Dekolonisierung von Straßennamen Berlin: Kampf gegen das Vergessen

Eine nach Kolonialverbrechern benannte Straße und ein Platz im „Afrikanischen Viertel“ erinnern nun an den damaligen Widerstand.

König Jean-Yves Eboumbou Douala Bell (r) bei der Straßenumbenennung im Afrikanischen Viertel.

König Jean-Yves Eboumbou Douala Bell (r) bei der Straßenumbenennung im Afrikanischen Viertel Foto: dpa

BERLIN taz | Seit Freitag tragen ein Platz und eine Straße im Afrikanischen Viertel im Bezirk Wedding nicht länger die Namen zweier Kolonialverbrecher. Die feierliche Einweihung des Manga-Bell-Platzes und der Cornelius-Fredericks-Straße, ehemals Nachtigalplatz und Lüderitzstraße, wird begleitet durch die Botschafter Kameruns und Namibias sowie König Jean-Yves Eboumbou Duala Bell, ein Nachfahre des Königspaares Manga Bell.

Dass der 2. Dezember als Internationaler Tag zur Abschaffung der Sklaverei als Datum gewählt wurde, ist dem Einsatz von Initiativen und Communities zu verdanken. Trotz des kalten Wetters warten einige Menschen gespannt auf die Enthüllung des neuen Straßenschildes am Manga-Bell-Platz, das durch ein traditionell gefärbtes buntes Tuch zunächst noch verhüllt ist.

Eine Hymne zu Ehren der Familie Manga Bell wird angestimmt, einige stimmen ein. Als der Gesang verstummt, beginnt die Begrüßung durch Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne). Sie betont, dass die Umbenennung von Straßennamen zur Aufarbeitung der Kolonialgeschichte Deutschlands nicht ausreichend sei. Noch immer nehme diese keine wesentliche Rolle im Bereich der Bildung ein, sei kaum Teil einer deutschen Erinnerungskultur. Vor allem die afrikanische Community sorge dafür, dass sich die deutsche Gesellschaft ihrer kolonialen Vergangenheit stelle.

Dass der Kampf gegen das Vergessen nur mit gemeinsamer Kraft erfolgen kann, verdeutlichen die Bezirksbürgermeisterin, der Botschafter Kameruns und der Duala König Jean-Yves Eboumbou Bell bei der gemeinsamen Enthüllung des Straßenschildes, die von feierlichem Applaus begleitet wird. Nicht länger die Täter des Kolonialregimes sondern der Widerstand gegen eben jenes Regime sollen künftig an die Geschichte erinnern.

Solidarität und Zusammenhalt

In ihrer Rede betont Marianne Ballé Moudoumbou von Pawlo-Masoso e. V. die Unverzichtbarkeit der Internationalen Solidarität zwischen den Völkern. Dabei verweist sie auch auf die Situation an den Außengrenzen: Die Bilder von hilfsbedürftige Menschen dürften nicht verdrängt werden. Obwohl die Bewältigung der Kolonialvergangenheit eine Jahrhundertaufgabe darstelle, so Moudoumbou, sei es wichtig, trotz aller Unterschiede zusammen zu stehen.

Dass eine Delegation aus Kamerun inklusive des amtierenden Duala-Königs bei der Umbenennung anwesend ist, ist vor allem sein Verdienst: Jean-Pierre Félix-Eyoum, ein Großneffe des König Rudolfs Duala Manga Bell. Er wirkt freudig hinsichtlich der überfälligen Umbenennung des Platzes. Die fehlende Rehabilitierung König Rudolfs, der im Jahr 1914 wegen „Landesverrats“ gehängt wurde, bleibt jedoch weiterhin ein dringendes Anliegen wie er betont. Momentan läuft eine Petition an die Bundesregierung.

Durch den Kleingärtner-Anlage Togo geht es zur zweiten Station, der Cornelius-Fredericks-Straße. Namensgeber ist ein wichtiger Mann im militärischen Widerstand gegen die Verbrechen deutscher Kolonialherrschaft im heutigen Namibia. Wütend und traurig zugleich ist daher die Rede des namibischen Botschafters, der die Anerkennung des Völkermords der Herero und Nama fordert.

Dass die Vergangenheitsbewältigung ein schwieriger und komplexer Prozess ist, betont auch Victor Ndocki, der Botschafter Kameruns. Für ihn stellt die Umbenennung der Straßen kein Ende dieses Prozesses dar, sondern ein Werkzeug. Trotzdem, oder gerade deshalb, klingen die Stimmen aus der afrikanischen Community in Berlin heute zufrieden, denn ihre jahrzehntelange Arbeit hat sich gelohnt.

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