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TV-Auftritt in FrankreichMacron, der Wüstensand-Verkäufer

„Hohle Worte“, „talentierter Schwätzer“: Macrons Kritiker, vor allem die Gelbtwesten, zeigen sich von seiner Fernseh-Rede recht unbeeindruckt.

Will an seinem Kurs festhalten: Frankreichs Präsident Macron Foto: reuters

G elingt es dem französischen Präsidenten, die Krise mit den Gelbwesten-Protesten beizulegen? Was schlägt Emmanuel Macron vor? Wie kann er einen Dialog in Gang bringen, den er bisher in einer als arrogant empfundenen Weise verweigert hat? Bekommt er für den Rest seiner Amtszeit (bis 2022) „eine zweite Chance“?

All das fragten die französischen Zeitungen diese Woche vor Macrons entscheidendem Fernsehtermin am Donnerstagabend, bei dem er unter anderem erleichterte Referenden, eine mögliche Rückkehr zur Vermögensteuer und eine „deutliche“ Senkung der Einkommensteuer ankündigte. An Ideen und Vorschlägen hatte es nach der mehrwöchigen landesweiten „Großen Debatte“ ja nicht gemangelt, die Macron als Form der Konsultation lanciert hatte und deren Ergebnisse er am Donnerstag verkündete. Aber hätte man wirklich mehr erhoffen dürfen?

Darüber gingen in den Tagen vor Macrons Auftritt die Meinungen auseinander. Im Namen der von ihm präsidierten Vereinigung der ländlichen Kommunen befürchtete Christian Venries, der Bürgermeister des Dorfs Saint-Cirgues im Südwesten, dass sich „die Große Debatte als Großer Bluff herausstellt“.

Eigentlich wollte sich Macron ja schon zehn Tage früher an die Nation wenden. Doch just an jenem Tag brannte die Kathedrale Notre-Dame, Macron musste seinen Auftritt verschieben. Das Skript seiner bereits aufgezeichneten Rede war aber schon an die Medien verteilt worden, die den Inhalt sogleich publizierten und kommentierten – als sei die Ansprache schon gehalten worden. Der Überraschungseffekt war dahin. Die ganze Nation konnte dem Pokerspieler in die Karten gucken, die er erst später aufdecken wollte.

Eine Stunde Einleitung

Trotzdem wollte Macron nun überraschen: „Ich habe den Eindruck vermittelt, in der Form hart oder gelegentlich gar ungerecht zu sein. Das bereue ich.“ Das sind selbstkritisch klingende Worte im Mund des Staatschefs. Er habe sich sogar in seinem Innersten gefragt, ob er auf dem Holzweg sei, gestand er am Donnerstagabend bei seiner ersten großen Medienkonferenz in den ersten zwei Jahren seiner Präsidentschaft.

Die rhetorische Frage aber diente ihm nur als Anlauf, um gleich zu erklären, dass er an seinem Kurs festhalten wolle, völlig unbeirrt von der Kritik, von den nicht enden wollenden Protesten der Gelbwesten und sinkenden Popularitätswerten. Kaum hatte der Präsident sein Frage-Antwort-Spiel beendet, bekam er von den Meinungsforschern die Noten: 63 Prozent der Fernsehzuschauer fanden seinen Auftritt vor den Medien nicht überzeugend.

Viele hatte Macron schon in den ersten Minuten seiner fast einstündigen Einleitung ermüdet. Er sprach schnell und abwechselnd feierlich und fast beschwörend, dann wieder kompliziert in einer technokratischen „Fremdsprache“.

Obwohl Libération-Chef Laurent Joffrin nach dem Auftritt im Programm des Präsidenten eine „Rechtswende“ ausmachte, wird seine angekündigte Fortsetzung der wirtschaftsliberalen Politik auch von der konservativen Opposition kritisiert. Diese betonte, dass unklar sei, wie Macron die versprochene Senkung der Steuern oder den automatischen Teuerungsausgleich für Altersrenten zu finanzieren gedenke.

Harte Kommentare

„Die Geschenke von heute sind die Steuern von morgen“, erklärte Laurent Wauquiez, der Parteichef von Les Républicains. Und der Spitzenkandidat der Rechtsextremen (Rassemblement national) bei den EU-Wahlen in Frankreich, Jordan Bardella, spottete: „Ich habe kein Wort verstanden von den Vorschlägen, die Macron NICHT gemacht hat.“

Besonders hart gehen die Gelbwesten mit Macron ins Gericht. „Er hat gleich zu Beginn gesagt, dass er sehr gut finde, was er seit zwei Jahren macht, und dass wir ihn nicht verstanden hätten. Wir aber haben begriffen: Er ist unfähig zu einem Mea culpa“, kommentierte Maxime Nicolle. Ein anderer Wortführer der Bewegung, Jérôme Rodrigues, geht weiter: „Das tönt hohl. Aber Macron ist ein talentierter Schwätzer. Er würde einem Berber Wüstensand verkaufen wollen.“

Gelbwesten-Aktivistin Priscillia Ludosky begnügte sich damit, als Reaktion die Daten der geplanten Demos bis Ende Mai aufzuzählen. In ähnlichem Stil meinte Olivier Besancenot von der linken Nouveau Parti Anticapitaliste zu Macrons TV-Auftritt: „Das ist keine Pressekonferenz, das ist ein Aufruf, am Samstag und am 1. Mai demonstrieren zu gehen.“

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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6 Kommentare

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  • @WARUM_DENKT_KEINER_NACH?



    Fragen Sie sich mal warum die 63 % seine Rede ablehnten?



    Den Fernsehzuschauern missfällt, dass Macron dringendst notwendige Reformen des französischen Sozialstaats eingefordert hat, die zwingend all die Pfründe der bisher allmächtigen Gewerkschafts- und Parteifunktionäre aller Couleur bedrohen.



    An den Fernsehzuschauern und den Gelbwesten ist vorbeigegangen, dass Frankreichs Wirtschaft längst nicht mehr in der Lage ist, all diese Segnungen des Sozialstaats zu finanzieren. Schauen Sie sich nur mal das Renteneintrittsalter an, Frauen gehen mit 62, Männer mit 63 in Rente und MitarbeiterInnen bei der SNCF können mit 52 bzw. mit 57 in Rente gehen.

  • Schaut so aus, als hätte da jemand das Klassenziel verfehlt.

  • Wenn Macron vom FN und den Gelbwesten kritisiert wird, hat er offenbar alles Richtig gemacht. Wäre auch zu schön gewesen wenn er wegen den größten Jammerlappen in Frankreich eingeknickt wäre

    • @charly_paganini:

      Dem ist nichts hinzuzufügen!

    • @charly_paganini:

      "...63 Prozent der Fernsehzuschauer fanden seinen Auftritt vor den Medien nicht überzeugend..."

      Ziemlich viele "Jammerlappen".

      Fällt das "harten Jungs" wie Ihnen nicht auf?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        63% der Fernsehzuschauer sind eben nicht 63% der Bevölkerung.