piwik no script img

Sturm aufs KapitolAusschuss macht Trump verantwortlich

Der Untersuchungsausschuss zum Putschversuch vom Januar 2021 sieht Trump als Drahtzieher. Republikaner tun die öffentliche Anhörung als Theater ab.

Ex-Berater des Weißen Hauses und Trump-Schwiegersohn Jared Kushner bei der Anhörung Foto: ap

Washington taz | Wer sich für politische Intrigen interessiert, für den dürfte die erste öffentliche Anhörung des Kongress-Untersuchungsausschusses zum Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 ein Spektakel gewesen sein. Nach zehn Monaten Untersuchungszeit, mehr als 1.000 Zeugenbefragungen sowie mehr als 140.000 gesammelten Unterlagen steht für die Mitglieder des neunköpfigen Ausschusses fest, dass Ex-Präsident Donald Trump der Drahtzieher hinter einem der dunkelsten Tage in der US-Demokratie war.

In einer für das Fernsehpublikum inszenierten Primetime-Anhörung präsentieren die Mitglieder des Untersuchungsausschusses am Donnerstagabend Ortszeit eine Reihe von zuvor unveröffentlichten Zeugenaussagen, Videoaufnahmen und Textnachrichten. Diese sollten beweisen, dass Trump und dessen Mitstreiter Schuld am Angriff auf das Kapitol tragen.

Der 6. Januar „war der Höhepunkt eines Putschversuchs“, sagte der demokratische Abgeordnete aus Mississippi, Bennie Thompson, bereits kurz nach Beginn der Anhörung.

Dem Untersuchungsausschuss zufolge hielt Trump an der großen Lüge vom Wahlbetrug fest, obwohl er wusste, dass dies nicht der Wahrheit entspricht. Er nutzte die Verschwörungstheorie, um gewaltbereite Anhänger am 6. Januar nach Washington zu locken und die für diesen Tag angesetzte Bestätigung des Wahlsiegs von Demokrat Joe Biden im US-Kongress mit allen Mitteln zu verhindern.

„Im Zentrum der Verschwörung“

„Donald Trump stand im Zentrum dieser Verschwörung“, sagte Thompson, der zugleich der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses ist.

Während der knapp zweistündigen Anhörung wurden immer wieder Ton- und Videomitschnitte von Mitarbeitern aus Trumps Regierungskreisen eingespielt, welche die Untersuchungsergebnisse des Kongress-Ausschusses bestätigten. So erklärte beispielsweise der ehemalige US-Justizminister William Barr, dass er Trump bereits Ende November 2020 darüber informiert habe, dass er dessen Wahlbetrugsbehauptungen für Schwachsinn halte.

„Ich wollte damit nichts zu tun haben. Und es war mit einer der Gründe, warum ich von meiner Position zurücktrat“, sagte Barr, der am 23. Dezember 2020 sein Amt niederlegte. Auch Trumps Tochter Ivanka und sein ehemaliger Stabschef Mark Meadows wurden darüber unterrichtet, dass keinerlei Beweise für einen Wahlbetrug existieren.

Trump und dessen engste Vertraute wussten also, dass er die Wahl verloren hat, doch der abgewählte Präsident wollte sich damit nicht abfinden und versuchte alles, um im Amt zu bleiben.

Neun Menschen – davon vier Polizisten – starben

„Es war ein Versuch, den Willen der amerikanischen Bevölkerung zu untergraben“, sagte Thompson.

Am Ende ist es vor allem Ex-Vizepräsident Mike Pence zu verdanken, dass Trumps Plan scheiterte. Das traurige Ergebnis dieses Putschversuchs waren nicht nur die insgesamt neun Todesopfer – fünf Demonstranten und vier Polizisten – hunderte Verletzte und mehr als 800 Strafverfahren, sondern ein starker Vertrauensverlust in die Legitimität der Wahlen und die gesamte amerikanische Demokratie.

Thompson erklärte, dass die Folgen des 6. Januar auch knapp eineinhalb Jahre später noch deutlich spürbar seien. Die Demokratie in den USA sei „noch immer in Gefahr“, da die von Trump angestoßene Verschwörung von einer gestohlenen Wahl in weiten Teilen der Bevölkerung noch immer einen großen Anklang findet.

Ob ausgerechnet dieser Untersuchungsausschuss, bestehend aus sieben Demokraten und zwei Republikanern, daran etwas ändern können wird, bleibt fraglich. Wie bekannt, sind die politischen Verhältnisse in den USA mehr als angespannt. Der konservative Nachrichtensender Fox News war der einzige, der die Anhörung nicht live und in voller Länge ausstrahlte. Auf den sozialen Netzwerken bezeichneten Republikaner die Anhörung als politisches Theater und forderten, dass sich Demokraten lieber um die steigenden Spritpreise kümmern sollten.

Für manche war der Putschversuch nur ein Protestmarsch

Für die einen war der 6. Januar ein Angriff, der die US-Demokratie fast zu Fall gebracht hätte. Für andere war es nichts weiter als ein Protestmarsch, bei dem die Bürger von ihrem Versammlungsrecht Gebrauch machten, um gegen das ihrer Meinung nach korrupte politische System im Land vorzugehen.

Die republikanische Abgeordnete Liz Cheney, die im Untersuchungsausschuss sitzt, sprach allerdings eine Warnung an ihre Parteikollegen aus: „Ich kann meinen republikanischen Kollegen nur eins sagen. Es wird eine Zeit kommen, in der Donald Trump nicht mehr da ist, aber eure Schande bleibt“.

Bereits am Montag wird der Kongress-Untersuchungsausschuss zum 6. Januar die zweite von insgesamt sechs öffentlichen Anhörungen abhalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • ich kann nur hoffen, dass dies der anlass fuer die US-amerikanischen meinungsfuehrer und folglich der bevoelkerung ist, ueber ihr antiquiertes wahlsystem nachzudenken und es zu reformieren. dann folgend UK australien und alle britischen ex-kolonien

    • @the real günni:

      Wie schwer es ist, ein Wahlsystem zu ändern, sieht man bei uns in D, obwohl es hier vergleichsweise Mini-Änderungen geht. Diejenigen, die Nachteile gegenüber dem Status quo vermuten, blockieren alles.