TV-Doku über Pegida: Die rechte Mitte
Die ARD-Doku über die rechten Bürgerproteste will keine Nazis sehen. Die Demonstranten werden nur als Ängstliche und Wutbürger wahrgenommen.
Pegida ist am Ende auch nicht anders als die Öko-Rentner, die in Stuttgart Widerstandsbäume gegen einen unterirdischen Durchgangsbahnhof pflanzen. Das jedenfalls erklären der auf Rechtsextremismus-Themen spezialisierte TV-Journalist Rainer Fromm und sein Kollege Christian Lang, wenn sie gleich zu Beginn ihrer 45-minütigen Dokumentation schlussfolgern: „Viele von denen, die auf die Straße gehen, sind gut ausgebildet, berufstätig, mittleren Alters. Es sind Wutbürger – keine Nazis.“
Komisch nur, dass in dem Film über die besorgten Mitbürger mit der etwas diffusen Angst vor dem muslimischen Nachbarn dann Hooligans und einschlägige Rechtsradikale zu sehen sind, die so viel mehr nach Angstmachen wollen aussehen als nach Angst. Der ehemalige Kölner Domprobst Norbert Feldhoff, der Pegida auf der Domplatte im Dunkeln stehen ließ, macht sich seinen Reim darauf: „Es gibt einen Kern, der die Initiative ergriffen hat, der ist fremdenfeindlich, der ist rechtsradikal. Aber es gibt die große Menge von Mitläufern, die geprägt sind von Angst vor dem Islam.“
Eine Pegida-Tierärztin schwingt ein Transparent: „GEGEN NAZIS“. Sie wollen nicht Nazi genannt werden. Sie kaufen Hugo Boss, nicht Thor Steinar. Also sind sie keine Nazis. Logisch, oder? Aber war es denn nicht so, dass einst die NSDAP überproportional viele Anhänger gerade im Mittelstand hatte? Warum sollen dann heute nur Bomberjacken-Skins als Nazis durchgehen? Weil es sonst doch recht viele Nazis wären?
„Pegida. Zwischen Bürgerprotest und Radikalisierung“, Montag, 11. Mai, 22.45 Uhr, ARD
Könnte es nicht sein, dass in der Bundesrepublik nichts – NPD, Wiking-Jugend, NSU, Oldschool Society – jemals so groß und so sehr Nazi war wie Pegida? Dass dieser Befund aber so erschreckend wäre, dass auch Nichtbuddhisten in ihrer Verzweiflung sich nicht anders zu helfen wissen als mit der spirituellen Kraft des Mantras: Wutbürger – keine Nazis …
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Prognose zu KI und Stromverbrauch
Der Energiefresser
Nahost-Konflikt vor US-Wahl
„Netanjahu wartet ab“
FAQ zur Rundfunkreform
Wie die Öffentlich-Rechtlichen aus der Krise kommen sollen
Umgang mit Trauer
Deutschland, warum weinst du nicht?