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Syrische Flüchtlinge in JordanienIn der Wüste gestrandet

60.000 Flüchtlinge aus Syrien sitzen in einer jordanischen Sicherheitszone fest. Die Regierung in Amman fürchtet Terroristen.

In einem Flüchtlingslager in der jordanischen Stadt Mafrak nahe der Grenze zu Syrien Foto: ap

Amman/Berlin taz | Die Autobahn Nummer 10 führt von der nordjordanischen Stadt Mafrak durch die Wüste, vorbei an der südirakischen Stadt Al-Rutbah, bis nach Bagdad.

Nicht weit von der Stelle entfernt, an der Syrien, Jordanien und der Irak aufeinander treffen, biegen mehrere Jeeps mit Hilfsgütern des jordanischen Roten Halbmonds ab. Sie rasen eine einspurige Straße entlang, die mitten in die Wüste führt, und an deren Ende der jordanisch-syrische Grenzübergang Rukban liegt. Seit Monaten spielt sich dort eine humanitäre Katastrophe ab.

Eine Art Erdwall trennt den Militärstützpunkt Rukban von einer entmilitarisierten Sicherheitszone auf jordanischem Gebiet. Hier sitzen laut der britischen BBC knapp 60.000 Menschen fest.

Ein syrischer Flüchtling, der mit Ehefrau und Tochter an der Grenze ausharrt, beschreibt gegenüber dem Onlinenachrichtensender Al Jazeera Plus die Situation: „Ich bin zur jordanischen Grenze gegangen, aber sie haben mich wieder (in die Sicherheitszone, d. Red.) abgeschoben. Ich bin seit sechs Monaten hier. Ich sitze in einem Zelt, in der Sonne, in der Kälte, sechs Monate lang.“

Zuletzt war die Zahl der Flüchtlinge in dem provisorischen Lager nochmals angestiegen, da weitere 5.000 Menschen Schutz vor den heftigen Gefechten in Aleppo im Norden Syriens suchten.

Für die Regierung hat Sicherheit Priorität

Dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zufolge leiden viele Flüchtlinge in der Sicherheitszone unter schweren Krankheiten. Schwangere Frauen müssen mitten in der Wüste entbinden, Kinder sind von Unterernährung bedroht. Die Menschen leben in Zelten, die sie zum Teil aus Plastikplanen bauen. Laut dem Deutschen Roten Kreuz dürfen nur wenige der Schutzbedürftigsten nach Jordanien einreisen. Täglich sind das einige Dutzend, die meisten müssen bis zu drei Monate auf eine Genehmigung warten.

Knapp 50 Prozent der Flüchtlinge im Grenzstreifen sind Minderjährige

Die jordanische Regierung hat die Grenzübergänge im Zuge des Syrien-Krieges wegen Sicherheitsbedenken geschlossen. Die Angst ist groß, das sich unter den Flüchtlingen Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS) befinden könnten.

Regierungssprecher Mohammed Momani verteidigt die Grenzschließung, da Sicherheit und Schutz vor Terroristen für Jordanien die höchste Priorität hätten. Kritiker halten dies für einen Vorwand. Sie beziehen sich dabei auf Dokumente des UNHCR, die von dem arabischsprachigen Onlinemagazin Al-Monitor veröffentlicht wurden.

Die Hälfte der Flüchtlinge sind minderjährig

Aus den Unterlagen geht hervor, dass knapp 50 Prozent der Flüchtlinge im Grenzstreifen bei Rukban minderjährig sind. Internationale Hilfsorganisationen berichten, dass ihnen der Zugang zu dem Camp erschwert wird. Ein Mitarbeiter der internationalen Hilfsorganisation Oxfam beschreibt die Abschottungspolitik der jordanischen Regierung: „Die Verantwortlichen verhindern, dass Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, da sie die Lage verharmlosen wollen. Der König verteidigt die Grenzschließung damit, dass das Land schon über eine Million Syrer aufgenommen hat. Doch damit ist man nicht aus dem Schneider, wenn mitten in der Wüste kranke und hungrige Menschen festsitzen.“

In den vergangenen Jahrzehnten hat Jordanien neben zwei Millionen Palästinensern auch einer Million Irakern Zuflucht gewährt. Hinzugekommen sind 1,2 Millionen Flüchtlinge aus Syrien. Der jordanische König Abdullah II. sieht die Grenze der Belastbarkeit für sein Land schon seit geraumer Zeit als erreicht an. Die internationalen Staatschefs loben die Jordanier für ihre Hilfsbereitschaft und überweisen Milliardenhilfen. Verantwortung für die Lage im Dreiländereck übernimmt jedoch niemand.

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