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TV-Debatte zwischen Trump und BidenDer Profiboxer

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Trump hat geschafft, was ihm schon zur Präsidentschaft verhalf: Er ist unflätig, er ist laut, er lügt – und alle reden über ihn. Bidens Ruhe hilft da nicht.

US-Präsident Trump während der TV-Debatte am Dienstag Foto: Brian Snyder/reuters

D ie Ausgangslage vor dem ersten TV-Duell der zwei US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump und Joe Biden war klar: Biden führt seit Monaten konstant in den Umfragen, auch in den umkämpften Swing States. Er war es also, der in der Debatte etwas zu verlieren hatte, wenn er grobe Fehler gemacht hätte. Und das hat er nicht.

Trump setzte alles daran, Biden aus dem Konzept zu bringen, ihn so sehr zu nerven, dass aus dem demokratischen Präsidentschaftsanwärter jener stotternde, sich verhaspelnde und verunsicherte alte Mann würde, als den die Republikaner*innen ihn stets charakterisieren. Aber das hat nicht funktioniert, Biden blieb erstaunlich ruhig. Und als er dann sagte, Trump möge doch einfach mal den Mund halten, sprach er vermutlich sogar vielen Zuschauer*innen aus der Seele, die von Trumps ständigem Dazwischenreden zu diesem Zeitpunkt schon reichlich genervt waren.

Die Debatte war kein „Game Changer“, kein Ereignis, das die Dynamik des Wahlkampfs und der politischen Auseinandersetzung in den USA grundlegend verändern dürfte.

Trump führte alles vor, was seine Gegner*innen an ihm besonders verabscheuunswürdig finden: bullyhaftes Verhalten, Verachtung für Spielregeln, Selbstbeweihräucherung, glatte Lügen. Oder, übersetzt in das Vokabular seiner Anhänger*innen: Stärke und Authentizität, Verachtung für den traditionellen Politbetrieb, Selbstbewusstsein und den Mut, als Einziger die Wahrheit zu sagen.

Von Bidens Alternativvorschlägen bleibt nicht viel hängen

Und so hat Trump geschafft, was ihm schon 2016 zunächst die unerwartete republikanische Nominierung eintrug und schließlich zur Präsidentschaft verhalf: Alle reden über ihn. Er ist es, der Anhänger*innen und Gegner*innen an die Wahlurnen mobilisiert. Trump versteht das Aufmerksamkeitsgeschäft wie kein Zweiter. Es ist wie beim Profiboxen: Der unflätige Champ, der seine Gegner beleidigt, füllt die Hallen – die einen lieben ihn, die anderen wollen ihn endlich k.o. sehen, aber alle kommen und zahlen.

Von Joe Bidens Alternativvorschlägen bleibt nach dieser einer Demokratie unwürdigen Debatte außer vielleicht der Forderung nach Rückkehr zum Pariser Klimaabkommen und der Rückgängigmachung von Trumps Steuergeschenken an die Reichen wenig hängen.

Allenfalls die Linke dürfte enttäuscht sein, weil sich Biden vom Green New Deal genauso distanzierte wie von Bernie Sanders' Vorschlägen zur Gesundheitsreform oder den Forderungen nach einer Mittelumschichtung von der Polizei zu Sozialeinrichtungen, wie sie aus der Black-Lives-Matter-Bewegung kommen.

Aber diese Debatte war nicht nur anders, weil sie so chaotisch ablief und Trump dem Moderator Chris Wallace kaum eine Chance ließ, die vereinbarten Regeln durchzusetzen.

Vor allem präsentierte sie einen Amtsinhaber, der nun auch in der auf allen Kanälen übertragenen TV-Debatte die Legitimität der Wahl anzweifelt, der seine Anhänger aufruft, die Vorgänge in den Wahllokalen „zu überwachen“ – was von den meisten als Aufruf zur Einschüchterung demokratischer Wähler*innen verstanden wird –, und der sich von den militant-rechtsextremistischen „Proud Boys“ nicht distanziert, sondern sie vielmehr aufruft, sich bereitzuhalten.

Nichts davon ist nach über vier Jahren Beschäftigung mit Trumps Politik überraschend. Aber wer vergessen haben sollte, welch riesige Gefahr Trump für den gesellschaftlichen Frieden, den Rechtsstaat und die demokratische Verfasstheit der USA darstellt, hat das in den 90 Minuten Debatte noch einmal in Erinnerung gerufen bekommen.

Bleibt zu hoffen, dass das reicht, um ihn aus dem Amt zu wählen. Sicher ist es nicht.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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12 Kommentare

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  • Ist es denn nicht möglich, diesen Mann zu entlarven, in dem man ihm konkrete Fragen stellt, ihn festnagelt, und ihm dann ins Gesicht sagt, dass er nur Beleidigungen und keine Argumente zu bieten hat? Es ihm mit gleicher Münze heimzahlen, ihn bloßstellen und lächerlich machen, das würde ich mir in so einem TV-Duell wünschen.

    • @Trigger:

      1. Sind Argumente im derzeitigen Wahlkampf völlig egal.



      2. Ist Trump TV Profi. Er weiß genau, worauf das Publikum abfährt.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Allenfalls die Linke dürfte enttäuscht sein, weil sich Biden vom Green New Deal genauso distanzierte wie von Bernie Sanders' Vorschlägen zur Gesundheitsreform oder den Forderungen nach einer Mittelumschichtung von der Polizei zu Sozialeinrichtungen, wie sie aus der Black-Lives-Matter-Bewegung kommen.""

    ==

    Der Punkt:







    Unter Biden wird es um die Reparatur der staatlichen Organisation gehen und um den Versuch, die Spaltung der US amerikanischen Gesellschaft am Rande des Bürgerkrieges zu entschärfen -- als notwendige Vorbedingung dafür, überhaupt eine weitere Debatte über staatliche Organisation, Außenpolitik, Klimakrise, Obama Care und über die Forderungen von Black lives matter führen zu können.

    Trump bedeutet, das er das verbliebene zerstrümmerte Kleinholz der US amerikanischen staatlichen Ordnung mit den Restbeständen verbliebener demokratischer Meinungs - und Mehrheitsfindung in einer weiteren Amtsperiode restlich verfeuern wird.

    Noch deutlicher: Unter Trump wird es mit ziemlicher Sicherheit keine weiteren Anstrengungen geben eine sinnvolle Debatte über die oben erwähnten Themen zu führen - weil es würde unter Trump um die weitere Zerstörung des amerikanischen Staates gehen wird. Genau das hat doch Trump in der letzten Nacht klar gemacht.

    Wer Biden nicht wählt - wählt aktiv den Pre-Faschisten Donald Trump.



    Wenn das die Linke nicht kapiert und sich nicht eindeutig positioniert stimmt sie nicht nur für den Untergang der USA sondern auch für den eigenen.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Was hat Biden eigentlich in seinen 8 Jahren Vizepräsidentschaft getan?

      Die Spaltung der US-Gesellschaft, die Trump ins Weiße Haus trug, hat in seiner Amtszeit zugenommen. Und jetzt soll er das Gegenteil bewirken? Das kann ich mir nicht vorstellen.

      Schade, dass die Demokraten keinen geeigneten Kandidaten aufgestellt haben...

  • Ich habe mir die Diskussion nicht angetan. Aber so wie ich das Verhaltene Echo der deutschen Presse entnehme - auch diesem Artikel - dürfte Biden das Duell nicht gewonnen (wenn auch nicht katastrophal verloren) haben, sondern sich nur sehr mäßig geschlagen haben.

    Ganz nebenbei: In der Vergangenheit wurde immer eine Art "Sieger" ermittelt. Dies habe ich dieses Mal nicht gesehen. Gibt es dafür einen Grund?

    • @Strolch:

      Bei gewissen Kreisen gewinnt immer Trump (oder Putin, oder Orban, oder die AfD, oder sonst jemand vom äußersten rechten Rand).



      In der realen Welt (also außerhalb der "alternativen Fakten" vorgenannter Kreise) haben in den anschließenden Umfragen 60% der Befragten Biden als Sieger angegeben und 28% nannten Trump

      edition.cnn.com/20...te-poll/index.html

      Und selbstverständlich hat es einen Sieger gegeben, klarer ist so ein Siegt wohl in den letzten 40 Jahren nicht ausgefallen.

  • Ich befürchte, dass Trumps Strategie aufgehen wird. Die Demokraten sind aber auch selbst schuld, keinen geeigneten Gegenkandidaten ins Rennen geschickt zu haben. Man könnte glauben, die wollen die Präsidentschaft in Wirklichkeit gar nicht.

    • @wollewatz:

      Was soll denn ein "geeigneter Gegenkandidat" sein? Bernie Sanders? Der hätte mit Herzinfarkt aus dem Saal getragen werden müssen. Gerade die Deutschen sollten gelernt haben, dass gegen nackte Entmenschlichung nicht sehr viel hilft. Das einzige Argument für Biden ist: er ist austauschbar. Aber das ist hier das Schlüsselargument. Wirklich unersetzliche Politiker*innen gegen Trump verheizen zu lassen, ist nicht akzeptabel.

      Die bürgerlich-liberale Variante der Demokratie offenbart hier einfach nur ihre Schwachstelle, für alle diejenigen aus deren Geschichtsbüchern das Kapitel "Weimarer Republik 1929-1933" entfernt wurde. Die Meinung, dass jeder dahergelaufene Soziopath volle Menschen- und Bürgerrechte genießen sollte, offenbart sich als der Irrsinn mit dem größten massenmörderischen Potential aller Zeiten, der er nun mal ist.

      Der Preis, einen Donald Trump und seinesgleichen wie Menschen zu behandeln und nicht wie ein gemeingefährliche Bedrohung, ist der Tod unschuldiger Menschen, in einem Ausmaß, bei dem nur Weltkriege mithalten können.

      Aber das ist wohl dieser "Preis der Freiheit", von dem Liberale so gern fabulieren.

      • @Ajuga:

        "Der Preis, einen Donald Trump und seinesgleichen wie Menschen zu behandeln und nicht wie ein gemeingefährliche Bedrohung, ist der Tod unschuldiger Menschen, in einem Ausmass, bei dem nur Weltkriege mithalten koennen." Was schwebt



        Ihnen denn so vor, wie man "Trump und seinesgleichen" behandeln sollte? Wegsperren oder gleich abmurksen?

  • Seltsam, betrachtet man die ganze Peinlichkeit der Art eines Dieter Bohlen, nix gegen Dieter, aus ökologischer Perspektive, stellt sich das Szenario anders da, Biden ist ein charismatischer, konsequenter Anwalt der Menschlichkeit, der Würde und Haltung gegenüber den dunkelsten, bösartigsten Angriffen gegen die Menschlichkeit und Menschheit verteidigt. Ähnliches werden die Vertreter der Black lives Matter Bewegung erleben, denn ganz nebenbei geht es auch um Inhalte.

    • @Pele :

      Ich habe mir die Rede angehört und stimme Ihnen zu: "Biden ist ein charismatischer, konsequenter Anwalt der Menschlichkeit, der Würde und Haltung gegenüber den dunkelsten, bösartigsten Angriffen gegen die Menschlichkeit und Menschheit verteidigt."



      Bei mir sind die von Ihnen beschrieben Botschaften von Biden angekommen, frage mich allerdings, ob sie auch bei den WählerInnen in den USA angekommen sind?

      • @D-h. Beckmann:

        Danke, das sie das auch so wahrnehmen. Bedenklich finde ich, das der Großteil der dt. Presse nicht in der Lage ist das zu erkennen und Biden in den Schubladen, des crazy Clowns "Ronald McDonald" parken.