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Sudanesische Autorin Eltom in BerlinGescheitert und vergessen

In Berlin referierte die Autorin Najlaa Eltom über die Lage im Sudan. Der Konflikt dort ist für sie ein neuer imperialistischer Krieg.

Genauso wie der Krieg im Sudan sind seine Opfer und Vertriebenen, wie hier im Tschad, weitestgehend vergessen und unbedacht Foto: Adrien Vautier/Le Pictorium/imago

Wie oft kann man einen Krieg als vergessen bezeichnen? Im Kontext des Sudans häufen sich die Superlative: Vom „größten vergessenen Krieg unserer Zeit“ ist bereits die Rede. Der Krieg bringt unvorstellbare Zahlen mit sich: Schätzungsweise 150.000 Menschen fielen ihm in den letzten zwei Jahren zum Opfer, 12 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Viel Aufmerksamkeit bekommt das Land allerdings nicht, weder in den Medien noch auf internatio­nalem politischen Parkett.

Das geringe Interesse, das den Menschen im Sudan entgegenschlägt, war auch am Montag in Berlin zu spüren. Bei einer Diskussionsrunde mit der sudanesischen Dichterin Najlaa Eltom (moderiert von Ibrahim Izzeldeen) im Kunsthaus Acud, organisiert vom Goethe-Institut im Exil und dem Sudanclub, blickt die Autorin einigen leeren Reihen entgegen.

Eltom holt historisch weit aus, referiert über die Kolonialisierung Sudans durch Ägypten und später durch Großbritannien. Dass es den Su­da­ne­s:in­nen unter ihren neuen Machthabern nach der Unabhängigkeitserklärung 1956 kaum besser ging, erwähnt sie ebenfalls, erzählt von der innerstaatlichen Vertreibung in den 1960ern. Um schließlich beim aktuellen Krieg anzukommen.

Seit 2023 kämpft das sudanesische Militär (SAF) gegen die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF), obwohl beide Lager noch 2021 gemeinsam geputscht hatten gegen die zivile Übergangsregierung, die nach dem Sturz des islamistischen Diktators Omar al-Bashir eingesetzt worden ist.

Unterstützung aus den Vereinigten Arabischen Emiraten

Dieser Konflikt, sagt Eltom, sei ein neuer imperialistischer Krieg. Mit harten Worten geht sie ins Gericht mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, den „bedeutendsten Kriegstreibern“, die die paramilitärischen RSF massiv unterstützten. Der Sudan verfügt über enorme Goldvorkommen. 80 Prozent der Goldminen stehen unter der Kontrolle der RSF.

Die Emirate bestreiten jegliche Unterstützung der Paramilitärs und müssen sich dieser Tage vor dem Internationalen Gerichtshof gegen den Vorwurf eines Genozids im Westen des Landes verteidigen. Für westliche Staaten, die die Emirate zu ihren Verbündeten zählen, ist die Angelegenheit heikel. Denn auch mit der Gegenseite, dem sudanesischen Militär, ist man durch einen großen Unterstützer verbunden: Saudi-Arabien.

Najlaa Eltom will eigentlich nicht vom Krieg sprechen. Stattdessen erzählt sie von den Gemeinschaftsküchen, mittels derer Su­da­ne­s:in­nen ihre Nach­ba­r:in­nen vor dem Hungertod bewahren. Und von ihrer Zeit an der Universität, als sie sich zunächst darüber wunderte, dass sich die Studierenden anhand ihrer Herkunftsregionen organisierten, um so anstelle des abwesenden Staates ein Supportsystem aufzubauen für Angehörige in der Heimat.

Da habe sie erkannt, dass „der Stamm“ keine primitive, sondern eine geniale Organisationsstruktur sei, sagt Eltom. Sie tritt daher ein für Tribalismus, für eine Rückbesinnung auf die erweiterte Familie.

Wo eine Hinwendung zu etwas mehr Kommunitarismus sicher nicht schadet, spart Eltom die Tücken der Stammesorganisation als Gegenentwurf zum Nationalstaat jedoch aus: Der Stamm ist eben selten eine chosen family, sondern eine nach dem Merkmal der Herkunft oft streng hierarchisch organisierte Gruppe. So fragt denn auch ein Zuhörer später, ob man im Falle Sudans anstelle von Stämmen nicht lieber von „Multinationalismus“ reden solle.

Ein anderer bringt das Konzept eines „Neuen Sudan“ auf, erdacht vom Revolutionsführer Südsudans, John Garang, der das Land unter pluralistischen Gesichtspunkten aufstellen wollte. Eltom ist auch davon kein Fan. Das Konzept wurde entwickelt im Kontext der Abspaltung Südsudans, wo seit Jahren Chaos und Krieg herrsche, sagt sie. Südsudan, gegründet 2011, ist ein Failed State, belegt auf dem Fragile States Index 2024 den dritten Platz. Noch instabiler ist nur noch Somalia – und Sudan, auf dem zweiten Platz.

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2 Kommentare

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  • Ein Beispiel dessen, warum ich hier in Berlin für gewisse Förderung von Nachrichten-im-Exil bin, also von z.B. sudanesischen Journalisten in eigener Sprache betrieben. Und auch Versammlung mit Vertretung der in Berlin lebenden Nationalitäten, womit auch z.B. Afghanen eine eher eigene Stimme im öffentlichen Raum haben, als dies z.B. durch Taliban der Fall ist. Und somit eher mal ordentliches Forum, mit übersetzten Artikeln, usw.

    Was Außenpolitik betrifft, ich könnte Essay anführen, zu Thematik Junta und so, und warum sowas ohne ordentliches Parlament nicht ok ist. (Zur Veranschaulichung könnte ich auch als Gedankenspiel nennen, warum ich mich als einziger Bürger Preußens, nicht zum absolutistischen König ernenne.) Aber wo es um Militärs geht, da ist eher eine Einheit gefragt, in Luft Frachtflugzeug zu kapern (wo Tsar-Bombe sein könnte), um zu zeigen, dass man was kann, was andere Militärs nicht können.

  • Merkwürdig, dass in solchen prinzipiell erst einmal gar nicht falschen Statements immer ein Player überhaupt nicht erwähnt wird: Russland, das einzige entfernte ausländische Land, das mit (Ex-Wagner) Söldnern direkt vor Ort und in den Kämpfen mitmischt.