben, auf dem Schlachtfeld gewinnen zu können“, meint Kenyi. „Es sieht aus, als ob Kiir und Machar im Stande sind, noch mindestens zwei Jahre weiterzukämpfen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.