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Streit um Straßenumbenennung„Afrika“ kommt nicht zur Ruhe

Debatte über Straßenumbenennungen im Afrikanischen Viertel kocht wieder hoch, Geschäftsleute haben ihr Veto eingelegt – die Stadträtin ist überrascht.

Diese Straßenschilder werden ausgewechselt – früher oder später Foto: Jürgen Ritter

Wieder einmal ist das Afrikanische Viertel in aller Munde. Anfang Januar ging beim Bezirksamt von Mitte der Sammelwiderspruch von mehr als 200 Gewerbetreibenden gegen die Umbenennung dreier Straßen ein. Seither wird in Wedding wieder hitzig diskutiert – über das Verfahren, die neuen Namen, was demokratisch ist, was sinnvoll, was nicht. Die zuständige Bezirksstadträtin Sabine Weißler (Grüne) zeigt sich gegenüber der taz überrascht: „Ich hätte gedacht, dass das Thema langsam durch ist.“

Tatsächlich schien die Sache erledigt: Nach Jahren der Debatte über Straßennamen mit einem ehrenden Kolonialbezug hatten Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte und Bezirksamt im April beschlossen, die Lüderitzstraße in Cornelius-Fredericks-Straße umzubenennen, den Nachtigalplatz in Bell-Platz, die Petersallee in einem Teilstück in Anna-Mungunda-Allee und in einem anderen in Maji-Maji-Allee.

Die neuen Namen waren in einem zweistufigen Verfahren gefunden worden. Zunächst hatte eine mehrheitlich mit People of Colour besetzte Jury aus knapp 200 Vorschlägen der Bevölkerung sechs ausgewählt. Weil es jedoch scharfe Kritik an einem der Namen gab – Königin Ana Nzinga war sowohl antikoloniale Kämpferin als auch Sklavenhändlerin gewesen –, startete der Bezirk das Verfahren neu und ließ die Namensvorschläge durch von den Fraktionen benannte Experten beurteilen.

Doch auch ein Dreivierteljahr nach der Namensentscheidung sind die Schilder noch nicht aufgehängt. Dies gehe erst, erklärt Weißler, wenn alle Widersprüche von BürgerInnen beschieden und mögliche Klagen abgewendet sind. Die Frist für die Anna-Mungunda- respektive Maji-Maji-Allee endete am 6. Januar. Die Frist für die Cornelius-Fredericks-Straße am 11. Januar. Der Name sei zuerst falsch geschrieben worden, so Weißler, daher habe der Beschluss neu gefasst werden müssen. Für den Bell-Platz gibt es noch keine Frist. Der Bezirk habe den Namen nach einem Einspruch der Feuerwehr im Oktober noch mal ändern müssen in Manga-Bell-Platz, sagt die Stadträtin, dies sei aber noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht worden.

„Es geht uns um Mitbestimmung“

Organisiert hat den Sammelwiderspruch der Geschäftsleute Magdalena Sokolowska, die in der Noch-Lüderitzstraße ein Büro für „Büroservice und Versicherungen“ betreibt. Sie ärgert nicht nur der „große, unnötige finanzielle Aufwand“, wie es im Widerspruch heißt, den Gewerbetreibende durch die Umbenennung hätten. „Es geht uns um Mitbestimmung und ein demokratisches Verfahren“, sagte sie der taz. Sie seien als Geschäftsleute über den Umbenennungsprozess weder informiert noch – anders als die AnwohnerInnen – zu Namensvorschlägen aufgefordert worden. Begründung des Bezirks: Man sei als Gewerbetreibender nicht polizeilich dort gemeldet. „Dabei zahlen wir die meisten Steuern! Das ist eine Lücke im Gesetz“, erregt sich Sokolowska.

Ihr Vorschlag, den sie im Widerspruch formuliert hat: Man solle doch die alten Namen behalten, aber umwidmen, wie es zuvor bereits die Bürgerinitiative Pro Afrikanisches Viertel – und mit ihr die CDU – vorgeschlagen hatte. Dass für diese Idee jetzt 214 Gewerbeleute im Kiez vom kleinen Blumenladen bis zum Edeka unterschrieben haben, „hat mich selbst überrascht“.

Die neuen Namensgeber

Der Manga-Bell-Platz wird benannt nach einem König der Duala im heutigen Kamerun, der gegen die deutsche Kolonialmacht kämpfte.

Namenspatron der Cornelius-Fredericks-Straße ist der 1907 in einem Konzentrationslager in „Deutsch-Südwest“ (heute Namibia) ermordete Anführer des Widerstands des Nama-Volks.

Anna Mungunda (1932–1959) gilt in Namibia als Heldin. Sie war eine Herero, die die Unabhängigkeitsbewegung gegen Südafrika unterstützte, und wurde bei einer Demonstration von der Polizei erschossen.

Der Maji-Maji-Aufstand 1905–1907 war eine Erhebung verschiedener Ethnien in „Deutsch-Ostafrika“ (heute größtenteils Tansania) gegen die deutsche Kolonialherrschaft. Seine brutale Niederschlagung soll bis zu 300.000 Leben gekostet haben. (sum)

Den Vorwurf der mangelnden Mitbestimmung und Geheimniskrämerei weist Stadträtin Weißler allerdings weit von sich. Es habe sogar ein Gewerbetreibender in der Jury gesessen, erwidert sie. „Und von wegen Intransparenz: Schauen Sie auf unsere Webseite! Da steht alles akribisch drin!“ Alle BVV-Beschlüsse seien öffentlich diskutiert und entschieden, die Anlieger alle angeschrieben und informiert worden.

Demokratisch sei der Prozess ebenso legitimiert, sagt die Grünen-Politikerin: Der Beschluss, in dem die BVV ihren grundsätzlichen Willen zur Umbenennung bekundet hatte, sei ja schon vor der Bezirks- und Abgeordnetenhauswahl 2016 gefallen. „Und Linke und Grüne, die dafür waren, haben im Afrikanischen Viertel sogar einen Stimmenzuwachs bekommen.“

Nur knapp 20 Vorschläge aus der Gegend

Ich hätte gedacht, dass das Thema langsam durch ist

Bezirksstadträtin Sabine Weißler

Karina Filusch, Sprecherin der Bürgerinitiative Pro Afrikanisches Viertel, findet, „so demokratisch“ sei der Prozess nun auch nicht gewesen. Nach ihrer Ansicht gab es seitens der „Schildstürmer“, wie sie die Umbenennungsbefürworter nennt, einen durchaus „ruppigen Umgangston mit Anwohnern und Einheimischen, etwa den Gewerbetreibenden, zum Wohle ortsfremder Interessen“.

Als Beleg für Letzteres sagt Filusch, dass von den 196 Namensvorschlägen nur knapp 20 von AnwohnerInnen aus der Gegend gekommen seien, wie eine Einwohneranfrage ans Licht gebracht habe. Die anderen Vorschläge seien „aus der ganzen Welt“ gekommen. Auch wisse sie von AnwohnerInnen, die keine Informationspost vom Bezirk bekommen hätten. Last but not least kritisiert Filusch, die nun beschlossenen Namen seien schlicht „nicht gut“. Man hätte „moderne afrikanische Demokraten“ wie Nelson Mandela nehmen sollen statt Könige wie Manga Bell. Und wenn schon nicht dies, dann sei eine Umwidmung der alten Namen immer noch der bessere Kompromiss.

Wie geht es nun weiter? Filusch hofft noch immer, „dass die Politiker sich entschul­digen und das Verfahren auf Anfang stellen“. Für Weißler kommt das offenkundig nicht infrage. Allerdings, sagt sie, könne es wegen möglicher Klagen noch Jahre dauern, bis die neuen Straßennamen Wirklichkeit werden.

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5 Kommentare

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  • Hier der gefundene Bremer Kompromiss mit Zusatzschild:

    Ungeliebte Straßennamen mit NS- und kolonialer ... - buten un binnen

    www.butenunbinnen....gangenheit100.html

    Video zu "buten und binnen, 15. maerz 2018, lüderitzstrasse"▶ 3:55

  • Ich bin auch für eine kritische Aufarbeitung der Kolonialgeschichte. Teil dieser Geschichte ist aber auch, das kolonialistische Straßennamen entstanden. Diese sollen jetzt scheinbar "ausradiert" werden.

    Können nicht die Namen behalten werden, aber Gedenktafeln o.ä. an die Straßenschilder angebracht werden? Ein oder mehrere Denkmäler an prominenten Orten im afrikanischen Viertel wären sicher auch eine gute Ergänzung.

  • „Ich hätte gedacht, dass das Thema langsam durch ist.“

    Hat die Dame von den Grünen das wirklich gesagt ?

    So ähnlich hat einst Franz-Josef Strauß bei den Protesten gegen die WAA Wackersdorf geklungen. Es ist schon erstaunlich, wie sich das Bewußtsein von Politikern ändert, wenn sie selbst meinen, die Macht für vermeintliche Machtworte zu haben.

    • @Don Geraldo:

      Genau: "Ich dachte das Thema sei durch !"(Frau Weissler ) Wenn man nicht weiß, wie der Kiez tickt, dann gibt man sich solchen Illusionen hin, wie Frau Weissler ! Wenn Gewerbe und Geschäfte von Anfang an ausgeschlossen werden, dann muss man sich nicht wundern- wenn so ein Massenwiderspruch kommt! Und das sind rund 90% aller Gewerbe - und Geschäftsleute aus dem gesamten Afrikanischen Viertel. Ach ja,das sind die, die das Viertel am Laufen halten, , mit Leben erfüllen , Steuern zahlen und für die hier lebenden Menschen erst lebenswert machen ! Die Aussage:" es wäre ja 1 Gewerbetreibender in der Jury gewesen !" Einer als "Alibi" -den aber keiner der Geschäftsleute kennt oder der sich nie bei denen vorgestellt hat. Die Widerspruchfrist gegen die Lüderitzstrassenumbenennung geht noch bis 11. Februar 2019...

  • Die Stadträtin ist überrascht? Hinter welchem Mond hat sie sich denn die letzte Zeuit aufgehalten?

    Nach den ganzen Pannen im Verfahren war klar, dass es einen Widerspruch geben wird.

    Offenbar hat die Stadträtin ihr Ohr nicht am Puls des Stadtteils.

    Und offenbar ist es ihr nicht gelungen, die Menschen vor Ort mitzunehmen.

    Es gab immerhin 20 Vorschläge von Anwohnern. Daraus hätte sich vermutlich was machen lassen. Statt den Geltungsdrang von Berufsaktivisten zu bedienen, hätte man vor allem Anwohner einbinden können. Im Viertel hätte es genug Anwohner of Colour gegeben. Auch viele Afrikaner wohnen vor Ort.

    "Es habe sogar ein Gewerbetreibender in der Jury gesessen." - hört sich nach Feigenblatt an.

    Ich stelle mir vor, ich würde in der Maji-Maji-Allee wohnen und müsste den Namen meiner Straße erklären:"Maji Maji bedeutet Zauberwasser, das unverwundbar machen soll und das Widerstandskämpfer in Ostafrika gegen die deutsche Kolonialherrschaft benutzt haben."

    Wahrscheinlich wird zu rund 80 % sinngemäß die Antwort sein:"Oh Gott, und nach solchem Hokuspokus ist Ihre Straße benannt?"

    Die Tatsache, dass Maji Maji bis heute von brutalen Rebellgruppen in der Region benutzt wird, z. B. um Kindersoldaten gefügig zu machen, würde ich weglassen. Das wäre mir zu peinlich.

    Wenn in dem Straßennamen wenigstens deutlich würde, dass es um den Aufstand geht, und nicht um das Zauberwasser als solches...