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Studie mit KaulquappenLithium als Zeitbombe für Gewässer

Der Abbau des wichtigen Metalls Lithium verbraucht nicht nur viel Wasser. Er vergiftet auch seine Umwelt, zeigt eine Studie.

Kaulquappen der Sandkröte in Argentinien: Amphibien gelten als Indikatoren für die Wirkung von giftigen Stoffen in Gewässern Foto: Gabriel Rojo/imago

Buenos Aires taz | Kaulquappen, die einer verstärkten Konzentration von Lithium ausgesetzt sind, weisen eine starke Belastung mit dem Giftstoff auf. Das zeigen argentinische Wis­sen­schaft­le­r*in­nen in einer aktuellen Studie.

Die For­sche­r*in­nen setzten die Tiere Lithiumkonzentrationen aus, wie sie bei der Ausbeutung des Alkalimetalls in den Gewässern des sogenannten Lithiumdreiecks von Argentinien, Chile und Bolivien entstehen. „Die Veränderungen liefern den ersten Beweis für die Ökotoxizität von Lithium bei in Argentinien einheimischen Arten und dienen als Frühwarnung für Organismen, im Verbreitungsgebiet“, so ihre Schlussfolgerung. Amphibien gelten als Indikatoren für die Wirkung von giftigen Stoffen in Gewässern.

Der stark expandierende Abbau von Lithium stellt nach Ansicht der Au­to­r*in­nen eine „Zeitbombe“ für die lokalen Wassersysteme dar. Lithium ist ein wichtiger Bestandteil in leistungsfähigen Batterien, die für den Bau von Elektrofahrzeugen und für Fotovoltaik, aber auch etwa für Mobilgeräte gebraucht werden, ist also sowohl für die Decarbonisierung der Wirtschaft, als auch für die Digitalisierung essenziell.

Im Lithiumdreieck wird es aus unterirdischen Salzseen gewonnen. Diese sind aber wichtige Wasserreservoirs, bei der Direktextraktion des begehrten Metalls werden riesige Mengen Süßwasser verbraucht – was bislang der hauptsächliche Kritikpunkt war. Mit der Untersuchung der Kaulquappen wollten die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen nun herausfinden, ob der Abbau auch andere Folgen für die Umwelt hat. Bisher habe es nur Studien gegeben, wie sich die erhöhte Lithiumkonzentration auf Flamingopopulationen auswirkt, sagte Rafael Lajmanovich von der Universität Litoral der Zeitung La Capital. Anders als etwa Glyphosat, dessen Wirkung weltweit beforscht wird, handle es sich bei der Lithiumbelastung um ein lokales Phänomen, da der Stoff nur an wenigen Stellen vorkomme.

Mit der aktuellen Studie habe man eine „Bewertung der akuten Letalität und der chronischen subletalen Wirkungen von Lithium“ an Kaulquappen als Modellorganismen vornehmen wollen. Die argentinische Kröte (Rhinella arenarum) sei ausgewählt worden, weil sie in ganz Südamerika verbreitet ist. Ihre Kaulquappen wurden in Wirktests unterschiedlichen Lithiumkonzentrationen ausgesetzt.

Bei der höchsten Belastung, die der üblicherweise an den Bergbaustandorten gemessenen Konzentration entspricht, zeigten die Kaulquappen laut der Studie nach einer Woche Exposition „eine signifikante Mortalität“. Aber auch schon geringere Konzentrationen, die als „umweltverträglich“ gelten, hätten schwerwiegende Reaktionen hervorgerufen. Das weise darauf hin, dass Lithiumverseuchungen unmittelbare Auswirkungen haben, so Lajmanovich. Auch die DNA von Organismen werde verändert. Neben der Verwüstung des Landes seien damit beim Lithiumabbau auch schwerwiegende Schäden für Fauna, Flora und letzlich die Bevölkerung zu erwarten.

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13 Kommentare

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  • Wie alles in der Natur….die Dosis macht das Gift. Ja, Lithium Präparate sind zugelassene Arzneimittel, aber ebenso wie gereinigtes Wasser kann es bei höherer Dosierung Organismen beschädigen.



    Konstruierte „Schreckensmeldung.

  • Lithium als Giftstoff zu bezeichnen, ist etwas schräg. Erwiesenermaßen kann es in geringer Dosis im Trinkwasser sogar Suizid verhindern (vgl. z.B. deutsches Ärzteblatt/14. August 2020) Ausserdem wäre interssant zu wissen wieviele Kaulquappen ausserhalb des Labors in einer der trockensten Gegenden der Erde tatsächlich betroffen sind.

  • Ich esse dann in Zukunft noch weniger Kaulquappen...

    Mal ganz ehrlich: "Wie hundatfuffzichprozentich hättense's denn jern, wa?"

    Ein Leben komplett ohne Fußabdruck wird's nicht geben. Wird aber dann oft so getan, als ginge das.

    Merkwürdigerweise handeln Menschen in sog. "Entwicklungsländern" oft lokal intelligenter, fortschrittlicher und nachhaltiger als diejenigen, die sich aus der satten Bequemlichkeit der westlichen Wohlstands- und Überflussgesellschaft darin ergehen, für andere Menschen Beschränkungen der Handlungs- und Wirtschaftsoptionen zusammenzuträumen.

    Das sind dann die, die als Aktivisti gegen Straßenverkehr demonstrieren, lange Staus provozieren, wo mehr CO² sinnlos ausgeschüttet wird, als im fließenden Verkehr, und dann "als Privatperson" in den Fernurlaub nach Asien fliegen.

    Jetzt ist es eben das Lithium, das gar nicht geht... und immer geht es natürlich um die Rettung der Welt per se.

    Manchmal habe ich Schwierigkeiten zu glauben, dass es diesen Leuten wirklich noch um den Erhalt von Menschen geht. Irgendwann landen die dann ideologisch wieder beim "année zéro"...

    • @Metallkopf:

      "Ein Leben komplett ohne Fußabdruck wird's nicht geben"



      Wird es nie geben, aber zur Zeit tut man so, als es es das gäbe.

    • @Metallkopf:

      "Jetzt ist es eben das Lithium, das gar nicht geht... und immer geht es natürlich um die Rettung der Welt per se."

      Ihre Behauptung ist maßlos übertrieben und vermischt Dinge, die nichts miteinander zu tun haben: wissenschaftliche Arbeit und Aktivismus.

      Sie ärgern sich offenbar über Aktivisten und wollen denen etwas entgegensetzen, indem Sie deren Wirken als übertrieben darstellen.



      Das Problem zumindest aus meiner Sicht dabei:



      Sie müssen selbst an Ihre Geschichte glauben, wenn Sie sie übertrieben darstellen.



      Es hindert Sie daran, offen zu sein.

      Natürlich muss erforscht werden, welche Auswirkungen ein Stoff auf die Umwelt hat, wenn er gefördert wird. Wenn wir als Menschen überleben und als Individuen ein gutes Leben haben wollen, sollten wir das tun.

  • Hilft vielleicht nicht bei der Gewinnmaximierung, aber andernorts forscht man, Lithium aus Wasser zu filtern. Sogar hier unter dem Artikel verlinkt. Stichwort Lieferkettengesetz, das wäre doch ein Hebel, um solchen Lithiumbergwerken ein Nachschalten solcher Filter aufzuerlegen. Zumal ein Abgreifen des Lithium an der Quelle (sic!) auf lange Sicht effektiver ist, als es erst mal in der Landschaft zu verteilen. Auch diese Ressource ist endlich!

  • Ich dachte immer, alles mit Strom wäre voll ökonund nachhaltig und so weiter. Und nun?



    Lithium kommt jetzt im grossen Massstab in die Industrie. Auf die Stoffmenge bezogen, wiegt es nur ein Viertel von Aluminium. Es kommen also gehörige Mengen in Umlauf. Unsere Erfahrungen sind eher spärlich.



    Da wird ohne Rücksicht auf Verluste eine neue Industrie hochgepäppelt. Alles im Namen der Umwelt und der CO2-Reduktion.



    Umweltschutz bedeutet eben kein Weiter-so-nur-mit-Strom. Aber traut sich niemand zu sagen, und hören oder lesen will's auch keine/r/s m/w/d.

    • @Carsten S.:

      Klar hat die Lithium-Gewinnung im letzten Jahrzehnt zugenommen, aber dass es vorher keinen signifikanten Verbrauch von Lithium in der Wirtschaft gab ist inkorrekt. Als Glas- und Keramikzusatz, Schmierstoffkomponente oder Reduktionsmittel in der pharmazeutischen Industrie wird es schon lange routinemäßig verwendet, und diese Anwendungen bleiben auch weiter bestehen. Es stimmt nicht, dass es kaum Erfahrungen gibt.

      • @TheBox:

        Nicht im derzeitigen Massstab.



        Nicht umsonst will man z.B.in Portugal eine ganze Landschaft umgraben.

  • "gerade mal 9 Kilogramm Lithium"

    Pro Batterie. Wieviele werden davon jährlich, nicht nur für E-Autos, produziert? Auch mit einem höheren Anteil?

    • @Pauline Friedrich:

      Gegenfrage: Wie viele herkömmliche Alkali-Einwegbatterien wurden durch die verstärkte Verwendung von Akkumulatoren mit hoher Energiedichte eingespart und vermieden? Mit sämtlichen Umwelteinwirkungen, die sonst daraus hervorgegangen wären?

      Wenn man einen Motor baut, der gegenüber älteren bei gleicher Leistung erheblich weniger verbraucht und geringere Emissionen hat, sehen manche Leute nur, dass ja immer noch Abgase rauskommen.

      Manchen kann man halt nichts wirklich recht machen.

  • Ich zitiere aus dem unten genannten Artikel:



    "Vom 08. Mai bis zum 12. Mai fanden die Aktionstage der Gruppierung „DISRUPT“ gegen Tesla … statt mit dem Ziel, den Ausbau der Teslafabrik in Brandenburg zu verhindern."



    "DISRUPT behaupten auf ihrer Seite, Lithium sei der „Hauptrohstoff für Batterien“, was einfach nur Unsinn ist. In der Traktionsbatterie eines VW ID.3 ist der Hauptbestandteil mit 126 Kilogramm Aluminium, während gerade mal 9 Kilogramm Lithium darin verbaut sind. Und während der DISRUPT-Sprecher sich angeblich um die Umwelt in Argentinien und Bolivien sorgt, stammt das meiste Lithium mit großem Abstand aus Australien, dann aus Chile. Etwa 5 Prozent kommen aus Argentinien und aus Bolivien so gut wie gar nichts.



    … in Australien wird Lithium in stinknormalen Minen abgebaut, nicht wie in Südamerika in Verdunstungsbecken mit entsprechendem Wasserbedarf. In Chile wird In der Atacamawüste übrigens bereits seit mindestens 1996 Lithium gewonnen."



    www.volksverpetzer...aganda-reinfielen/

  • Weniger Autos. Viel weniger.

    Und Natrium.