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Syriza vor der SpaltungDie dreigeteilte Partei

Regierungschef Tsipras will die Sparauflagen durchpeitschen. Damit riskiert er weitere Turbulenzen in seiner Partei.

Vertrauensvotum im Parlament – jetzt oder später? Alexis Tsipras überlegt noch. Foto: AP Photo/Yannis Liakos

Athen taz | „Gemessen werden wir an unserer Fähigkeit zu regieren“ – diese Warnung an die eigene Parlamentsfraktion musste Ministerpräsident Alexis Tsipras schon Ende Februar, knapp einen Monat nach seinem Amtsantritt, aussprechen.

Da ging es noch darum, eine sechsmonatige „Verlängerung der Kreditvereinbarung mit den Geldgebern zu rechtfertigen. Es war der erste Deal des Linkspremiers mit den Gläubigern – es sollte nicht der letzte bleiben.

Schon zu diesem Zeitpunkt empörte sich Mikis Theodorakis, eine Gallionsfigur der Linksbewegung, über den sich verändernden Kurs des neuen Regierungschefs. Auch der 92-jährige EU-Parlamentarier Manolis Glezos beschuldigte seine Partei, ihr Wahlprogramm verraten zu haben. Die jüngeren Semester blieben in der Öffentlichkeit eher ruhig – bis auf den Ökonomen Kostas Lapavitsas, der eine „eingehende Debatte“ in den Parteigremien forderte.

Sechs Monate und etliche Deals später ist der Ton jedoch rauer geworden. Kurz vor der Verabschiedung der neuen Kreditvereinbarung Mitte August plädierte der Anführer des Syriza-Linksflügels Panagiotis Pafazanis für eine „breite Front“ und die Gründung von „Kampfkomitees“ gegen die Austeritätspolitik. Elf weitere Syriza-Politiker unterschrieben diesen Aufruf.

Rückenwind bekommt der 64-Jährige auch von der Syriza-Jugendorganisation: In einem öffentlichen Aufruf werfen die jungen Linken den Kreditgebern vor, einen „Putsch“ gegen Griechenland angezettelt zu haben. Sie verlangen den Austritt des Landes aus der EU, die sie als „institutionalisierten Neoliberalismus“ bezeichnen.

Ist Syriza zweigeteilt? Manolis Glezos sieht die Partei sogar als dreigeteilt: Es gebe die Partei des Ministerpräsidenten, die von Lafazanis und der ebenfalls selbständig agierende kommunistische Flügel KOE, erklärte er am Dienstag.

Tsipras wird vorgeworfen, die Partei abgeschafft zu haben

Regierungschef Alexis Tsipras wollte zunächst die Flucht nach vorn ergreifen: Nach Verabschiedung der neuen Kreditvereinbarung dank der Oppositionsstimmen deutete seine Sprecherin an, Tsipras würde das Parlament um Vertrauen bitten und, wenn nötig, Neuwahlen ansetzen.

Den Abweichlern wirft Tsipras vor, den Euro-Austritt Griechenlands zu propagieren und insofern gemeinsame Sache mit Wolfgang Schäuble zu machen – für Athener Linkspolitiker derzeit ein schwerer Vorwurf. Die Betroffenen sehen das natürlich anders.

„Wir wollen überhaupt kein Memorandum der Sparpolitik - weder mit dem Euro noch mit der Drachme, donnert der Syriza-Abgeordnete Stathis Leoutsakos und wirft Tsipras vor, die Partei praktisch abgeschafft zu haben.

Dem Regierungschef dürfte das nicht entgangen sein: Laut übereinstimmenden Medienberichten denkt er über eine Verschiebung des Vertrauensvotums nach und hat es auch nicht mehr so eilig mit der Neuwahl.

Angeblich wolle er stattdessen dem Parlament eine Sommerpause verordnen und wichtige Sparauflagen in der sogenannten Sommersession der Volksvertretung durchwinken. Dies hätte den Vorteil, dass Gesetze in einem kleineren Abgeordnetenkreis verabschiedet würden, dessen Teilnehmer nicht gewählt, sondern von dem jeweiligen Parteichef nach Gutdünken bestimmt sind.

Ein solches Durchpeitschen von Auflagen dürfte jedoch noch mehr Abgeordnete des Linksflügels auf die Barrikaden bringen.

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2 Kommentare

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  • Ob es eine realistische Alternative zur Politik des Tsipras-Flügels gibt, ist mehr als fraglich. Für die Masse der Griechen bedeuten beide Lösungen - Grexit oder Euro - die weitere Verarmung. Angesichts der massiven Abhängigkeit Griechenlands von Importen (ÖL!) kommt ein Ausstieg die Griechen wohl ebenso teuer, wie die von EU-Berlin geforderte Euro-Austeritätspolitik. Tsipras und die Mehrheit der Partei folgen in Griechenland mittlerweile dort altbekannten Politikmustern. Die Partei wird auf den 'Führer' reduziert, die Basis nickt ab und verliert jegliche Handlungsfähigkeit. Es droht eine Entwicklung wie bei PASOK, die ein Wahlverein des Papandreou-Clans war -gestützt von einer Kaste 'fetter Katzen'. Dem in Griechenland historischen Nepotismus der herrschenden Klasse entgegenwirken, kann nur Selbstorganisation - und diese Grassroots-Bewegung gibt es dort. Sie gilt es zu stärken.

  • Wenn er Mumm hätte würde er sagen: Wir gehen raus aus dem Euro gegen kompletten Schuldenerlass. Offen gesagt ich glaube Schäuble und Co. würden das machen. Dann gäb es nen echten Neuanfang. Mal ehrlich - Griechenland wird nie glücklich im Euro. Sandhausen würde auch nie in der Champions Liga glücklich. Dauernd nur 10:0 Schlappen kassieren und am Ende per "Gnadenurteil" am grünen Tisch drin bleiben? Genauso ist es doch.