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Studie zu Deutschlands AußenhandelEin Exportland in Zeiten des Protektionismus

Laut einer Studie dominiert Deutschland bei vielen Produkten den Weltmarkt. Eine aktuelle Entwicklung bereitet den starken Branchen allerdings Sorge.

Die chemische Industrie ist im Export dominant. Die USA sind für Unternehmen wie Bayer ein wichtiger Handels­partner Foto: dpa Foto: Roberto Pfeil/dpa

Berlin taz | Mikroskope, Erntemaschinen oder chemische Erzeugnisse gehören dazu. In etwa 180 Produktgruppen dominieren deutsche Unternehmen die Welt­industrie, zeigt eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Deutschlands Exportindustrie schneidet damit bedeutend besser ab als die fast aller anderen Industriestaaten, nur China und USA liegen vorn.

Die am Dienstag veröffentlichte Studie untersucht den „Markenkern“ der deutschen Wirtschaft. Hierfür analysieren die Autor*innen, wie viele Unternehmen einen Anteil von mindestens 30 Prozent am Welthandel in 5.300 betrachteten Warengruppen halten und wie sich dieser Anteil seit 2010 entwickelt hat.

Besonders Unternehmen aus der Chemie- und der Maschinenbauindustrie machen den deutschen Markenkern aus. Auf sie entfallen die meisten Warengruppen, in denen die deutsche Industrie seit 2010 kontinuierlich die Exporte dominiert. Die Chemieindustrie erreicht bei manchen Waren sogar Exportanteile von über 90 Prozent. Die Autoindustrie dominiert zwar bei deutlich weniger Produktgruppen, erzielt aber die höchsten Einnahmen aus Exporten.

Insgesamt ist die Anzahl der dominanten Branchen in Deutschland allerdings seit 2010 rückläufig. Seit 2022 scheint sich der Exportmarkt allerdings wieder zu stabilisieren. Grund für den Exportrückgang sei vor allem die wachsende Marktmacht von China, die laut Studie besonders die deutsche Chemie- und Maschinenbauindustrie ausbremse.

„Es wird deutlich, wie wichtig die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa ist, um mit den Schwergewichten USA und China mithalten zu können“, sagt Samina Sultan, Co-Autorin der Studie.

Die USA sind wichtigster Handelspartner

Die Studie zeigt auch: Der wichtigste Handelspartner der exportstarken deutschen Branchen sind die USA. Bei 30 der 57 Produktgruppen, die laut Studie den deutschen Markenkern ausmachen, sind die USA der Hauptabnehmer.

Die aktuellen Handelsstreitigkeiten sowie die angedrohten Strafzölle Trumps gegen die EU bereiten daher vielen Unternehmen in diesen Branchen große Sorgen. „Insgesamt führen die zunehmenden geopolitischen Spannungen und um sich greifender Protektionismus und Aktionismus dazu, dass die Unternehmen die Märkte immer mehr lokal bedienen müssen“, sagt etwa eine Sprecherin des deutschen Automobilverbands VDA.

„Durch die sogenannten Strafzölle würde vor allem die deutsche Automobilbranche stark unter Druck geraten“, sagt auch Dirk Jandura vom deutschen Außenhandelsverband (BGA). So rechnen nach einer bisher unveröffentlichten Umfrage des Verbands 60 Prozent der 150 befragten Unternehmen mit negativen Effekten auf ihre Wirtschaftlichkeit, sollten Autoexporte in die USA mit zusätzlichen Zöllen belegt werden.

Die USA sind unser wichtigster Handelspartner – aber nicht unser einziger

Dirk Jandura, Präsident des Außenhandelverbandes BGA

Ähnlich besorgt blickt die Chemieindustrie auf die Lage. Erhöhte Zölle in das wichtigste Exportland würden die bereits angespannte Lage weiter verschärfen, äußert sich Wolfgang Große Entrup, Geschäftsführer vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) zu drohenden Handelskonflikten.

So habe schon ohne die Zölle bereits jedes vierte Unternehmen der Branche seine Produktionskapazitäten oder Geschäftsfelder in Deutschland reduziert. Der Grund dafür seien mangelnde Zukunftsperspektiven des Standorts Deutschland. Investitionen im Ausland nehmen daher zu. „Zölle können diesen Trend verstärken“, fügt eine Sprecherin des VCI hinzu.

Doch wie das Beispiel der Chemieindustrie zeigt, werden solche Prozesse weder kurzfristig noch maßgeblich von Zöllen bestimmt. Der BGA-Chef Dirk Jandura erklärt: „Der Aufbau von neuen Produktionskapazitäten kostet Milliarden, dauert Jahre und erfordert politische Rahmenbedingungen in den USA, die eine gewisse Planbarkeit zulassen.“

US-Zölle schwächen Allianz gegen China

So sieht das auch Verbandschef der Machinenbauer (VDMA) Andrew Adair. Die Verlagerungen von Produktionsstätten hingen nicht nur von einem Faktor, wie etwa Zöllen ab, sondern werden „langfristig aufgrund vieler Faktoren getroffen“, so Adair.

Die deutsche Exportstärke wird sich durch die aktuellen politischen Spannungen also nicht kurzfristig grundlegend ändern. Vielmehr bewirken Handelskonflikte mit der USA eine Schädigung der Allianz gegen Chinas wirtschaftliche Dominanz. Die IW-Studienautor*innen sehen in der Exportstärke Deutschlands einen Trumpf, der in Zeiten von Handelskonflikten genutzt werden könne, um politischen Druck auszuüben.

Auch BGA-Chef Jandura betont: „Die USA sind unser wichtigster Handelspartner – aber eben nicht unser einziger. Das sollte auch dem amerikanischen Präsidenten sehr bewusst sein.“

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3 Kommentare

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  • Einspruch. Solange man sich nicht wie bei Raumschiff Enterprise irgendwohin beamen kann, wird der Individualverkehr ein Zukunftskonzept bleiben. Er muss und wird sich nur sehr stark verändern.

  • Es wäre für alle besser, wenn die ganzen Abschottungsfanatiker weniger Einfluss hätten. Gilt für Nationalisten, Egoisten, Sozialisten und Ökolisten.

  • Die Firmen die etwas besser können als die anderen auf der Welt werden Zölle auch nichts ausmachen. Daher sollte das der Fokus für Deutschland sein. Die Automobilindustrie hat das leider verpasst. Allerdings ist der Individualverkehr auch kein Zukunftskonzept. Eigentlich ganz einfach das Ganze …