Studierende aus Nicht-EU-Ländern: Nachweise, Nachweise, Nachweise
Wer in Deutschland studiert und aus keinem EU-Staat kommt, braucht gesicherte Finanzen. Für eine Kolumbianerin wurde das zum Problem.
Als Kate R. das erste Mal im Juli zum Ausländeramt in Bayreuth geht, machte sie sich keine Gedanken. Die kolumbianische Studentin hat die Papiere, mit denen sie im vergangenen Dezember bereits ein Visum bekam, einen Studienplatz in Bayreuth und jobbt sogar in einem Café. Sie kann also noch mehr vorweisen als das letzte Mal bei der Deutschen Botschaft in Bogotá – und da hat sie schließlich auch das Visum bekommen. Doch das Ausländeramt Bayreuth sagt ihr, es könne ihr Visum nicht verlängern. Ihre Finanzen seien nicht gesichert – ein Ausschlusskriterium für die Aufenthaltserlaubnis.
„Ich verstehe es immer noch nicht“, sagt Kate R. Monate später. Schließlich habe der Bruder ihres deutschen Freundes, den sie in Kolumbien kennen gelernt hat, eine Bürgschaft für sie übernommen. Das Ausländeramt in Freiburg, der Wohnort des Bruders, beglaubigte diese Zusage sogar. Doch dem Amt in Bayreuth reicht dies offenbar nicht. Deshalb kündigte es Kate R. an, ihren Antrag abzulehnen und erwähnte bereits die Abschiebung. Über diese Zeit erzählt Kate R., dass sie Albträume hatte. „Von Polizisten, die mich zu Hause abholen.“
Ihren vollen Namen möchte Kate R. nicht in der Zeitung lesen. Sie fürchtet, benachteiligt zu werden. Das Studium in einer Fremdsprache und das in der Coronapandemie sei schon stressig genug. Die Ankündigung des Ausländeramts, ihren Antrag abzulehnen, habe es nicht besser gemacht. „Wegen der Frist konnte ich mich nicht mehr auf das Studium konzentrieren.“
Es ist nicht das erste Mal, dass ausländische Studierende in Bayreuth Ärger mit dem Amt haben. In der Vergangenheit kritisierten Professor*innen, ausländische Studierende und Asylsuchende, das Amt lege Gesetze besonders streng aus. „Bloß nicht Bayreuth“, titelte die Süddeutsche Zeitung schon vor Jahren. An der Universität Bayreuth sind aktuell 1.580 Studierende aus Nicht-EU-Staaten eingeschrieben, mehr als 80 Prozent der ausländischen Studierenden. Bundesweit belief sich die Zahl im vergangenen Wintersemester laut Statistischem Bundesamt auf mehr als 300.000 Personen.
Verschiedene Wege, den Lebensunterhalt zu sichern
Für sie alle gilt: Sie müssen der Ausländerbehörde beweisen, dass sie genug Geld für ein Studium in Deutschland besitzen. Das Aufenthaltsgesetz schreibt für sie den BAföG-Höchstsatz vor – aktuell 861 Euro im Monat oder 10.332 Euro im Jahr.
Es gibt verschiedene Wege, wie sie nachweisen können, dass ihre Finanzen gesichert sind. Eine Möglichkeit ist die sogenannte Verpflichtungserklärung, unterschrieben von Personen, die in Deutschland leben. In Kates Fall haben der Bruder ihres Freundes und dessen Frau diese Bürgschaft bereits vor ihrer Einreise nach Deutschland unterzeichnet. Falls Kate R. nicht für ihren Lebensunterhalt sorgen kann, könnte das Geld von den beiden gepfändet werden. Die Verpflichtung gilt für fünf Jahre ab Einreise. Für die deutsche Botschaft in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá war dieser Nachweis ausreichend – Kate R. erhielt ein Visum für sechs Monate.
Im April zog Kate R. nach Deutschland und begann in Bayreuth zu studieren. Und damit begannen die Probleme. Denn für das Studium brauchte sie eine neue Aufenthaltserlaubnis, Ende Juli ging sie das erste Mal aufs Ausländeramt in Bayreuth. Aber dort hieß es, die Verpflichtungserklärung des Bruders sei unvollständig. Neben der Bürgschaft müsse Kate R. jeden Monat die 861 Euro tatsächlich überwiesen bekommen. Manche Ämter wollten das so, sagt Johannes Glembek der taz. Der Geschäftsleiter des Bundes ausländischer Studierender (BAS) kennt durch zahlreiche Beratungen, welche Hürden für ausländische Studierende in Deutschland bestehen. Teils unterschieden sich die Ansprüche in den Behörden aber stark, so Glembek: „Manchmal kommt es sogar auf die einzelnen Sachbearbeiter an.“
Kate R. sagte dem Amt, dass sie keine 861 Euro im Monat von den Verpflichteten brauche. Sie hat etwas Geld aus Kolumbien mitgebracht und arbeitet in einem Café in Bayreuth. Doch wie sich später herausstellte, gab es auch mit dem Arbeitsvertrag ein Problem: Er war befristet und galt nicht bis zum Ende ihres beantragten Visums. Das sei häufig so, gibt Glembek an, denn die Arbeitgeber*innen richteten sich oft nach der bestehenden Aufenthaltserlaubnis.
Kate R. hatte immer wieder Kontakt mit dem Amt und mittlerweile waren schon Wochen vergangen. Ihr Freund, der als Doktorand an der Uni Eichstätt arbeitet, unterstützte sie mit Übersetzungen, Anrufen und Mails. Im Juli noch schlug das Ausländeramt Kate R. vor, mit ihrem Ersparten ein Sperrkonto anzulegen – eine häufig genutzte Lösung, wie Studierende ihre Finanzierung sichern und das den Ämtern belegen. Auf Sperrkonten zahlen die Studierenden Geld für die Visumsdauer ein, meist die 10.332 Euro für ein Jahr.
Ein Sperrkonto kam für sie nicht infrage
Für die meisten Studierenden sehr viel Geld und für viele schwierig, neben dem Studium zu organisieren, kritisiert Glembek. Hinzu kämen noch Gebühren. Die Dienstleister, ob Banken oder andere, überweisen monatlich einen Teilbetrag wieder an die Studierenden zurück. Es kam allerdings auch schon vor, dass Dienstleister nicht mehr auszahlten. Im Juli 2021 war das bei einem der Fall, den das Auswärtige Amt auf seiner Website empfohlen hatte.
Für Kate R. kam das Sperrkonto jedoch nicht infrage. Zum einen umfasste ihr Erspartes nicht die benötigten 10.332 Euro. Zum anderen hatte sie schon genug Kosten für die Verpflichtungserklärung gehabt. Die war doch auch bei der Ausländerbehörde in Baden-Württemberg gültig. Das mit den monatlich eingehenden 861 Euro ließe sich schon irgendwie klären, denkt sie, und verweist beim Amt auf die Verpflichtungserklärung.
Von allen Fällen, die das Amt jährlich prüft, ginge es in „weniger als 5 Prozent“ um eine Verpflichtungserklärung, erklärt das Amt gegenüber der taz. Ob es auch genehmigte Anträge gibt? „Ja“, lautet die knappe Antwort. In Kates Fall wollten die Beamt*innen die Bonität des Verpflichtungsgebers prüfen. Das Ergebnis: Seine Finanzen reichen nicht aus – die Verpflichtungserklärung genügt damit nicht als Finanzierungsnachweis für Kate R.
Wieso die Erklärung im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald anerkannt wurde und in Bayreuth nicht, können beide Behörden nicht erklären. Das Amt in Baden-Württemberg verweist auf das in Bayern und Letzteres antwortet, dass es unter Ämtern „grundsätzlich nicht üblich ist, sich in Fälle einzumischen“. Sprich: Die Ämter haben sich nicht ausgetauscht.
Eine Vermutung, die für Kate R. und ihren Freund im Raum steht: Das Amt im Breisgau habe das gesamte Einkommen des Ehepaars beachtet, da beide auf dem ursprünglichen Antrag unterschrieben hatten. Das Amt in Bayreuth gibt hingegen an, nur das Einkommen des Ehemanns berücksichtigt zu haben, weil nur er auf der Urkunde unterschrieben hat.
Ein Kompromiss
Nina Hellbach ist Anwältin in Bayreuth und hat sich auf Migrationsrecht spezialisiert. Zurzeit sitzt sie auch im Stadtrat und nimmt bereits seit 2020 keine juristischen Mandate mehr an. Auch den Fall von Kate R. möchte sie nicht bewerten. Aber sie kennt das Ausländeramt. Frühere Entscheidungen seien eher „eng am Gesetz orientiert“. Daran sei nichts falsch, aber es bedeute für die Antragsteller*innen häufig, mögliche Ermessensspielräume zu ihren Gunsten blieben ungenutzt. Aus Bayern heraus habe sie immer wieder mitbekommen, dass Ämter in anderen Bundesländern „das Ermessen teilweise deutlich großzügiger fassen, als wir es hier gewohnt sind“.
Das Bayerische Innenministerium gibt an, eine „möglichst einheitliche Anwendungspraxis“ sicherzustellen, aber den letztlichen Ermessensspielraum müsste die einzelne Behörde nutzen, um zwischen den Interessen der Antragsteller*innen und der Allgemeinheit abzuwägen. Bei Kate R. habe es sich aber um keine Ermessensentscheidung gehandelt, erklärt das Ausländeramt Bayreuth gegenüber der taz.
Nina Hellbach, Anwältin
Auch die Universität möchte sich zum konkreten Fall nicht äußern. Für die Studierenden aus dem Ausland ist grundsätzlich das Internationale Office da und berate sie beim Umgang mit Behörden. „Bei Bedarf seitens einzelner Studierender oder Wissenschaftler*innen“ nehme es auch direkt Kontakt auf.
Kate R. sagt, in ihrem Fall sei das auch so gewesen. Dank der Vermittlung durch die Uni habe sie einen Kompromiss mit dem Ausländeramt erwirken können. Sie eröffnete im November doch ein Sperrkonto, allerdings zahlte sie weniger ein und das Visum gilt entsprechend nur bis Ende Mai 2022. Dann musste sie wieder warten, das Amt gab bis Mitte Dezember nicht Bescheid, ob ihr Antrag nun genehmigt wird.
Mit ihrem Freund meldete sich Kate R. dann bei der Presse, auch bei die taz. Der lokale Nordbayerische Kurier berichtet zunächst über sie und ihren Fall. Dann veröffentlicht die Zeitung eine Stellungnahme der Stadtverwaltung. Darin behauptet diese, schon im Juli den „jetzt beschrittenen Weg“ aufgezeigt zu haben. Auf Nachfrage der taz gibt das Ausländeramt aber zu, dass es im Juli noch nicht um einen genauen Betrag auf dem Sperrkonto ging.
Immer wieder beteuert das Ausländeramt, auch gegenüber der taz, es gebe bei ausländischen Studierenden kaum Probleme. Von 1.000 Fällen habe es nur 5 abgelehnt, keinen einzigen wegen mangelnder Finanzierung. Auch den Antrag von Kate R. lehnt es letztlich nicht ab. Am 21. Dezember konnte sie ihre Aufenthaltserlaubnis abholen.
Kates Ärger mit dem Ausländeramt ist damit aber nicht beendet. Bis Ende Mai hat sie Zeit, die Nachweise über ihre Finanzierung zu besorgen. Dann läuft ihr Visum ab.
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