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Studie zur ZukunftsorientierungWer sich Sorgen ums Klima macht – und wer nicht

Ob Menschen sich für die Zukunft und das Klima interessieren, hängt stark mit ihrer politischen Einstellung zusammen. Das zeigt jetzt eine Studie.

Demonstrierende rufen im Mai 2024 in Berlin zu mehr Klimaschutzmaßnahmen auf Foto: Andreas Stroh/imago

Die Klimakrise ist da, die sozialökologische Transformation muss her, und das schnell. So viel ist klar. Weniger klar ist, wer sich dafür einsetzen und sie voranbringen soll. Der Verdacht, Klimaschutz sei primär etwas für finanziell gut aufgestellte Aka­de­mi­ke­r:in­nen und ihre Kinder, wabert durch die Debatte.

Diese Annahme suggeriert, dass sich nur Menschen um Zukunft und Klima sorgen und für eine bessere Welt engagieren, die sich das auch leisten können.

Aber was ist an dieser These dran? Und wer sorgt sich tatsächlich um eine nachhaltige Zukunft? Das ist wichtig zu wissen, um potenzielle künftige Ak­teu­r:in­nen, die es so dringend braucht, identifizieren und ansprechen zu können.

Die Studie

Eine neue Studie der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Universität Lund hat sich dieser Frage gewidmet. Dafür haben die So­zi­al­wis­sen­schaft­le­r:in­nen 5.000 Schwe­d:in­nen zwischen 18 und 84 Jahren nach ihren Einstellungen in Bezug auf die Zukunft, aber auch zu ihren politischen Überzeugungen befragt.

Die Stu­di­en­teil­neh­me­r:in­nen wurden anhand unterschiedlicher soziologischer Kriterien wie Alter, Geschlecht oder Bildung kategorisiert. Dann wurde untersucht, welche Verbindungen zwischen den verschiedenen Variablen bestehen.

Grundlage der Untersuchung ist die Theorie des französischen Soziologen Pierre Bourdieu. Er geht davon aus, dass es neben dem ökonomischen Kapital, also dem finanziellen Vermögen, auch andere Kapitalformen gibt, zum Beispiel kulturelles Kapital, also Bildung, und soziales Kapital, etwa in Form von Beziehungen.

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Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Sorge um die Zukunft keineswegs etwas ist, das eine bestimmte – privilegierte – soziale Klasse für sich gepachtet hat. Einen starken Zusammenhang hingegen beobachteten die Forschenden zwischen der politischen Einstellung und der Haltung zu Zukunfts- und Klimafragen.

Menschen, die im politischen Spektrum eher links stehen, sorgen sich mehr um die Zukunft als Menschen, die rechts wählen.

Was bringt’s?

Die For­sche­r:in­nen fanden heraus, dass Frauen sich mehr Gedanken über die Zukunft machen als Männer. Personen, die in Teilzeit arbeiten sowie jüngere Befragte geben dem Thema mehr Relevanz als etwa selbstständige Un­ter­neh­me­r:in­nen mit Angestellten.

Je jünger und vulnerabler also die Befragten, umso realer die Angst vor einer Zukunft unter den Bedingungen einer eskalierenden Klimakrise. Diese Gruppen blicken auf immer drängender werdende Probleme, die sie aller Voraussicht nach persönlich betreffen werden – das Private wird also im Klimaprotest politisch.

Sehr wahrscheinlich muss wohl erst alles noch schlimmer werden, bevor sich mehr Menschen dafür einsetzen, dass es besser werden kann.

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13 Kommentare

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  • Was aus der Studie nicht hervorgeht, ist inwieweit sich die einzelnen Gruppen auch aktiv am Klimaschutz beteiligen und bei sich selbst anfangen CO2 zu vermeiden. Es nützt nichts, wenne sich viele junge Leute zwar ernsthaft Sorgen machen, selbst aber nichts tun.

  • Wenn die ganzen Kimaschützer nicht auf 100% Klimaschutz wollen sondern einen Großteil der Menschen (auch Wähler) mitnehmen wollen, dann müssen sie von den 100% erstmal wieder runter. Sonst wird das nix.



    Und vor allem, diejenigen die einen moderaten Klimaschutz beführworten, trotzdem ihren Benziner (nachhaltig) 25 Jahre fahren, nicht schlecht zu machen.

    • @Der Cleo Patra:

      Es gibt immer Radikale, die sich nicht in andere Leben hineinversetzen können; die muss man versuchen zu ignorieren. Wahrscheinlich hätte ich auch kein Elektroauto, wenn ich z.B. in einem Hochhaus ohne jede Lademöglichkeit in der Nähe wohnen würde. Wäre ich heute 30, hätte ich auch keins (no money).



      "Um das Mögliche zu erreichen, müssen wir das Unmögliche versuchen" .



      Das Unmögliche sind die 100%; das Mögliche liegt bei jedem einzelnen woanders.

  • Kurzum: Wer mehr Zeit hat, hat auch die meiste Zeit zum Denken und Sorgen machen?



    Ist arbeitsfreie Zeit bei moderater Tätigkeit am Ende der entscheidende Faktor?

  • Grundsätzlich bewegt sich der Mensch erst, wenn ihn die Probleme in den A*** beißen. Der gemeine AfD-Wähler grillt vermutlich noch in seinem versteppten Garten und freut sich über 45 Grad im Schatten, endlich mal wieder richtig Sommer. In seinem Montagabendspaziergang wird dann die woke-grün-siffige-linksanarchistische Einsparung von Trinkwasser gegeißelt, soll etwa der SUV dreckig blieben?



    Auf die Einsicht der Leute zu setzen dürfte fürs Klima nicht reichen, jedenfalls nicht für ein menschlich verträgliches.

    • @Bambus05:

      Abwertung und Herabwürdigung sind mir Sicherheit kein Weg zu gar nichts. Nichts Gutem.

  • Ich habe in der Schule (80er-Jahre) erstmals vom "Club of Rome" gehört, vom drohenden Polkappenschmelzen, Methan-overkill durch Auftauen der Permafrostböden, Treibhauseffekt durch CO2-Anstieg. Gelesen habe ich das "Apfelbäumchen"-Buch von Ditfurth. Auch ohne Internet sickerte durch, dass Total, Shell & Co. genau wussten, wohin die Reise gehen wird. Akut damals waren Waldsterben, Tschernobyl und Ozonloch. Ich wurde mit dem ganzen sozialisiert und politisiert, trat bei Greenpeace ein usw., was man halt denkt, als rund 20jähriger in der Richtung tun zu können / müssen.



    Dann kam Studium, Miete aufbringen, Kinder und das Thema trat in den Hintergrund. Mit Vollzeitjob und Familie dann fast nur noch fokussiert auf das Eigene.

    Der Grund für das Ausblenden der Sorgen ist aus meiner Sicht für viele hautsächlich die ständige Beschäftigung und Ablenkung, die weder Zeit noch Energie übrig lässt, sich mit der Thematik zu befassen oder aktiv zu werden.

    Bei "Fridays vor Future" wäre ich als Schüler ganz sicher dabei gewesen, aber mit meinem jetzigen Arbeitgeber hätte ich sicherlich Probleme bekommen, wenn ich jede Woche einen Tag streike.

    • @Sisone:

      Ich bin so voll bei dir, was du geschrieben hast, hätte von mir kommen können, selbst die Mitgliedschaft bei Greenpeace. Bei uns hat auch "das Leben" die tatkräftige Energie verdrängt und ich mache mir seit einigen Jahren schon Gedanken über den Zusammenhang von Ökonomie, die uns überbeschäftigt, damit wir unsere Ausgaben tilgen können, und dem Mangel an Zeit und Muße, die man braucht, um ins Denken und Handeln zu kommen. Dazu kommt die Flut von Informationen, die wir in diesem Maß nicht hatten - wir konnten fokussieren. Ich persönlich finde es sehr belastend wie eingezwängt wir oft sind, wissend, wie dringlich der Einsatz der Bevölkerung für Klimaschutz ist, und wie wenig willig die meisten Politiker sind, sich hier konsequent brauchbar einzusetzen.

  • "Sehr wahrscheinlich muss wohl erst alles noch schlimmer werden, bevor sich mehr Menschen dafür einsetzen, dass es besser werden kann."



    Zumindest bei uns im immer noch relativ "kuscheligen" Deutschland.



    Hinzu kommt, das viele Menschen hier noch ganz andere Sorgen haben, wo die Umwelt hinten anstehen muß. Und da klingt der Verweis darauf, das alles noch schlimmer würde, wenn man sich nicht mehr ums Klima sorgen/kümmern würde, im besten Falle wie Hohn. Wer sich um seinen Arbeitsplatz, das Wohlergehen der Kinder oder die Gesundheit seiner Eltern sorgt, dem ist das Klima erst mal egal. Denn einen wirklich gangbaren Weg, der auch von der Mehrheit (mind 60-70%) der Bevölkerung verstanden und bewusst mitgegangen wird, hat noch keiner dieser Kassandra-Rufer anbieten können.

  • Wir hatten gerade Wahlen. Über 50 % haben Parteien gewählt, bei denen das Klima weit hinten oder gar nicht auf dem Agenda stand. Darunter waren auch viele junge Wähler.



    Die Erkenntnis, dass es sich bei denen um Menschen handelt, die sich dem politisch rechten Spektrum zugehörig fühlen, ist eine Binse und ein Zirkel. Rechts sein bedeutet konservativ bis reaktionär sein. Man will nicht, daß sich politisch was ändert oder sogar zu vergangenen Verhältnissen zurück. Damit sind halt Menschen, die weiterhin schnell mit dem Verbrenner fahren wollen, keine Wärmepumpen wollen, weiterhin viel billiges Fleisch essen und nach Malle fliegen wollen, konservativ, also dem politisch rechten Spektrum zugehörig.



    Ich kann in der Studie keine neuen Erkenntnisse finden.

    • @fleischsalat:

      Naja, da haben Sie aber auch so einige Vorurteile in der Schublade.



      Z.B. beim "nach Malle fliegen".



      In diversen Diskussionen, auch hier in der taz, musste ich erkennen, dass die Meisten gerne den Splitter im Auge des Anderen, aber den Balken im eigenen nicht sehen.



      Ein Interkontinental Flug ist, auch wenn man grün wählt, oder frau bio kauft eben nicht besser , als der Flug nach Malle.



      Einschränkung soll bitte für Andere gelten, besser noch, politisch gelöst werden.



      Diese Beschränktheit ist in linken Kreisen genauso zu finden.

      • @Philippo1000:

        Es gibt aber auch Menschen, die wenig/kein Fleisch essen, Bio kaufen, grün wählen, Elektro fahren, Photovoltaik auf dem Dach haben, den Ökostromtarif gewählt haben, sich eine Wärmepumpe zugelegt haben, nicht jedes Jahr im Kunstschnee bei +10° Grad Ski fahren, nicht ständig nach Malle fliegen oder Kreuzfahrten buchen und trotzdem auf Interkontinentalflüge verzichten. Sozusagen der Gegenentwurf zum Modell von fleischsalat. Dazwischen gibt es viele Abstufungen.

        fleischsalats Aussage ist sicherlich nicht falsch, dass laut den letzten Wahlen offensichtlich gut die Hälfte der Bevölkerung (die "rechts-konservative" Hälfte) immer noch um jeden Preis weiter machen will, wie bisher. Und die Aussage wird nicht dadurch falsch, dass auch der Ökotyp nicht immer alles klimakorrekt macht.

        Und natürlich muss das politisch gelöst werden. Einschränkungen werden nur dann akzeptiert, wenn sie für alle gelten.

        Beispiel:



        Es ist common sense, dass sich Männer auf dem Klo beim pinkeln hinsetzen sollen, weil sonst Sauerei.



        Würden Sie diese Regel einhalten, wenn Sie wüssten, dass sich die Hälfte der Männer nicht daran hält?

        Wahrscheinlich nicht. Und dann würden Sie damit die Sauerei noch vergrößern.

  • Um sich Sorgen und Gedanken zu machen über "banales" erfordert Zeit und Energie. Je weniger Nöte man hat, desto leichter kann man sich mit solchen Themen beschäftigen.