Superbowl-Triumph für Tom Brady: Der Werfer und seine Maurer
Tom Brady gewinnt das Duell der besten Quarterbacks der Liga. Seinen siebten NFL-Titel hat der Veteran auch seinen Mitspielern zu verdanken.
Die Geschichte des Superbowl ist auch eine Geschichte der Enttäuschungen. Oft kann das Spiel mit dem zweiwöchigen Hype, der ihm vorausgeht, nicht mithalten. In diesem Sinne war dann selbst die 55. Auflage des Endspiels der National Football League (NFL) spektakulär: So gewaltig wie in Superbowl LV sind die Erwartungen noch nie enttäuscht worden.
Sehr schnell war klar: Der beste Quarterback dieser Zeit würde an diesem Abend keine Chance haben gegen den besten Quarterback aller Zeiten. Dass Patrick Mahomes und seine Kansas City Chiefs, die als Titelverteidiger und Favorit ins Spiel gegangen waren, am Ende deutlich 9:31 den Tampa Bay Buccaneers um Tom Brady unterlagen, lag allerdings nur zum geringen Teil an den Protagonisten des versprochenen Titanen-Duells.
Während der 43-jährige Brady, der mit seinem siebten Superbowl-Sieg seinen Platz im Mount Rushmore des Sports endgültig zementiert hat, den gesamten lauen Abend in Tampa alle Zeit der Welt hatte, die Bälle zu verteilen, musste der 18 Jahre jüngere Mahomes bei nahezu jedem Spielzug um sein Leben rennen. Dass Brady drei Touchdowns werfen konnte und zum wertvollsten Spieler der Partie gekürt wurde, während Mahomes kein einziger gelang, dafür waren an diesem Abend weniger die beiden Quarterbacks verantwortlich als die Offensive und Defensive Lines.
Die wahren Gewinner
Selten war offensichtlicher, von wem Football-Spiele ursächlich entschieden werden. Nicht von den vom NFL-Marketing und den Medien zu Superhelden hochgejazzten Quarterbacks, sondern von den schweren Jungs, die die Drecksarbeit machen. Bei jedem Spielzug prallen bis zu 150 Kilo schwere Fleischberge mit größter Wucht aufeinander. Die auf der einen Seite versuchen, eine Wand für ihren Quarterback zu bauen, damit jener in Ruhe das Lederei werfen kann.
Die auf der anderen Seite wollen diese Wand zum Einsturz bringen. Während um Brady eine Wand stand, auf die dessen guter Bekannter Donald Trump stolz gewesen wäre, wurde Mahomes nur von einem Weidezaun geschützt. „Wir waren nie im gleichen Rhythmus“, sagte er anschließend. Wie unglaublich talentiert Mahomes ist, zeigte er trotzdem: Ein ums andere Mal entkam er den heranstürzenden Verteidigern und warf selbst noch auf der Flucht oder sogar im Fallen brauchbare Pässe, die seine Mitspieler dann aber durch die Finger rutschen ließen.
Nicht zuletzt war auch das Glück auf Seiten der Buccaneers. Brady warf eine Interception, aber der Fehler, der das Spiel vielleicht hätte drehen können, wurde zurückgepfiffen, weil ein Chiefs-Profi ein unnötiges Foul beging. Überhaupt leisteten sich Kansas City ungewohnt viele Fehler und Disziplinlosigkeiten. Bis zur Halbzeitpause standen für die Chiefs acht Strafen zu Buche, die dem Gegner 95 entscheidende Yards Raumgewinn schenkten, während sich die Buccaneers nur ein einziges strafwürdiges Vergehen leisteten. Allein an Mahomes, der sein Team schon so oft aus schier aussichtslosen Rückständen gerettet hatte, lag es, dass Millionen den Fernseher nicht ausschalteten.
Mehr Titel als jeder Klub
Aber an diesem Abend stand auf der anderen Seite eben Tom Brady. Der verwaltete in der zweiten Halbzeit mit der ganzen Erfahrung, die er in 21 Jahren als Profi gesammelt hat, den Erfolg in seinem zehnten Superbowl-Auftritt. Mit sieben Superbowl-Titeln hat er nun nicht nur deutlich mehr gewonnen als jeder andere Spieler, sondern sogar mehr als jeder Klub der NFL.
Die offizielle Übergabe des Staffelstabs von einem Aushängeschild der NFL an den neuen Superstar, als die das Spiel auch apostrophiert worden war, blieb also aus. Mehr noch: Der Beginn der neuen Ära wurde noch einmal verschoben. Schon vor dem Finale hatte Brady angekündigt, weiterzumachen: „Nach diesem Spiel beginnt die nächste Saison.“
Ein neues Zeitalter begann immerhin im Rahmenprogramm. Gewöhnlich inszeniert die NFL den Superbowl als patriotisches Spektakel. Auch diesmal wehten wieder reichlich Flaggen und kurz vorm Kick-off flogen Flugzeuge übers Stadion, aber ansonsten gab sich die Liga Mühe, den neuen Präsidenten Joe Biden bei seinem Versuch zu unterstützen, die Gräben in der US-Gesellschaft zu überbrücken. R&B-Star Alicia Keys wurde mit einem Black-Lives-Matter-Clip eingespielt, die schon bei Bidens Amtseinführung zu Ruhm gekommene Lyrikerin Amanda Gorman trug ein Gedicht vor. Die Hymne wurde gemeinsam vom weißen Country-Sänger Eric Church und der schwarzen Soul-Interpretin Jazmine Sullivan vorgetragen.
Generell wirkte das ganze Spektakel vor 25.000 echten Zuschauern, die sich nur bedingt an die Hygenievorschriften hielten, und 30.000 Pappfiguren, die die Ränge des Raymond-James-Stadions nicht ganz so traurig aussehen lassen sollten, angenehm abgespeckt und wie das Versprechen für eine gespaltene Nation, dass eine heile Welt möglich ist. Ein Versprechen, das hoffentlich nicht enttäuscht wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen