Studie über Welt-Ressourcen: Konsum jenseits der Kapazitäten
Böll-Stiftung und Germanwatch legen einen Bericht "Zur Lage der Welt 2010" vor. Tenor: Würden alle so leben wie wir, müssten zwei Drittel der Menschheit weg.
5 Prozent der Weltbevölkerung sind für 32 Prozent des weltweiten Konsums verantwortlich. Das geht aus dem Bericht "Zur Lage der Welt 2010" hervor, den das renommierte Washingtoner Worldwatch-Institut erarbeitet hat. In Berlin wurde gestern die 300 Seiten starke deutsche Fassung vorgestellt, die die Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit Germanwatch ausgearbeitet hat. Tenor: Würden alle Menschen so leben wie wir, böten die sich selbst erneuernden Ressourcen der Erde gerade Platz für 2,1 Milliarden Menschen. Aktuell leben aber bereits knapp 7 Milliarden auf dem Planeten.
"Wenn wir den Zusammenbruch der Zivilisation verhindern wollen, brauchen wir nichts Geringeres als eine Umwälzung der herrschenden kulturellen Muster", erklärt Erik Assadourian, einer der Direktoren des Worldwatch-Instituts, gestern in Berlin. Von Ernährungsgewohnheiten bis zu ökologischen Siedlungen - der Bericht listet 26 Beispiele auf, wie es besser gehen könnte. Böll-Vorstand Ralf Fücks: "Wir alle können dazu beitragen, umweltfreundliche Produkte und fairen Handel zu fördern."
Nichts Neues also seit 38 Jahren: 1972 hatte bereits der Bericht "Die Grenzen des Wachstums" des Club of Rome erklärt, dass es nicht so weitergehen darf, wie es weitergeht. Und jedes Jahr steigt die "Fieberkurve des Planeten", wie Fücks den jährlichen Bericht "Zur Lage der Welt" bezeichnet. 1987 überschritt erstmals der biologische Fußabdruck der Menschheit erstmals die Kapazität der Erde. Am 19. Dezember hatten die Menschen all das verbraucht, was ihnen die Natur binnen eines Jahres zur Verfügung stellt: Holz, sauberes Wasser, Nahrung oder Platz, um den Müll zu entsorgen; auch den Klimamüll. 1995 erreichte die Menschheit diesen Tag am 21. November. Im vergangenen Jahr waren die Ressourcen schon am 24. September verbraucht.
Alljährlich rätseln also die Eliten und jene, die sich dafür halten, was wohl zu tun sei. "Die Fotovoltaik kürzen", erklärte gestern auf dem Podium in Berlin Gerd Billen. "Wir brauchen mehr Effizienz im Strombereich", so der Chef der Verbraucherzentralen. An anderer Stelle hatte Billen argumentiert, die Solarförderung müsse gekürzt werden, damit der Strompreis bezahlbar bleibe. Damit beißt sich die Katze in den Schwanz: Billiger Strom verhindert, dass sich stromeffiziente Geräte auf dem Markt durchsetzen.
"Wir haben die Chance, als Verbraucher ein Zeichen zu setzen", empfiehlt Hendrik Vygen, Vorstand von Germanwatch. Und zeigt, wie schwer das den Herausgebern fällt: "Zur Lage der Welt" wird eingeschweißt in Plastefolie vertrieben. "Wir kompensieren jedes anfallende Treibhausgas", erklärt Co-Herausgeber Ralf Fücks dazu. Als ob das bedeuten würde, dass für die Plastehülle - Buchauflage 3.000 - keine Ressourcen verbraucht worden sind!
Die verwendete Folie sei biologisch abbaubar, beeilt sich die Pressestelle der Böll-Stiftung klarzustellen. Na dann ist ja gut, der Verpackungsmüll muss also nicht auch noch recyclet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“