Streit um Park in Kreuzberg: Fluchtpunkt Görlitzer Park
Anwohner klagen, die Polizei fährt Razzien: Die Zahl der Dealer im Görlitzer Park steigt. Es sind Flüchtlinge aus Afrika, junge Männer wie Ibrahim aus Mali.
Ibrahim kennt Daniel Okine nicht. Noch nicht. Wenn Okine auch ihn ansprechen und fragen wird, was er gerade am meisten braucht, was wird er da antworten? Ibrahim zögert nicht lange. „Einen Job“, sagt der junge Malier. Und welchen? Er schaut fragend. „Egal, einen Job, irgendeinen.“
Ibrahim jobbt derzeit im Görlitzer Park. Von seinem Arbeitsplatz aus kann er weit auf das struppige Gras des Kreuzberger Parks blicken, auf die plaudernden Menschengrüppchen, die Frisbeespieler, die Spaziergänger und Radfahrer. „Marihuana?“, fragt Ibrahim diejenigen, die an ihm vorbeilaufen. Es klingt freundlich, er lächelt dabei. Manchmal formt er seine Finger, als ziehe er an einem Joint. Die Fußgänger aber blicken zu Boden, gehen weiter. Es läuft nicht gut an diesem Nachmittag.
Ibrahim sieht jung aus, auf seinen Augen liegt ein glasiger Schleier. Er trägt die Haare kurz, eine Trainingsjacke und eine zu große Armbanduhr. So wie viele hier. Anders als sie wirkt er fast schüchtern. Doch als ihn ein Mitstreiter anblafft, schimpft Ibrahim lautstark zurück. Wer im Görlitzer Park arbeitet, kann sich keine Schüchternheit erlauben.
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Seit sechs Monaten ist Ibrahim im Park. Er ist damit Teil einer Debatte geworden, die seit Wochen um den Görli tobt. Als „Drogenumschlagplatz“ tituliert ihn die Boulevardpresse. Bis zu 100 Dealer, sagt die Polizei, hielten sich täglich im Park auf. Tendenz steigend.
Innensenator Frank Henkel, der CDU-Mann, versprach mehr Polizeipräsenz. Das Bezirksparlament beriet am Mittwoch über einen Coffeeshop, in dem legal Cannabis verkauft werden könnte. Die lokale CDU fordert einen Zaun, der nachts abgeschlossen wird. Und das Bezirksamt setzt nun auf Sozialarbeiter. Auf Daniel Okine und sein Team.
Ausgerechnet in Kreuzberg wird ein Park zum umkämpften Platz. Im Alternativbezirk, der sich stets größtmögliche Toleranz attestiert. Selbst liberale Anwohner klagen nun über die Masse an Dealern, über belagerte Parkeingänge, das aggressive Bewerben der Drogen. Viele tun es mit einem mulmigen Gefühl. Sie wissen, dass die, die sie kritisieren, nicht herkamen, um am Ende im Görli zu dealen. Und doch klagen sie: wegen der Kinder, wegen des gefühlt so unsicheren Parks.
Die Gegenseite steht sofort parat: Als Gentrifizierer schmähen sie die Sorgenträger. Mit einer Kundgebung demonstrierten Linke für die Dealer und gegen „rassistische Polizeikontrollen“. Neben dem Park brannten vier Autos. Als Zeichen gegen den „rassistischen Bürgermob“, wie es im Bekennerschreiben hieß.
Der Görlitzer Park, eine Toleranzprobe. Für diejenigen, über die jetzt alle reden, ist der Park aber mehr. Er ist letzter Zufluchtsort, ist Existenzgrundlage. Nur redet bisher niemand mit ihnen.
Das ist auch nicht einfach. „Paparazzi? Oh no, no!“, sagt ein Afrikaner, der zuvor von einer Bank aus um Kunden warb. Er scheucht den Journalisten davon. Ein Mann aus Angola erzählt, er lebe im „Heim“ in Dessau, sei nur heute hier und warte auf seine Freundin. Ein anderer Afrikaner am anderen Ende des Parks erzählt genau die gleiche Geschichte. Tage später sind beide wieder da.
Bei der Polizei heißt es, die Dealer seien fast ausnahmslos Afrikaner, fast alle in Asylverfahren oder in Duldung.
Die Fortsetzung dieses Textes und Informationen über ähnliche Lagen und deren Lösung im Weinbergspark in Mitte lesen Sie auf drei Seiten im Berlin-Teil in der Wochenend-Ausgabe der taz. Im Abo erhältlich - oder an Ihrem Kiosk.
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