Streit um autofreie City in Hannover: Innenstadt-Drama, nächster Akt

In Hannover dreht der Kulturkampf ums Auto eine weitere Runde um den Block. Komplexe Probleme löst man so nicht, aber das will jawohl auch keiner.

Auf einem Verkehrsschild stehen die Worte "Share Space" und Symbole für Auto, Radfahrer und Fußgänger, die jeweils durch ein Herzchen getrennt, nebeneinander stehen.

Ach, wenn es doch so einfach wäre. In vielen Innenstädten wird um den Platz eher gekämpft Foto: Friso Gentsch/dpa

Am Ende reden wir doch wieder nur über Parkplätze. Etwas mehr als eine Woche ist es her, dass SPD, CDU und FDP mit großem Tamtam ihr gemeinsames Konzept für die Innenstadt vorgelegt haben. Angepriesen wurde der Forderungskatalog aus 79 Punkten als „ganzheitlicher Ansatz“, der „den Bedürfnissen weiter Teile der Bevölkerung gerecht werde“.

Und worüber wird am Ende geredet? Über genau zwei Punkte: den „Erhalt der rund 4.000 Parkplätze innerhalb des Cityrings“ und „kostenloses Parken in der Innenstadt ab 18 Uhr“. Glaubt wirklich irgendjemand, dass es die kränkelnde Innenstadt beleben wird, wenn die Leute dort künftig schon um 18 Uhr kostenlos parken dürfen statt wie bisher ab 20 Uhr?

Natürlich nicht. Es geht um den symbolischen Widerstand gegen die grüne Forderung, man möge sein Gefährt doch bitte schön im Parkhaus abstellen, um mehr Platz zu schaffen für Fußgänger, Radfahrer, Grün und Aufenthaltsqualität. Letzteres will die konservative Mehrheitsfraktion (zu der man die SPD nun halt zählen muss) ja auch. Aber bitte nur da, wo es keinem Autofahrer weh tut – in der geringfügig erweiterten Fußgängerzone.

Ansonsten enthält das große, umfassende Konzept nichts, was nicht schon im integrierten Innenstadtkonzept der Stadt von vor zwei Jahren gestanden hätte: Man wünscht sich einen neuen Nutzungsmix aus Wohnen und Arbeiten und Wissenschaft und Kultur anstelle der öden Shoppingmeile.

Was ist denn eigentlich die Gegenvision?

Aber – und das ist natürlich ein Teil des Problem – den kann man halt nicht einmal fix politisch beschließen und diktieren. Der hängt an Eigentümern und Investoren, die sich oft nicht sonderlich für Hannover interessieren. Da voranzukommen ist ein zähes Geschäft aus Locken und Werben, Bitten und Betteln und bessere Rahmenbedingungen schaffen.

In den Visionen des grünen Oberbürgermeisters Belit Onay hätten diese Rahmenbedingungen natürlich darin bestanden, den großen Wurf zu wagen und Hannover dann als Kopenhagen oder Paris oder Barcelona Norddeutschlands vermarkten zu können, als topmoderne, lässige, klimawandelresistente Stadt.

Stattdessen verheddert man sich im kleinlichen Gezänk um ein paar Parkplätze mehr oder weniger, ein bisschen öde Fußgängerzone mehr oder weniger. Und was ist denn nun eigentlich die Gegenvision? So etwas wie: Kommen Sie her, siedeln Sie sich hier an, hier sieht es aus wie überall sonst, wir haben leere Warenhäuser und mit etwas Glück finden Sie auch einen Parkplatz?

In Wirklichkeit ist es ja so, dass nicht einmal Autofahrer ein Interesse daran haben, mehr Autos in die Innenstadt zu locken. Dann fließt der Verkehr nur noch zähflüssiger, wird die Parkplatzsuche noch mühseliger.

Wie wäre es, Häuserzeilen wegzusprengen?

Jeder Autofahrer, der bis drei zählen kann, müsste ein vitales Interesse daran haben, dass andere bitte schön möglichst mit Öffis oder dem Rad oder zu Fuß unterwegs sind. Es ist nun einmal nicht unendlich viel Platz da, in so einer Stadt. Es sei denn, wir fangen an, Häuserzeilen wegzusprengen, um Platz für Straßen und Parkplätze zu schaffen wie Mitte der 50erJahre.

Möglicherweise haben SPD, CDU und FDP die Innenstadt einfach schon aufgegeben. Es ist ja irgendwie auch logisch, dass sie Politik für die machen, die sie noch wählen: Die Speckgürtelbewohner, die möchten, dass sich möglichst wenig ändert.

Und natürlich ist auf beiden Seiten die Versuchung groß, sich auf den Kulturkampf ums Auto zu konzentrieren – der ist überschaubar, simpel, führt zu nichts, mobilisiert aber zuverlässig die eigene Anhängerschaft.

Am Ende bekommt jeder das, was der Deutsche am liebsten hat: Grund zu meckern. Die einen darüber, dass in diesem Land nichts vorangeht. Die anderen darüber, dass alles immer schlechter wird. Alles wie immer. Vielleicht ist doch nichts doofer als Hannover.

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