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Streit um das DeutschlandticketDas Pokerspiel der Länder

Ende Juni wird auf auf einem Krisengipfel über die Finanzierung des Deutschlandtickets verhandelt. Berlin, Brandenburg und Bayern drohen mit dem Aus.

Steht unter Spannung: Fahren mit dem Deutschlandticket Foto: Jürgen Ritter/IMAGO

Berlin taz | Nun also auch Kai Wegner. „Wenn der Bund etwas bestellt, muss er für einen Ausgleich sorgen“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister von der CDU am Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus. „Ansonsten werden die Länder das so einfach nicht mehr leisten können, auch wenn sie wollen.“

Das Deutschlandticket ist wieder Thema zwischen Bund und Ländern, und allem Anschein nach steht es wieder auf der Kippe. Schon vor seiner Kritik im Berliner Landesparlament war Wegner auf Distanz gegangen: „Gut gemeint, aber teuer für den Bund und die Länder“, nannte er das Deutschlandticket im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Es klingt wie ein Abgesang. Aber ist die Fortführung des von 13,5 Millionen Fahrgästen genutzten Tickets bis 2029 nicht sogar im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD festgehalten? Die Antwort klingt ein bisschen wie früher Radio Eriwan. Im Prinzip ja. Aber eben auch nur im Prinzip.

Denn finanziert sind die Zuwendungen des Bundes in Höhe von 1,5 Milliarden Euro nur für dieses Jahr. Den gleichen Betrag müssen dann noch einmal die Länder beisteuern. Und bei denen scheinen einige inzwischen aus der Reihe zu scheren.

Beispiel Bayern. „Es bleibt abzuwarten, ob alle Länder an Bord bleiben“, unkte zuletzt der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). In einem Schreiben an den Bundesverkehrsminister warnte Bernreiter vor einem vorzeitigen Ende des 58 Euro teuren Tickets, bei dem gilt: Freie Fahrt mit dem Regionalverkehr in ganz Deutschland.

Bernreiter ist derzeit Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz und bereitet einen Krisengipfel mit seinen Kolleginnen und Kollegen Ende Juni vor. Spätestens dann, ist zu hören, muss sich der Bund bewegen. Denn die Kosten für die einzelnen Verkehrsgesellschaften steigen. Drei Milliarden Euro kostet das Ticket den Bund und die Länder 2025. Wer aber zahlt, wenn die Finanzierung des Deutschlandtickets teurer wird?

Brandenburg spart beim Regionalverkehr

Ein Beispiel dafür, wie eng die Budgets sind, ist derzeit in Brandenburg zu beobachten. Dort hat BSW-Verkehrsminister Detlef Tabbert angekündigt, ab dem Fahrplanwechsel im Dezember Tagesrandverbindungen zu streichen, wenn weniger als 10 Personen im Zug sitzen. Im Entwurf für den Doppelhaushalt 2025/26 sollen so 49 Millionen Euro in den kommenden zehn Jahren eingespart werden.

Ohne eine deutliche und dauerhafte finanzielle Zusage des Bundes sei das Ticket nicht zu halten, sagte Tabbert am Dienstag dem Tagesspiegel: „Der Bund muss jetzt seiner Verantwortung gerecht werden und künftig vorrangig die Finanzierung übernehmen, damit das Deutschlandticket eine Zukunft hat und die Länder nicht mit den steigenden Kosten alleinlässt.“

Bereits im Februar hatte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmer (VDV) eine Lücke in der Finanzierung prognostiziert. „Die von Bund und Ländern jährlich zur Verfügung gestellten drei Milliarden Euro werden dauerhaft nicht ausreichen, um den Verlust der Branche auszugleichen“, so VDV-Präsident Ingo Wortmann.

Die Lage vieler Verkehrsunternehmen, so Wortmann, sei angespannt. Vor allem die Steigerung der Personalkosten und der Wegfall aus Einnahmen anderer Tarife machten ihnen zu schaffen. „Für eine langfristige Finanzierung des Deutschlandtickets“, so der VDV-Chef, „braucht es verbindlich zugesagte Mittel von Bund und Ländern in ausreichender Höhe und inklusive einer jährlichen Dynamisierung, damit das Ticket für die Fahrgäste preislich attraktiv bleiben kann.“

Wenn sich Bund und Länder die Kosten weiter teilen, müssen also beide eine Schippe drauflegen. Gut möglich, dass die Drohungen aus Berlin, Bayern und Brandenburg zum Pokerspiel der Länder gehören, den Bund zu einem langfristigen Bekenntnis zum Deutschlandticket zu bewegen, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht. Dann, so der VDV würden auch viele Betriebe das Ticket als Job-Ticket anbieten und die angestrebte Nutzerzahl von 15 Millionen erreicht werden.

Aber auch der Bund pokert. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) forderte die Länder auf, sich untereinander zu einigen und sich ebenfalls zum Deutschlandticket zu bekennen. Ein Bekenntnis klingt anders.

Der grüne Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag Tarek Al-Wazir forderte vor der Krisensitzung, die voraussichtlich am 27. Juni stattfindet, den Verkehrsminister auf, das Ticket zukunftssicher zu machen. Es müsse jetzt „schnell Klarheit über die dauerhafte Finanzierung hergestellt werden“.

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9 Kommentare

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  • Eine gute Gelegenheit, das Deutschlandticket durch etwas Sinnvolleres zu ersetzen. Ein im ganzen Land einheitlich gestaltetes Ticket, das für ein Tarifgebiet und alle angrenzenden Tarifgebiete im Nahverkehr gilt. Dieses würde den größten Teil der Fahrten abdecken, für die der Nahverkehr gedacht ist. Fahrten mit dem Nahverkehr queer durch Deutschland zu subventionieren, ist widersinnig. Für solche Fahrten ist der Fernverkehr gedacht. Und natürlich wäre es schön, wenn man sich dafür dann auch noch günstige Möglichkeiten einfallen lässt.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Wer ohne Auto bundesweit reist, tut das oft in einer Verbindung von Fern- und Nahverkehr. Das Deutschlandticket ist gerade deshalb so attraktiv, weil damit der Nahverkehr aller Regionen genutzt werden kann, ohne dass man sich mit den jeweiligen Tarifen auseinandersetzen muss incl. des Risikos des unbeabsichtigten Schwarzfahrens, wenn das "fremde" Tarifsystem nicht richtig durchschaut wird.



      Das ergibt im Übrigen auch ein erhebliches Sparpotenzial durch weniger erforderliche Fahrkartenkontrollen.



      Diesen Komfort würde ich ungern missen wollen, wäre allerdings auch bereit, mehr als aktuell dafür zu zahlen.

      • @Life is Life:

        Wenn man ein Ticket im Fernverkehr bucht, ist das Nahverkehrsticket für die letzten Kilometer mit dabei, wenn man das in der App richtig eingibt 😉

        Darin, dass die verschiedenen Tarifsysteme in Deutschland vereinheitlicht gehören, sind wir uns einig.

  • Tut es wirklich Not, dass dieses Theater alle sechs Monate wieder aufgekocht wird?

    Das Deutschlandticket ist SUPER — Meiner Meinung nach sollen sich die Verkehrbetriebe endlich dazu bekennen und mal Butter bei die Fische packen, statt immer nur „Finanzierung, Finanzierung“ zu heulen.







    Mein Vorschlag: 3 Euro für einen Tag, 19 Euro für eine Woche, 39 Euro für einen Monat. Alle anderen Tickets, Tarife und Tarifgebiete (sowie die an deren Verwaltung hängende Bürokratie) abschaffen und dann den ÖPVN ordentlich ausbauen, sodass jede*r ihn nutzen kann.

    Es gibt genügend Vorschläge, wie das finanziell sinnvoll umgesetzt werden könnte — von Vermögenssteuer über Abschaffen der Förderung der Autoindustrie (die könnten doch sicher auch Busse bauen, oder?) bis hin zur Dienstwagensubventionierung.

  • "Kai Wegner. „Wenn der Bund etwas bestellt, muss er für einen Ausgleich sorgen“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister"



    Recht hat er. Diese irrwitzige Idee Mobilität müsste möglichst billig sein, so lange sie nicht individuell stattfindet...



    In Berlin kostete vor dem Deutschlandticket die Monatskarte 80€, mit Außenstadtbereich gar 100€.



    Die Bahnen waren trotzdem rappelvoll.



    Und die Berliner Verkehrsbetriebe machten dennoch keine Gewinne.



    Sozial- und Azubitickets gab es ja trotzdem, bevor jetzt wieder einer mit dem sozialen Ausgleich kommt...



    Sowieso: beim Flugverkehr wird von links gepredigt, man solle des Klima wegen verzichten - aber bei der Bahn soll dann jedem deutschlandweite Mobilität quasi umsonst ermöglicht werden?🤨



    Ja natürlich stößt eine Bahnfahrt wesentlich weniger Emissionen aus, trotzdem fallen auch da Emissionen an.



    Plus Emissionen beim Bau von Schienen, Zügen, Bahnhöfen, Wartung, etc...



    Wenn man bei Fernreisen argumentiert, dass diese unnötig seien, dann verstehe ich nicht, warum finanziell Schwache aber in jeden Winkel der Republik reisen können müssen, weil das soziale Teilhabe ist.



    Inland ist soziale Teilhabe, Ausland ist Umweltsau.



    Für mich unlogisch 🤷‍♂️

  • Das Deutschland-Ticket war die beste Idee der Ampel, und es wurde von dieser auch gut umgesetzt. Schade, wenn es wieder verschwinden würde.

  • Das war ja zu erwarten, dass das Deutschlandticket trotz Versprechen durch die Politik wohl schon lange vor 2029 erledigt hat.

    Dann pendeln endlich alle wieder mit dem Auto, denn das ist es, was die CSU und so einige andere eben wollen.

    Ganz egal, ob die Städte im Autowahnsinn versinken und die Autobahnen zu Parkplätzen werden. Dann wird eben überall noch eine Spur mehr drangebaut.

    Die Bahn wird es dann über kurz oder lang nicht mehr geben in der jetzigen Form. Braucht ja niemand, den Verbrennerfahren ist eh viel schöner.

  • Wenn es eine Regelung gibt, sollte man sie nutzen: lasst die unwilligen Länder einfach außen vor. Dort kann man kein Deutschlandticket kaufen und dort gelten sie auch nicht. Schnell wird dort ein Aufstand der Leute entstehen und die jeweiligen Landesregierungen an ihren Auftrag erinnern für den sie gewählt wurden...

    • @Perkele:

      Sehe auch so. Und konsequent diese Länder meiden als Urlaubsziel