Streit um Rentenreform in Frankreich: Machtwort aus dem Bunker
Bei seinem TV-Auftritt zeigt sich Frankreichs Präsident Macron selbstherrlich. Im Rentenreformstreit hätten sich viele eine Geste der Besänftigung gewünscht.
W enn schon autoritär, dann konsequent und bis zum bitteren Ende. Das scheint sich Präsident Emmanuel Macron nach Rücksprache mit seinen Beratern gesagt zu haben, als er sich auf den beiden wichtigsten Fernsehsendern zum Interview einladen ließ. Schon im Voraus sickerte durch, dass er bei diesem Anlass keinerlei Konzessionen machen wollte. Es war für ihn schlicht nicht denkbar, die Regierung zu diskreditieren und die Methoden zu kritisieren, mit denen diese ihre Rentenreform ohne Votum durchgesetzt hat. Das wäre automatisch auf ihn zurückgefallen.
In der Fünften Republik ist der Machthaber im Elysée-Palast ein Rechthaber, das ist so in der Verfassung angelegt. Macron hat im Verlauf des Streits um die Rentenreform die diktatorischen Ungereimtheiten in der Machtverteilung mit einer an Nonchalance grenzenden Selbstverständlichkeit durchgespielt. Dabei stützte er sich lediglich auf die institutionelle Macht der Staatsführung, die am Parlament vorbei regieren kann. Vor allem ignoriert er die Tatsache, dass laut allen Umfragen eine große Mehrheit der Bevölkerung diese Politik als sozial ungerecht ablehnt.
Vielleicht hätten dennoch viele TV-Zuschauer vom Staatschef ein Wort der Einsicht erwartet, eine Geste der Besänftigung in einem Konflikt, der rasch außer Kontrolle geraten könnte. Stattdessen hörten sie selbstgefällige Worte. Das mag vielleicht Beobachter in der Ferne beeindrucken. Nicht aber in Frankreich, wo das autokratische Auftreten des „gewählten Monarchen“ ein öffentliches Ärgernis geworden ist.
Macron spielte die nur allzu bekannte Rolle des selbstherrlichen Staatschefs, der angesichts des Volkszorns unbeirrbar und unnachgiebig „senkrecht in den Stiefeln steht“, wie bei einer anderen Auseinandersetzung um die Renten 1995 der damalige Premier Alain Juppé sagte. Das ging damals nicht gut und wird auch dieses Mal kein Glück bringen. Statt einen Dialog anzubieten, hat Macron mit seinem Auftritt provoziert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe