Streit zwischen USA und Türkei: Türkische Lira schmiert ab
Die Lira-Krise erfasst auch die Währungen von Schwellenländern. Doch IWF-Hilfen lehnt Erdoğan im Streit mit den USA strikt ab.
Erfasst von der Lira-Krise wurden auch Währungen von großen Schwellenländern. Am Montagmorgen stand besonders der südafrikanische Rand unter Druck, der zwischenzeitlich um 10 Prozent absackte. Auch der mexikanische Peso gab nach. Der Dax startete den Handel am Montag 0,6 Prozent schwächer.
Kurz zuvor waren drastisch erhöhte US-Strafzölle gegen die Türkei in Kraft getreten. Nun wird Stahl aus der Türkei mit Abgaben in Höhe von 50 Prozent statt bislang 25 Prozent belegt, wie das Weiße Haus zuvor verkündet hatte. US-Präsident Donald Trump hatte die Verdoppelung am Freitag angeordnet.
Im asiatischen Handel sank der Wert der türkischen Währung am frühen Montag im Vergleich zum Euro und zum US-Dollar zeitweise erneut zweistellig. Erstmals mussten mehr als sieben Lira für einen US-Dollar und mehr als acht Lira für einen Euro gezahlt werden. Damit setzte sich der drastische Kursverfall seit Jahresbeginn fort.
Hintergrund der Währungsturbulenzen ist ein Streit zwischen den Nato-Partnern Türkei und USA um zwei Geistliche. Die USA fordern die Freilassung des evangelikalen US-Pastors Andrew Brunson, der wegen Terrorvorwürfen in der Türkei festgehalten wird. Die Türkei wiederum will, dass die USA den dort lebenden türkischen Prediger Fethullah Gülen ausliefern, diesen macht Erdogan für den Putschversuch von 2016 verantwortlich. Am Wochenende verschärfte sich der Ton erneut: Staatspräsident Erdoğan sprach in mehreren kämpferischen Reden von „Kampagnen“ gegen sein Land und griff die USA erneut scharf an.
Erdoğan: „Ganz klar ein Währungskrieg“
„Ihr versucht, 81 Millionen Türken für einen Pastor zu opfern, der Verbindungen zu Terroristen hat“, sagte er – ohne die USA direkt zu erwähnen – am Sonntag in der Stadt Trabzon. „Aber wir haben euren Plot durchschaut und fordern euch heraus.“ Was die USA mit Provokationen nicht geschafft hätten, versuchten sie nun mit Geldpolitik zu erreichen. Es sei „ganz klar ein Wirtschaftskrieg“.
Der türkische Finanzminister Berat Albayrak kündigte in einer Serie von Tweets einen „Aktionsplan“, der von Montagmorgen an gelten sollte. Außerdem versprach Albayrak der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge, dass Einlagen nicht beschlagnahmt und Devisen auf Bankkonten nicht in Lira umgewandelt würden.
Nach langem Schweigen meldeten sich auch die Währungshüter des Landes zu Wort. Die türkische Zentralbank verkündete am Montagmorgen, den Geldinstituten des Landes werde in der aktuellen Krise ausreichend Liquidität zur Verfügung stehen. Dafür würden die Reserveanforderungen an bestimmte Währungsgeschäfte verringert.
Zudem wurden den heimischen Banken zusätzliche Refinanzierungsgeschäfte angeboten. Die Geldhäuser können sich zudem zusätzliche Mittel in Fremdwährung leihen. Die Notenbank teilte mit, die Märkte genau zu beobachten. Es würden alle Schritte ergriffen, um die Finanzstabilität zu sichern. Das half der Lira aber nur kurzfristig. Die türkische Währung legte zunächst zu, rutschte dann aber wieder ab.
Bereits am Wochenende hatte Finanzminister Albayrak Maßnahmen für die Wirtschaft angekündigt, die die Märkte beruhigen und den starken Kursverfall der Lira stoppen sollten. „Von Montagmorgen an werden unsere Institutionen die notwendigen Schritte unternehmen und dies den Märkten mitteilen“, sagte der in einem Interview der Zeitung Hürriyet.
Erdoğan geht derweil davon aus, dass die unter Druck geratene Lira wieder auf ein vernünftiges Niveau klettert. Das Verbreiten von gegenteiligen Nachrichten käme ihmzufolge Verrat gleich. Sein Innenministerium erklärte am Montag, es habe Ermittlungen gegen 346 Accounts angeregt, die mit ihren Inhalten zum Verfall der Lira beigetragen hätten. Die Staatsanwaltschaft in Istanbul erklärte, sie habe Untersuchungen gegen jene eingeleitet, die mit ihren Aktionen die wirtschaftliche Stabilität bedroht hätten.
Ökonom hält die Krise für „hochgefährlich“
Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Clemens Fuest, hält die Türkei-Krise für „hochgefährlich“ und rät dem Land dazu, Hilfen beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zu beantragen. „Wir müssen uns massiv Sorgen machen“, kommentierte Fuest im Handelsblatt vom Montag den jüngsten Absturz der türkischen Lira. Fuest sprach von einer „klassischen Wirtschafts- und Währungskrise“. Die Ankündigung von US-Sanktionen gegen die Türkei, die seit Montagmorgen gelten, seien der „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“. Die Türken sollten nun um Hilfe beim IWF nachsuchen. „Die Europäer sollten diesen Weg unterstützen.“ Letztlich hält Fuest eine Zinserhöhung der Notenbank für das Richtige, die aber das Risiko einer Rezession mit sich bringe.
„Langfristig hilft der Türkei nur ein grundlegender Politikwechsel“, sagte Fuest. Es sei auch im Interesse der Europäer, einen wirtschaftlichen Absturz des Landes zu verhindern: „Die Türkei ist ein wichtiger Handelspartner.“ Zudem habe das Land eine große geopolitische Bedeutung. Theoretisch könnten die Europäer der Türkei auch mit Euro-Darlehen helfen und dafür Bedingungen formulieren. Angesichts der aktuellen Politik von Präsident Erdoğan wären solche europäische Hilfen aber wohl sehr unpopulär, räumte der Ifo-Chef ein.
Die türkische Regierung hat auch bereits Hilfen des IWF strikt abgelehnt. Dabei hatte Erdogan nach den Krisen Anfang der Nuller Jahre alle Sparmaßnahmen, die der IWF dem Land im Gegenzug für Hilfen auferlegt hatte, knallhart durchgezogen. Für Beobachter ein Grund für den Aufstieg des Schwellenlandes Türkei – und den Erfolg Erdogans: Im ersten Jahrzehnt der AKP-Herrschaft verdreifachte sich das Einkommen je Einwohner.
Die Wirkung der Türkei-Krise für Deutschland halten Experten für begrenzt: Das Problem sei „überschaubar“, sagte Fuest. Das ökonomische Gewicht der Türkei sei dann doch nicht so groß, als dass die dortige Krise eine Rezession in Deutschland oder Europa auslösen müsse. Andererseits verschärfe die dortige Entwicklung aber eine ohnehin schon schwierige Lage für die Weltwirtschaft, die schon durch die US-Strafzölle und den Brexit belastet sei. Auch in Europa sei die wirtschaftliche Lage fragil. Deshalb, so Fuest, sei eine Stabilisierung der Türkei „in unserem Interesse.“
(mit Reuters und AP)
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