TV-Debatte zwischen Trump und Biden: Der Profiboxer
Trump hat geschafft, was ihm schon zur Präsidentschaft verhalf: Er ist unflätig, er ist laut, er lügt – und alle reden über ihn. Bidens Ruhe hilft da nicht.
D ie Ausgangslage vor dem ersten TV-Duell der zwei US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump und Joe Biden war klar: Biden führt seit Monaten konstant in den Umfragen, auch in den umkämpften Swing States. Er war es also, der in der Debatte etwas zu verlieren hatte, wenn er grobe Fehler gemacht hätte. Und das hat er nicht.
Trump setzte alles daran, Biden aus dem Konzept zu bringen, ihn so sehr zu nerven, dass aus dem demokratischen Präsidentschaftsanwärter jener stotternde, sich verhaspelnde und verunsicherte alte Mann würde, als den die Republikaner*innen ihn stets charakterisieren. Aber das hat nicht funktioniert, Biden blieb erstaunlich ruhig. Und als er dann sagte, Trump möge doch einfach mal den Mund halten, sprach er vermutlich sogar vielen Zuschauer*innen aus der Seele, die von Trumps ständigem Dazwischenreden zu diesem Zeitpunkt schon reichlich genervt waren.
Die Debatte war kein „Game Changer“, kein Ereignis, das die Dynamik des Wahlkampfs und der politischen Auseinandersetzung in den USA grundlegend verändern dürfte.
Trump führte alles vor, was seine Gegner*innen an ihm besonders verabscheuunswürdig finden: bullyhaftes Verhalten, Verachtung für Spielregeln, Selbstbeweihräucherung, glatte Lügen. Oder, übersetzt in das Vokabular seiner Anhänger*innen: Stärke und Authentizität, Verachtung für den traditionellen Politbetrieb, Selbstbewusstsein und den Mut, als Einziger die Wahrheit zu sagen.
Von Bidens Alternativvorschlägen bleibt nicht viel hängen
Und so hat Trump geschafft, was ihm schon 2016 zunächst die unerwartete republikanische Nominierung eintrug und schließlich zur Präsidentschaft verhalf: Alle reden über ihn. Er ist es, der Anhänger*innen und Gegner*innen an die Wahlurnen mobilisiert. Trump versteht das Aufmerksamkeitsgeschäft wie kein Zweiter. Es ist wie beim Profiboxen: Der unflätige Champ, der seine Gegner beleidigt, füllt die Hallen – die einen lieben ihn, die anderen wollen ihn endlich k.o. sehen, aber alle kommen und zahlen.
Von Joe Bidens Alternativvorschlägen bleibt nach dieser einer Demokratie unwürdigen Debatte außer vielleicht der Forderung nach Rückkehr zum Pariser Klimaabkommen und der Rückgängigmachung von Trumps Steuergeschenken an die Reichen wenig hängen.
Allenfalls die Linke dürfte enttäuscht sein, weil sich Biden vom Green New Deal genauso distanzierte wie von Bernie Sanders' Vorschlägen zur Gesundheitsreform oder den Forderungen nach einer Mittelumschichtung von der Polizei zu Sozialeinrichtungen, wie sie aus der Black-Lives-Matter-Bewegung kommen.
Aber diese Debatte war nicht nur anders, weil sie so chaotisch ablief und Trump dem Moderator Chris Wallace kaum eine Chance ließ, die vereinbarten Regeln durchzusetzen.
Vor allem präsentierte sie einen Amtsinhaber, der nun auch in der auf allen Kanälen übertragenen TV-Debatte die Legitimität der Wahl anzweifelt, der seine Anhänger aufruft, die Vorgänge in den Wahllokalen „zu überwachen“ – was von den meisten als Aufruf zur Einschüchterung demokratischer Wähler*innen verstanden wird –, und der sich von den militant-rechtsextremistischen „Proud Boys“ nicht distanziert, sondern sie vielmehr aufruft, sich bereitzuhalten.
Nichts davon ist nach über vier Jahren Beschäftigung mit Trumps Politik überraschend. Aber wer vergessen haben sollte, welch riesige Gefahr Trump für den gesellschaftlichen Frieden, den Rechtsstaat und die demokratische Verfasstheit der USA darstellt, hat das in den 90 Minuten Debatte noch einmal in Erinnerung gerufen bekommen.
Bleibt zu hoffen, dass das reicht, um ihn aus dem Amt zu wählen. Sicher ist es nicht.
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