Studie zu politischen Einstellungen: Deutsche sind weniger populistisch
Laut einer Studie ziehen vor allem rechte Ideen immer weniger – nicht erst seit der Coronakrise. Nur noch jeder fünfte Erwachsene sei populistisch eingestellt.
Gütersloh dpa/epd | Immer weniger Deutsche sind laut einer aktuellen Studie empfänglich für populistische Ideen. Nur noch jeder fünfte Wahlberechtigte zeige sich populistisch eingestellt, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Donnerstag in Gütersloh bei der Vorstellung des „Populismusbarometers“. Dies sei ein Rückgang um mehr als ein Drittel gegenüber Ende 2018. Zugleich warnte die Stiftung vor „Gefahren einer weiteren Radikalisierung am rechten Rand“.
Als „populistisch eingestellt“ im Sinne der Studie gilt, wer acht typisch populistischen Aussagen zu den Themen Antipluralismus, Anti-Establishment und Volkshomogenität bekräftigt. Dazu gehören Sätze wie „Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wähler, ihre Ansichten interessieren sie nicht“ und „Was man in der Politik „Kompromiss“ nennt, ist in Wirklichkeit nichts Anderes als ein Verrat an den eigenen Ideen“. Befragt wurden im Juni etwa 10 000 repräsentativ ausgesuchte Wahlberechtigte.
Seit 2018 sei zudem der Anteil der nicht-populistischen Wähler um die Hälfte auf rund 47 Prozent gestiegen, heißt es in Analyse. Die „Trendwende“ sei in jener Wählerschaft besonders stark, die sich der politischen Mitte zuordne, erklärten die Autoren der Studie – und das nicht erst seit der Coronakrise. Die Mitte erweise sich „in der Auseinandersetzung mit der populistischen Versuchung als lernfähig und robust“, erklärte der Demokratie-Experte der Bertelsmann Stiftung, Robert Vehrkamp.
Der Rückgang populistischer Einstellungen setzte laut Studie bereits 2019 ein. Dies sei zum einen auf eine „restriktive Migrationspolitik“ der großen Koalition zurückzuführen, was die Mobilisierungskraft der Populisten geschwächt habe, hieß es. Zum anderen seien soziale und wirtschaftliche Fragen stärker in den Vordergrund gerückt. Das gestiegene Vertrauen in die Regierungsarbeit im Verlauf der Coronakrise habe die Trendumkehr stabilisiert und leicht verstärkt, sagte Vehrkamp.
Unter den Parteien leidet der Studie zufolge die AfD stark unter dem Abschwung populistischer Einstellungen. Wähler aus der bürgerlichen Mitte hätten vielfach zu den etablierten Parteien zurückgefunden, vor allem zur Union, heißt es in der Studie. Umso dominanter würden demnach unter AfD-Wählern rechtsextreme Positionen. Vehrkamp warnte vor einer „Radikalisierung am rechtspopulistischen Rand“.
Leser*innenkommentare
Rudolf Fissner
Es ist gut dass der Populismus parteiübergreifend sinkt. Immer noch finden sich die höchsten Werte noch bei der AfD und dann folgend bei der Linkspartei: www.bertelsmann-st...ismusbarometer.pdf
Kartöfellchen
Ich denke, das zeigt wohl auch das Management von Corona, das versucht, soziale Härten abzufedern. Zusammenhalt und Solidarität geben den Menschen Halt, den sie dann nicht bei AfD und Co. suchen.
Wenn laut Heitmayer-Studie der Neoliberalismus dafür mit verantwortlich war, wäre das ja kein Wunder...
Rudeboy.69
Aus meiner Sicht sagt die Studie eher aus das Populismus ihren Weg in den Mainstream gefunden hat, es gab einen massiven Rechtsruck bei den meisten Etablierten Parteien, gerade bei CDU\CSU, was vor 5 Jahren noch unsagbar war ist heute politischer Konsens. Es ist eher erschreckend was heute als politische Mitte gesehen wird, aber es ist auch nicht unerwartet es wurde nach dem Erstarken der AfD von Seiten der politischen Mitte angekündigt, die Wähler mit allen Mitteln zurückzuholen und wird bis heute eiskalt durchgezogen. Das Problem ist nur das dieser ganze Käse einzig und allein dazu führt den rechten Rand immer weiter zu pushen, siehe Anschläge bundesweit, Polizeiliche Übergriffig leiten und Menschen die kein Problem mehr haben mit offen Rechten zusammen für ihre Zwecke zu demonstrieren.
Aus meiner Sicht rückt das "Nie wieder" in immer weitere Ferne.
05838 (Profil gelöscht)
Gast
Ich nehme an, der Steuerzahler finanziert mittelbar solch Studien, die für die Tonne sind. Was sich heutzutage alles wissenschaftlich nennt? tststs
Walter Sobchak
Good news, everyone: Immer weniger Deutsche halten Juden für Heilandsmörder - dafür halt mehr nun für Echsenwesen.
Allein für die Bildunterschrift wird Euch Bertelsmann bestimmt gerne attestieren, daß die TAZ ein echt kritisches Presseorgan ist.
Extremismustheorie reloaded. Alternative Interpretation: RechtspopulistInnen zeigen sich erfreut, daß ihre Ideen und Forderungen von den "Volksparteien" aufgegriffen und umgesetzt wurden. ("restriktive Migrationspolitik")
Die AfD leidet (als Partei!) allenfalls unter einer "Abwanderung", nicht unter einem "Abschwung populistischer Einstellungen".
Lurkus
@Walter Sobchak Ein Hoch auf den EU Türkei Deal! Das Sterben an der Grenze konnte normalisiert werden, so dass die deutsche Mitte sich endlich wieder links fühlen kann! Danke Bertelsmann!
Kairawall
Die acht Aussagen sind zum größten Teil etwas plump formulierte parlamentarismuskritische Aussagen. www.bertelsmann-st...barometer_2018.pdf (Seite 26)
Die drei wirklich dummen Aussagen basieren alle auf der Annahme, die "Bürger" seien sich immer einig. Der Rest sind einfach etwas dümmliche und völkische Formulierungen von Parlamentarismuskritik. Das soll im Alleingang schon Populismus sein? Wohl kaum.
Dem Populismus verfallen ist man erst, wenn man eine Partei wählt, die diese antiparlamentarischen Aussagen instrumentalisiert und für die eigene Macht nutzt (die AfD ist da ein gutes Beispiel).
Diese Studie ist schon in den acht Aussagen so konzeptioniert, dass Zentrist*innen als weniger populistisch eingestuft werden. Welch Wunder, dass das dann auch das Ergebnis ist. Es ist bezeichnend für die taz, dass weder dieser Aspekt noch die Verfasser*innen der Studie kritisch hinterfragt wurden. Die Bertelsmannstiftung ist für Privatisierung und Sozialabbau immer wieder in Kritik geraten. Hinter dieser Studie steht ganz klar eine politische Agenda.
Mimo
NUR 10000 wurden befragt, das erscheint mir aber nicht repräsentativ...
Rudi Rastlos
@Mimo Nun, wenn Sie es so wollen, dann gibt es die nächste repäsentative Umfrage im Herbst nächstes Jahres als Bundestagswahl, wo wieder über 60 Mio deutsche Staatsbürger befragt werden - zwar ohne Fragenkatalog, weil zwei Kreuze ausreichen. Aber dennoch wird man auch daran auswerten können, wie populistische Meinungen und Ideen im Wahlvolk vertreten sind. Haben Sie doch noch etwas Geduld.
05838 (Profil gelöscht)
Gast
@Mimo es reichen 2500
Pia Mansfeld
Nur(!) noch jeder fünfte Erwachsene? Das sind immer noch zu viel. Gefühlt habe ich den Eindruck, dass es immer mehr werden die den Verstand ausschalten wenn es um Themen wie Corona, Fremdenfeindlichkeit und Demokratie geht. Da sind Leute am Redepult die einen zusammenhanglosen Blödsinn rausposaunen und auch im Netz verbreiten, da möchte man schon um Hilfe schreien, so wenig Verstand tritt dort zu Tage und so krude Ansichten werden dort versucht hoffähig zu machen. Mir wird eher Angst und Bange bei dem Umstand, dass viele Menschen Nachdenken als zu anstrengend erachten und lieber Blödsinn nachplappern.
Lurkus
@Pia Mansfeld Wenn sogar die taz den talking point übernimmt, dass der Grund für den Rückgang des Populismus eine "erfolgreiche Eindämmung der migration" sei, wird mir ehrlich gesagt schlecht. Menschen sterben zu tausenden an den Außengrenzen, Griechenland und die Türkei sind Partner in crime bei höchst illegalen und menschenverachtenden pushbacks - aber yeah, die deutsche Mitte fühlt sich endlich wieder links! Was für ein Erfolg!
Timelot
@Lurkus Das Griechenland und die Türkei Partner sind kann man im Moment nicht gerade behaupten ..
Lurkus
@Timelot You missed the point :)
05838 (Profil gelöscht)
Gast
Bei solchen Befragungen sagen viele, was gehört werden will.
Strolch
@05838 (Profil gelöscht) Stimmt. Aber das war ja auch schon bei der Vorgängerstudie so. Der Rückgang stimmt daher wahrscheinlich. Die absoluten Zahlen sind möglicherweise fraglich. Wobei gute Studien versuchen, falsche Antworten durch Kontrollfragen rauszufiltern.
05838 (Profil gelöscht)
Gast
@Strolch Bei der Vorgängerstudie war der soziale Druck noch nicht so hoch für Andersdenkende.
04105 (Profil gelöscht)
Gast
@05838 (Profil gelöscht) Na klar, die Befragten werden in Gruppen von 125 Menschen in einem Raum zusammengepfercht und dann coram publico befragt, damit intensiver Gruppendruck aufgebaut werden kann.... Mann Mann Mann
05838 (Profil gelöscht)
Gast
@04105 (Profil gelöscht) Für einen Vortrag in Umfragepsychologie ist das Feld zu klein.