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Streit um höhere Ukraine-HilfenDie Frage nach den zusätzlichen drei Milliarden

SPD und Grüne liegen bei Hilfen für die Ukraine über Kreuz. Anton Hofreiter wirft dem Kanzler vor, zusätzliche Zahlungen zu behindern.

Anton Hofreiter (Bündnis 90/die Grünen) fordert von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mehr Unterstützung für die Ukraine Foto: Bernd Elmenthaler/imago

Berlin taz | In der geschäftsführenden Regierung aus SPD und Grünen ist ein Streit über die Finanzierung zusätzlicher Ukrainehilfen ausgebrochen. Bundeskanzler Olaf Scholz wies Vorwürfe der Grünen zurück, wonach er weitere Rüstungslieferungen an das von Russland angegriffene Land behindere. Scholz sagte am Montag bei einer Wahlkampfveranstaltung in Bielefeld, wer meine, Deutschland solle seine Bemühungen ausweiten, müsse auch erklären, woher das Geld kommen solle. Zuvor hatte ihm der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter vorgeworfen, ein Rüstungspaket in Höhe von 3 Milliarden Euro zu blockieren.

„Es ist unverständlich, warum Scholz bislang ein Veto eingelegt hat“, sagte Hofreiter der taz. Er hoffe, der Kanzler werde seine Haltung in der Frage noch ändern. Nach Angaben des Grünen-Abgeordneten sei bereits ein „technischer Weg“ gefunden worden, um die zusätzlichen Ukrainehilfen in Höhe von 3 Milliarden Euro an die Ukraine bewilligen zu können.

Bei seiner Rede in Bielefeld sagte Scholz, es habe in der Ampelkoalition keine Mehrheit dafür gegeben, der Ukrai­ne 2025 zusätzlich 3 Milliarden Euro bereitzustellen. Der Bundeskanzler spielte damit auf einen ­Vorschlag an, den er im November als einen Grund für die Entlassung Christian Lindners (FDP) als Finanzminister genannt hatte: Nach Vorstellung der SPD sollten zusätzliche Mittel für die Ukraine aus einem Sonder-Schuldentopf bezahlt werden.

Diese Argumentation griff Scholz nun wieder auf. „Ich bin dagegen, dass wir es von den Renten holen. Ich bin dagegen, dass wir das mit Kürzungen bei den Gemeinden machen. Ich bin dagegen, dass wir weniger Geld in Straßen investieren“, sagte der SPD-Politiker zu dem Vorschlag der Grünen, dass die noch amtierende rot-grüne Minderheitsregierung nun zusätzlich 3 Milliarden Euro für Waffenhilfe für die Ukraine beschließen sollte. Deutschland sei ohnehin das Land in Europa, das am meisten für die Ukraine leiste, so Scholz.

Ein Luftabwehrsystem kommt im ersten Halbjahr

Hofreiter nannte diese Ausführungen des Kanzlers, dass für zusätzliche Ukrainehilfen an anderen Stellen gespart werden müsse, eine „Falschbehauptung“. Das Problem könne buchhalterisch gelöst werden. „Die 3 Milliarden Euro sind schon lange in der Debatte, die sind im vergangenen Jahr auch zusätzlich gewährt worden.“

Der Haushaltsentwurf der zerbrochenen Ampelkoalition hatte für 2025 vorgesehen, dass die Ukraine Militärhilfen im Umfang von 4 Milliarden Euro erhält. Auch der Kanzler hatte sich für eine Erhöhung dieses Betrags ausgesprochen, allerdings über die erwähnte Schuldenaufnahme – dies war am Widerstand der FDP gescheitert und die Koalition in der Folge zerbrochen.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters erhält die Ukraine unterdessen im ersten Halbjahr 2025 22 Kampfpanzer des Typs Leopard sowie ein Luftabwehrsystem Iris-T.

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14 Kommentare

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  • Warum stehen die Hofreiters der deutschen Politik und Sicherheitsexperten eigentlich nicht längst in voller Kampfmontur in 1. Linie an der Front und verteidigen Menschenleben und westliche Werte? Wissen sie, dass Krieg tödlich sein kann? Da kommt es ihnen gelegen, dass die UkrainerInnen für uns stellvertretend kämpfen und sterben, die Kosten für ihre Unterstützung auf die Allgemeinheit umgelegt und Vermögende und Besserverdienende nicht über Gebühr belastet werden.

    Im Moment ist es doch so, dass die Wahrscheinlichkeit irgendeines Friedensschluss steigt. Kiew deutet Bereitschaft zu Gebietsverlusten an und Trump wird sich, auch wenn er bereits die Möglichkeit seines Scheiterns angedeutet hat, als Dealmaker bestätigen wollen. Unseren Falken schwimmen die Felle davon und strategisch haben sie keinen wirklichen Plan. Russlands militärische Fähigkeiten wissen sie nicht einzuschätzen und wie der erste Krieg mit neuen Technologien wie Drohnen zu führen sei, wissen sie auch nicht.

  • 2022 zeigte sich sogar der bayerische MP Söder überrascht und irritiert ob Hofreiters Kurs als Vorreiter und Speerspitze. Ob er den Grünen einen Gefallen tut, hier erneut eine Lanze zu brechen, wird sich bald zeigen.



    n-tv.de 2022



    "Scharfmacherei betrieben einige Grünen in Bezug auf deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine, so die Überzeugung des CSU-Chefs Markus Söder. Er kritisiert insbesondere den Europaausschuss-Vorsitzenden des Bundestags, Anton Hofreiter. "Da wird sich bei Einzelnen regelrecht in eine kriegerische Eskalation hineingeredet", sagte der bayerische Ministerpräsident dem Magazin "Stern". "Anton Hofreiter war früher ein Ostermarschierer, und heute tritt er auf wie ein Repräsentant einer Rüstungsfirma. Das Einzige, was ihn noch unterscheidet von einem echten Militaristen, ist vielleicht der Haarschnitt." Diese neue Form von "Begeisterung für Waffen und Krieg" lasse viele Deutsche verunsichert zurück."

  • Scholz Weigerung mehr zu liefern, als ohnehin schon, wäre für mich der einzige Grund mal wieder die SPD zu wählen.

    Nach Habecks Dummheit heute ist Herr Hofreiter sowieso ziemlich egal für jegliche Funktion als Politiker.

  • Hofreiter hat recht, denn Scholz hat alles behindert von Anfang an. Das ging schon los mit den 5000 Helmen. Alles und jedes wurde verschleppt, verschlumpft, verschlampt für ⅓,½,¾,1, 1,5 Jahre! In Deutschland, der EU und auf NATO Ebene. Und immer war Scholz in der Mitte davon.

  • Nun, im Artikel kommt ein wichtiger Punkt. Wenn man das Geld in die Ukraine schickt, muss man es irgendwo her nehmen. Entweder Schulden aufnehmen oder irgendwo anders weniger Geld ausgeben. Und das wäre für die AfD so etwas wie die Steilvorlage. Aber das verstehen unsere Politiker nicht.



    Und, nebenbei: Was sollen die 3 Milliarden genau kaufen? Die Ukraine ist an drei Punkten (Prokrovsk, Toretsk und Chassiv Yar), dazu kommt der Vormarsch auf Lyman. Problem der Ukraine ist der Mangel an Soldaten. Was sollen die 3 Milliarden genau bewirken? Außer "Feel good" für das Grüne Milieu.

    • @Kartöfellchen:

      "Feel good für das Grüne Milieu"



      Das war ja mal absoluter Unsinn. Ist dir schon aufgefallen, dass der Vormarsch des unbesiegbaren Russischen Imperiums auf die Kleinstadt Prokrovsk schon seit Monaten läuft ? Das die Wirtschaft Russlands ernsthaft unter Druck steht?



      Aber gut, wenn wir die Ukraine hängen lassen schafft es Russland vielleicht noch seine Ziele zu erreichen. Und wenn endlich Frieden ist kann man den danach folgenden Völkermord an den Ukrainern leicht ignorieren, dafür muss man ja dann kein Geld geben.

  • Scholz profiliert sich auf den Gräbern der Ukrainer als "Friedenskanzler".

    • @PeterArt:

      Das die (ehemalige) SU komplette Verfügungsgewalt über die Satellitenstaaten hatte und mit denen machen konnte, was immer sie wollte, war Grundlage der SPD-Ostpolitik und ist ganz tief in der DNA der Partei verankert. Der nostalgieselige Flügel der SPD (Mützenich/Stegner/etc) ist hinter den Kulissen immer noch höchst einflussreich, wenn auch nicht mehr so medienpräsent wie noch vor wenigen Jahren. Keiner hat diese Position so klar ausgedrückt wie der immer noch hochverehrte Chefarchitekt der SPD-Ostpolitik, Egon "Solidarnosc ist eine Gefahr für den Weltfrieden" Bahr: Auf die Reporterfrage, ob die SU im Recht wäre, die aufkeimende Unruhe in Polen mit Gewalt niederzuschlagen, antwortete er nur mit einem Wort: "Selbstverständlich" - und tat das mit voller Rückendeckung der Parteiführung.

  • Woher sollen denn die 3 Milliarden kommen? Aus der Rentenversicherung? Aus den Rücklagen der Krankenkassen? Von den gespendeten Geld an die Grünen?

  • Kann Herr Hofreiter auch erklären, was er für die 3 Milliarden kaufen will und - besonders wichtig - ob überhaupt etwas lieferbar ist? Einfach mal etwas Geld auf den Tisch zu legen, ohne dass die Industrie überhaupt liefern kann, ist nichts als ein billiges Wahlkampfmanöver, um sich als Musterunterstützer der Ukraine aufzuspielen. Solche Maulhelden nützen aber dem Land nichts.

    Real ist das große Paket, das tatsächlich in diesem Halbjahr geliefert werden soll. Und es umfasst nicht nur sehr überschaubare Mengen an Panzern und Luftabwehr, sondern vor allem auch große Mengen an dringend benötigter Munition.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Dann denken sie mal nach. Wer sagt, dass es Waffen sind, oder Munition?



      Des weiteren ist jetzt gerade der Lynx von Rheinmeltall in der Ukraine angekommen, diese wird wohl Geld brauchen um diesen Schützenpanzer zu kaufen. Was dieses Geld wieder nach Dland zurückbringt.

      Olaf lügt oder vergisst, er ist ausgesprochen unaufrichtig, Cum Ex etc. und war wohl der schlechteste Kanzler den wir in dieser Situation bekommen konnten.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Man kann Granaten und Drohnen auf dem Weltkmarkt kaufen, im Zweifelsfall gibt es genügend Regierungen weltweit die BMP-1s und T-72 rumstehen haben die sie verkaufen. Im Krieg findet sich immer ein Zweck für Geld.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ja. Kann er und tut er.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ein wenig seltsam mutet dein Einwand schon an, was könnten die Ukrainer schon benötigen? Natürlich abgesehen von militärischem Gerät, Munition, Abwehrraketen, Arzneimitteln, Generatoren, Minenräumung, Geld für Verwundete, Krankenhäusern, Wiederaufbau?



      Und ein "Musterunterstützer" zu sein bringt ja gerade richtig viele Punkte. Ist dir schon aufgefallen, dass die Wähler der Grünen damit oft große Probleme haben, die Politiker es aber dennoch umsetzen?



      Im Gegensatz zu vielen anderen, welche immer noch der Meinung sind, dass man ja genug getan hätte und man sich am besten wieder an Russland anbiedern sollte. Oder die es wie Scholz als Dienst an der Vernunft sehen, wenn man ohne Plan halbherzig hilft.



      In der Ukraine ist Krieg. Jeden Tag sterben Menschen. Und die Leute hier jammern darüber, dass sie Geld zur Unterstützung geben sollen.