Studie zum Bremer Flughafen: „Eine Milchmädchenrechnung“

Ist der Bremer Flughafen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor oder eine verzichtbare Dreckschleuder? Diese Frage kann auch eine neue Studie nicht klären.

Der Flughafen Bremen bei Nacht vom Rollfeld aus fotografiert.

Verlor auch schon vor Corona kontinuierlich Passagier*innen: Der Flughafen Bremen Foto: dpa / Mohssen Assanimoghaddam

BREMEN taz | Der Bremer Flughafen hat sich seinen ökonomischen Nutzen, aber auch seine Kosten für das Klima in einer Studie vorrechnen lassen. Sie zeigt anhand von Daten aus dem Jahr 2019, dass der Airport mittlerweile 7.281 Arbeitsplätze in 80 Betrieben geschaffen hat. Das sei ein Zuwachs von knapp zehn Prozent im Vergleich zu 2010, sagt Richard Klophaus, Vorstand des Zentrums für Recht und Wirtschaft des Luftverkehrs und Autor der Studie.

Die Bruttowertschöpfung des Flughafens beziffert er für 2019 auf rund 2,3 Milliarden Euro. Das sind fast neun Prozent dessen, was im selben Jahr in der Stadt Bremen insgesamt erwirtschaftet wurde. Die Bruttowertschöpfung beinhaltet neben den Leistungen der direkt auf dem Flughafengelände ansässigen Unternehmen auch indirekte Effekte, die etwa durch Zulieferbetriebe oder Konsum­ausgaben von Ar­beit­neh­me­r:in­nen ausgelöst werden.

Der Flughafen habe für die Metropolregion Bremen damit eine „sehr hohe ökonomische Bedeutung“, bilanziert Klophaus. Dies liege nicht zuletzt an seiner „Doppelrolle“: Der Bremen Airport sei nicht nur bedeutender Werksflughafen für den Airbus-Konzern, sondern auch ein wichtiger Verkehrsflughafen für Passagiere.

Die Gesamtpassagierzahl allerdings ist laut Klophaus in den letzten Jahren gesunken: 2019 wurden 13 Prozent weniger Flugreisende gezählt als noch 2010. „Erfreulich“ findet Klophaus dabei, dass die Geschäftsreisen zugenommen hätten. Diese Entwicklung hält auch der Aufsichtsratsvorsitzende des Bremen Airports, Tim Cordßen (SPD), für ein gutes Zeichen: Der Flughafen sei „für bremische Unternehmen das Tor in die Welt und Anfangsstation vieler Dienstreisen“, so der Staatsrat im Häfenressort. Denn trotz der Coronapandemie sei „die Dienstreise nicht erledigt, sondern wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen“.

Emissionen trotz Klimanotlage?

Dominique Just von der Umweltorganisation Robin Wood sieht das kritisch. „Gerade Geschäftsreisen sind durch Videokonferenzen vermeidbar, das hat uns doch die Pandemie gezeigt“, entgegnet die Mobilitätsexpertin. Problematisch seien vor allem kürzere Flugstrecken innerhalb Deutschlands, die ebenso und klimafreundlicher mit der Bahn zurückgelegt werden könnten.

Auch der Berechnung der „Klimakosten“ in der Untersuchung kann die Aktivistin nichts abgewinnen. Laut Klophaus, Professor an der Hochschule Worms, verursachte der gesamte Linienflugverkehr in Bremen 2019 Klimakosten von 17,25 Millionen Euro.

Die Berechnung basiert auf einem Kompensationsbeitrag von 23 Euro pro Tonne Kohlendioxid an die Non-Profit-Organisation Atmosfair und 654.000 Tonnen an Emissionen, von denen wiederum 274.900 auf Kohlendioxid entfallen. Daraus ergibt sich in der Studie am Ende ein durchschnittlicher passagierbezogener Kompensationsbeitrag von knapp 63 Euro pro Tonne CO2 – der aber rein theoretisch bleibt. Ebenso wie die durchschnittlich rund 800 Euro für Atmosfair, die Klophaus pro Flugbewegung errechnet hat.

Dominique Just hält die Berechnung für „absurd“: Eine derartige Summe könne die weitreichenden Folgen, die durch die klimaschädlichen Emissionen von Flugzeugen verursacht würden, kaum zum Ausdruck bringen. Für Robin Wood sind diese „Klimakosten“ deshalb nichts als eine „Milchmädchenrechnung“. Und selbst wenn die CO2-Belastungen des Flughafens kompensiert würden – seine Emissionen senkt das nicht. „Das ist der Knackpunkt“, so Just, die daran erinnert dass Bremen im letzten Jahr die „Klimanotlage“ ausgerufen hat. Allein im deutschen Luftverkehr haben die CO2-Emissionen seit 1990 laut Robin Wood um mehr als 90 Prozent zugenommen.

Der Staatsrat steht zum Flughafen

Insgesamt haben sich die deutschen Verkehrsflughäfen vorgenommen, bis 2030 ihre CO2-Belastung um die Hälfte zu reduzieren – verglichen mit 2005. Der Bremer Airport zählt viele einschlägige Maßnahmen auf, wenn man ihn danach fragt: So hat er binnen acht Jahren seinen Strombedarf so reduziert, dass 800 Tonnen Kohlendioxid eingespart wurden, seit 2020 gibt es nur noch Ökostrom.

Trotz seiner dürftigen Klimabilanz sieht Staatsrat Cordßen im Bremer Flughafen weiterhin „ein zukunftsfähiges Projekt“. Zwar werde er laut der Studie voraussichtlich erst 2025 wieder das Passagieraufkommen von 2019 erreichen. Bremen „steht aber fest zum Flughafen“, sagt Cordßen.

Dieses Bekenntnis wird Bremen viel Geld kosten: Am Flughafen stehen Sanierungsarbeiten an, für die ungefähr 80 Millionen Euro gebraucht werden. Und schon vor der Coronakrise musste Bremen seinem defizitären Flughafen mit 12,5 Millionen Euro unter die Arme gegriffen und mit 4,2 Millionen Euro pro Jahr die Flughafenfeuerwehr unterstützen.

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