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Streit um den Tempelberg in JerusalemWer darf wann beten?

Ein Gericht erlaubt drei jüdischen Männern, auf dem Tempelberg zu beten. Das heizt den Konflikt zwischen Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen und Israelis an.

Gebetsort mit Konfliktpotenzial: Touristen vor der Al-Aqsa Moschee auf dem Tempelberg: Foto: Ammar Awad/reuters

Tel Aviv taz | Man könnte das Urteil eines Jerusalemer Amtsgericht über drei betende jüdisch-israelische Jugendliche als Lappalie betrachten. Doch stattdessen heizt es den Konflikt zwischen Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen und Israelis weiter an.

Am Sonntag hob das Gericht eine polizeiliche Anordnung auf, die drei jüdischen Teenagern den Zutritt zum Tempelberg verwehrt hatte, weil diese dort gebetet hatten.

Auf dem Tempelberg in der Altstadt Jerusalems stehen heute die Al Aqsa Moschee und der Felsendom – der Tempelberg gilt als drittheiligste Stätte des Islam und als heiligste des Judentums. Laut sogenanntem Status Quo, einer Abmachung zwischen Israel und der jordanischen Waqf-Behörde, die den Tempelberg verwaltet, dürfen Jüdinnen und Juden den Tempelberg zu bestimmten Zeiten betreten, jedoch nicht dort beten.

Das jordanische Außenministerium bezeichnete die Gerichtsentscheidung als einen „groben Verstoß gegen internationale Beschlüsse in Bezug auf Jerusalem.“

Treiber ist die messianisch motivierte „Tempelbewegung“

Die militante Organisation Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, bezeichnete die Entscheidung als „gefährliche Eskalation“, und ließ verlauten, dass die Entscheidung sämtliche rote Linien überschreite und mit Feuer spiele.

Viele Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen fürchten, dass Israel am Status Quo auf dem Tempelberg rütteln will. Von israelischer Polizei eskortierte Jüdinnen und Juden, die den Tempelberg besuchen und auch immer wieder dort beten, rufen zunehmend den Unmut der Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen hervor.

Vorangetrieben werden die Besuche von Jüdinnen und Juden auf dem Tempelberg vor allem von der messianisch motivierten Tempelbewegung, die in den letzten Jahren an Einfluss gewonnen hat und für einen Wiederaufbau des 70 n. Chr. zerstörten Tempels auf dem Gelände des Tempelbergs wirbt.

Jüdische Israelis, die für ungehinderten Zugang zum Tempelberg kämpfen, argumentieren mit der Freiheit zur Religionsausübung. Das Argument bringe viele Organisationen, die für die Einhaltung des Status Quo kämpfen, in Bedrängnis, erklärt Hagit Ofran von der NGO Peace Now. Es sei schwer, dagegen zu argumentieren. „Doch solange die Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen unter Besatzung leben“, betont Ofran: „ist die Forderung von jüdischer Seite, auch auf dem Tempelberg beten zu dürfen, keine unschuldige. Ihnen geht es nicht um die Freiheit zur Religionsausübung, sondern um Souveränität.“

Regierung Bennett will keine Änderung des Status Quo

Bisher haben sämtliche israelische Regierungen betont, keine Bestrebungen zu haben, den Status Quo zu verändern. Nach dem Gerichtsurteil ließ auch das Büro des Ministerpräsidenten Naftali Bennett verlauten, dass keine Änderung des Status Quo geplant sei: „Die Entscheidung des Amtsgerichts konzentriert sich ausschließlich auf die Frage des Verhaltens der Minderjährigen, die vor das Gericht gebracht wurden, und stellt keine umfassendere Entscheidung über die Freiheit der Religionsausübung auf dem Tempelberg dar.“ Die Staatsanwaltschaft werde in dem Strafverfahren Berufung beim Bezirksgericht einlegen.

Das Gerichtsurteil kommt einige Tage vor dem Jerusalem-Tag von Samstagabend bis Sonntagabend. Traditionellerweise ziehen an diesem israelischen Feiertag ultrazionistische Jüdinnen und Juden mit einem Flaggenmarsch durch die Altstadt Jerusalems und feiern die Eroberung Ostjerusalems im Sechstagekrieg 1967. Die Route führt für gewöhnlich auch durch das Ostjerusalemer Damaskus-Tor – für Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen eine Provokation.

Im vergangenen Jahr feuerte die Hamas während des Marsches Raketen auf Jerusalem ab, selbst nachdem die Behörden die Route im letzten Moment geändert hatten, um das Damaskustor zu umgehen. Es folgte ein elftägiger Krieg zwischen der Hamas und Israel.

In der vergangenen Woche gab der israelische Minister für Innere Sicherheit Omer Bar Lev grünes Licht für den diesjährigen Flaggenmarsch. Auch die Route durch den muslimischen Teil der Altstadt ist genehmigt.

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20 Kommentare

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  • Doch, wusste ich. In Israel 1.9% der Gesamtbevölkerung: www.domradio.de/ar...-statistikbuero-zu,



    in den palästinensischen Gebieten scheinen es 1.5% zu sein, und das sind schon Ein- und Ausheimische zusammengerechnet und quer durch die (christlichen) Konfessionen durch. So ein Häuflein kan "das Ding" ohnehin nicht stemmen und - jedenfalls bei der größten christlichen Gemeineschaft - ohne die Zentrale läuft da nix. Und wo die ist, das wissen Sie auch. Es ist wie beim 1. Kreuzzug 1095: www.geschichte-abi...ufruf-zum-kreuzzug



    die Zentrale gibt die Richtung vor. Und ob "das Ding" innerchristlich klappt? Also bei der Grabeskirche geht es unter den Konfessionen so deftig zur Schache: www.deutschlandfun...chluessel-100.html, dass der Schlüssel vorsichtshalber von einer muslimischen Familie verwaltet wird.

    • @Henriette Bimmelbahn:

      Sollte an Suryo, Montag, 07:55 gehen.

  • Hallo Frau Poppe:-)



    Die Entscheidung wurde übrigens wieder revidiert.



    www.ynetnews.com/article/hj7pty3d9



    Da hat die "messianisch motivierte Tempelbewegung" mitsamts ihrem "wachsenden Einfluss" wohl irgendwie gepennt.

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    Wenn das so weitergeht...

    ...der "islamische" und der "jüdische" Gott schlagen sicher schon jeder die Hände über dem Kopf zusammen.



    Und Buddha?



    Der fragt sich wahrscheinlich, warum noch der hinduistische Elefantengott Ganesha, Affengott Hanuman oder der Schöpfergott Brahma...

    Unfassbar, was auf diesem Planeten vor sich geht. Glaube doch jede:r, was er/sie/div. möge(n).

  • Dass Muslime und Juden nicht gemeinsam auf dem Tempelberg beten können ist im historischen Kontext zu beurteilen. Insoweit beginnd die Zeitrechnung des speziellen kognitiven Modells der Deutschen über den Nahostkonflikt ab 1948.



    Gehen wir aber in die Geschichte zurück, so lesen wir bei Mallmann und Cüppers was vor 1945 geschah..etwa aus -Halbmond und Hakenkreuz -Seite 157:



    Zitat:



    "In Palästina schien die Begeisterung für den Nationalsozialismus und die Freude über den Vormarsch Rommels ebenfalls ungebrochen. Verbreitet grüßte man sich auf den Straßen mit "Heil Hitler", und in einem Bericht Schellenbergs zur dortigen Lage heißt es: "Die außergewöhnlich deutschfreundliche Stimmung der Araber ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß man hofft, daß Hitler kommen möge, um die Juden zu vertreiben. Der Generalfeldmarschal Rommel ist zu einer legendären Persönlichkeit geworden. So kommt es, daß alle Araber heute den Einmarsch der Deutschen ersehnen und immer wieder fragen, wann die Deutschen denn kämen und geradezu unglücklich darüber sind, daß sie keine Waffen haben".



    Zitat Ende



    Bedenken wir, was geschehen wäre hätte Rommel seinen Vormarsch erfolgreich beenden können. Ein Kommando Walter Rauf's stand im Juli 1942 in Athen bereit, in Palästina das zu tun, was bereits in Polen in vollem Gange war.



    Hier unter "Einsatzkommando Nordafrika" nachzulesen:



    de.wikipedia.org/wiki/Walther_Rauff



    Dieser historische Kontext wird im kognitiven Modell der Deutschen, was die Situation in Middle East angeht völlig ausgeblendet.



    Hier das Buch:



    www.wbg-wissenverb...ond-und-hakenkreuz

  • Gebt das Ding doch einfach den Christen. Die haben historisch gesehen sowieso die längste Zeit der Existenz von Jerusalem dessen Bevölkerungsmehrheit gestellt.

    • @Suryo:

      Ist immer interessant, Ihre Kommentare zu lesen!

    • @Suryo:

      Das stimmt historisch gesehen zwar nicht, trotzdem hat Ihr Kommentar was Erfrischendes. So schön offen und unverstellt!



      Tatsächlich versucht das mehrheitlich christliche Europa - unter dem Vorwand der Solidrität mit den Palästinensern - nicht nur Jerusalem, sondern auch den Rest der jüdischen Eigenstaatlichkeit zu demontieren, und zwar nicht erst jetzt, sondern seit sie besteht.

      • @Henriette Bimmelbahn:

        Sie haben es auf den Punkt gebracht!

      • @Henriette Bimmelbahn:

        Sie haben es auf den Punkt gebracht!

        • @Günter:

          :-) Geschichtsinteressierte Menschen , wie Suryo, seinen daran erinnert, dass das letzte Mal, als aus Europa dazu aufgerufen wurde Jerusalem zu christianisieren, die europäischen Christenmenschen sich nicht gerade völkerrechtskonform - hätte es das damals schon gegeben - verhalten haben.



          Die frommen Christen wateten knöcheltief in Blut, und zwar in muslimischen und in jüdischen.

          • @Henriette Bimmelbahn:

            Ihnen scheint nicht bekannt zu sein, dass es durchaus auch einheimische Christen in Israel und Palästina gibt.

            • @Suryo:

              Was verstehen Sie unter "einheimisch"? 2 Jahre dort, wo man lebt seinen Wohnsitz habend? Dort, wo man lebt geboren sein? Die Eltern dort, wo man lebt geboren? Spielt die ethnische Zugehörigkeit dabei eine Rolle, oder nicht?

              • @Henriette Bimmelbahn:

                Sie wissen doch genau, was ich meine.

                Christ ist nicht gleich Europäer.

                • @Suryo:

                  Nein, ganz ehrlich, ich weiss nicht was Sie meinen. Die Frage wie Identität und Zugehörigkeit definiert wird, ist grundlegend.

                  • @Henriette Bimmelbahn:

                    Geschwurbel.

                    Gebt den Tempelberg den arabischen und israelischen Christen. Die gibt es nämlich. Wussten Sie das nicht?

  • Hier fehlt leider der Hinweis, dass Ost-Jerusalem (inkl. Tempelberg) 1967 von Israel besetzt und seit 1950 annektiert wurde - beides Verletzungen internationalen Rechts. Der UN Sicherheitsrat hat die Annexion mehrfach verurteilt.

    • @tmenge:

      Dann fehlt genauso der Hinweis auf die brutale Eroberung des jüdischen Viertels von Jerusalem und die Vertreibung aller seiner Einwohner durch jordanische Truppen 1948, nicht wahr?

      • @Markus Wendt:

        "Historischer Kontext" ist das, was Bildungsmenschen berücksichtigen. 1948 haben jordanische Truppen ca. 10.000 Juden aus ihren Häusern vertrieben, während die zionistischen Staatsgründer ca. 750.000 Juden aus ihren Häusern aus Ostjerusalem vertrieben haben (Wiki: "1947–1949 Palestine war - Demographic consequences) . Das wäre im zusammenhang zu erwähnen.

        TMENGE hat sich offenbar im Jahr geirrt und spricht von dem Israelischen Eroberungskrieg 67, der in der bei Youtube abrufbaren Doku "Sechs Tage Krieg - Krieg und Okkupation" sehr ausführlich und authentisch Dokumentiert ist. Auch wie die Annektionsverbrechen durchgeführt worden sind.

  • Wer verstehen will, worum es hier geht, sollte im Netz nach dem üblichen Ausruf auf den Märschen dieser jüd. Israelische Nationalisten "dea to Arabs" im Netz suchen.