Die AfD in der Krise: Das Rezept ist abgelaufen
Das Nebeneinander der unterschiedlichen Strömungen hat maßgeblich zum Erfolg der AfD beigetragen. Jetzt ist es das Kernproblem der Partei.
D as Erfolgsrezept der AfD ging bislang so: Die Partei hatte für Rechte mit Abneigung gegen Geflüchtete, die EU, die 68er und die Kanzlerin je nach Bedarf Unterschiedliches im Angebot. Die einen orientierten sich erst an dem Wirtschaftsliberalen Bernd Lucke, später an Jörg Meuthen und blendeten den unappetitlichen rechten Rand aus. Die anderen machten den rechtsextremen Björn Höcke zu ihrer Lichtgestalt und nahmen die „Luschen“ am anderen Ende nicht so wichtig.
Der Traum der Neuen Rechten von einer Sammlungsbewegung schien wahr zu werden: Die AfD hat von der bürgerlichen Mitte bis ins rechtsextreme Lager Diskurse beeinflusst, WählerInnen mobilisiert und so die Grenze zwischen demokratischen und antidemokratischen Rechten verwischt. Erfolg folgte auf Erfolg, zusammen zog das eigentlich fragile Bündnis mit einem zweistelligen Ergebnis in den Bundestag.
Doch dieses Erfolgsrezept funktioniert nicht mehr. Mehr noch: Es ist zum Kernproblem der AfD geworden. Der Machtkampf, der um den Rausschmiss des rechtsextremen Drahtziehers Andreas Kalbitz tobt, geht weit tiefer als die Frage, ob sich Parteichef Meuthen oder Kalbitz durchsetzen wird. Es geht um die inneren Widersprüche der Partei.
Die AfD hat grundlegende Fragen nicht geklärt: Will sie in die Regierung oder Fundamentalopposition bleiben? Setzt sie auf Reform oder Sturz des Systems? Soll der Sozialstaat ab- oder völkisch umgebaut werden? Und wie viel Einfluss räumt man überzeugten Rechtsextremisten ein? Jede dieser Fragen ist ein Grundsatzkonflikt.
Berauscht vom Erfolg, konnte die AfD dies immer wieder beiseiteschieben, ab und zu wurde einE ParteichefIn ausgewechselt, einige Mitglieder gingen. Dann machte man, weiter nach rechts gerückt und mit einem neuen, vermeintlich moderatem Feigenblatt an der Spitze, weiter wie zuvor. Hatte wieder Erfolg und neue Posten zu verteilen.
Der interne Machtkampf tobt heftig
Doch damit ist erst mal Schluss. Die AfD steckt – nicht nur coronabedingt – in der Krise. Die Umfragewerte sinken, die Partei dringt mit ihrem alten Thema nicht mehr durch und findet kein neues. Der interne Machtkampf tobt so heftig wie vielleicht noch nie.Das liegt auch am Verfassungsschutz, der prüft, ob nach dem „Flügel“ auch die Gesamtpartei beobachtet werden soll. Wollen die, die sich für gemäßigt halten, eine Beobachtung verhindern, dann müssen sie jetzt an Kalbitz, Höcke und Co ran. Oder ihr Traum von einer Regierungsbeteiligung ist ausgeträumt, möglicherweise auch der Beamtenstatus dahin. Einfach weitermachen geht nicht mehr.
Die Ausgangslage ist zudem anders als bei vorherigen AfD-Machtkonflikten. Mehrheiten im Bundesvorstand und im Schiedsgericht der Partei haben Kalbitz vor die Tür gesetzt. Damit ist der vielleicht einflussreichste Rechtsextremist der AfD derzeit kein Parteimitglied mehr. Die Gremien haben den „Flügel“ geschwächt. Die Lage kann sich allerdings wieder ändern, wenn das Berliner Landgericht über Kalbitz’ Klage gegen die Annullierung seiner Mitgliedschaft entscheidet.
Der Konflikt tobt inzwischen selbst in der Bundestagsfraktion, die sich bislang rühmte, ganz ohne Flügelkämpfe auszukommen – und keiner kann ihn mehr so richtig einhegen. Alexander Gauland, der die Partei bislang zusammenhielt, hat diese Rolle verspielt. Gauland, ohnehin alt und müde, hat sich auf Kalbitz’ Seite gestellt und ist durch das Urteil des Schiedsgerichts nun geschwächt. Dann attackierte er, zum Entsetzen mancher Mitglieder, das Gericht, immerhin das höchste Parteigremium.
Steht also eine Spaltung an? Auch wenn alles darauf zuzusteuern scheint: Ausgemacht ist das nicht. Freiwillig wird keine der beiden Seiten auf Namen und Strukturen der AfD verzichten. Auch will der „Flügel“ nicht zur Lega Ost schrumpfen, die Gemäßigteren wollen auf die Höhenflüge der Ostverbände und Stimmen von Rechtsradikalen nicht verzichten. Die AfD steckt in einem fast ausweglosen Dilemma.
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