Streit um Mühlendammbrücke: Kein Vergleich mit der Rialtobrücke
Pläne, die marode Brücke im Schnellverfahren durch einen Neubau zu ersetzen, erhitzt die Gemüter. Denn die Neue soll nur wenig schmaler ausfallen.
H and aufs Herz, liebe LeserInnen: Wie viele von Ihnen wissen auf Anhieb, wie die Mühlendammbrücke aussieht? Nicht so viele? Kein Wunder: Die Spreeüberquerung in Mitte glänzt durch Funktionalität und Nichtwahrnehmbarkeit. Dabei befindet sich rund um die Brücke die Keimzelle der heutigen Stadt – sie war die mittelalterliche Verbindung zwischen Molkenmarkt (Berlin) und Fischmarkt (Cölln). Viel ist davon nicht übrig: Nach den Zerstörungen des Kriegs setzte die Hauptstadt der DDR auf eine breite Autoschneise und viel Beton.
Bei aller Liebe zur Geschichte und zum genius loci: Die Mühlendammbrücke in einem Atemzug mit der Rialtobrücke oder dem Pont Neuf zu erwähnen, wie es etwa der Verein Berliner Historische Mitte tut, ist etwas verwegen. Was andererseits nicht heißt, dass es falsch wäre, sie aus der erstickenden Umarmung durch den Autoverkehr zu lösen.
Das bewegt viele Bürgerinitiativen und Vereine, aber auch Ephraim Gothe (SPD), Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Mitte. Sie rieben sich in den letzten Monaten heftig an der Entscheidung der Senatsverkehrsverwaltung, die marode Brücke im Schnellverfahren durch einen Neubau zu ersetzen, der nur wenig schmaler ausfällt und dem motorisierten Verkehr weiter eine Menge Platz lässt, zwei Spuren pro Richtung.
Besonders fuchsig machte die KritikerInnen, dass es keine echte Bürgerbeteiligung gab. Insofern war es ein Feuerwehreinsatz der grünen Verkehrsverwaltung am vergangenen Montag, noch vor Auslobung des Realisierungswettbewerbs, eine virtuelle „Bürgerveranstaltung“ auszurichten: ein Kunstname, der suggerierte, dass es nicht nur um Information, sondern irgendwie auch um Mitsprache ging.
„Nehm ich’s Auto oder die Tram?“
Das ist aber – rein formal und praktisch – nicht der Fall. Denn die Senatsverwaltung will unbedingt ein neues Planfeststellungsverfahren vermeiden, in dessen Rahmen eine reguläre Beteiligung stattfände. Begründung: Die Brücke ist im Kern so kaputt wie die Treptower Elsenbrücke, die nach Auftreten von Rissen über Nacht (teil-)gesperrt werden musste. Ein solches Fiasko will man im Haus Regine Günther nicht riskieren. Also baut man nach bestehender Planfeststellung: breit.
Womit die Diskussion im Grunde zu Ende ist, bevor sie angefangen hat. Aber was ist eigentlich von den Argumenten der GegnerInnen zu halten, die Brücke müsse möglichst schmal werden, weil der Autoverkehr keine Zukunft habe und auch nicht haben dürfe?
Ein bisschen skeptisch macht dieses „schmal is beautiful“ schon. Erstens, weil es zwar stimmt, dass die künftig über die Brücke rollende Straßenbahn so viele Menschen befördern kann wie zigtausende Autos – aber das auch eine abstrakte Rechnung ist, die nicht berücksichtigt, dass sich individuelle Mobilitätsstrategien („Nehm ich’s Auto oder die Tram?“) so schnell dann doch nicht ändern.
Zweitens, und das ist erheblicher: Raum ist in der dichter werdenden Stadt ein Wert, den man nicht verschenken sollte. Dass dieser Raum sich mit Autos füllen muss, steht nirgends geschrieben. Je weiter die Verkehrswende fortschreitet – und angesichts veränderter Angebote und Gewohnheiten fortschreiten kann –, desto weniger Platz braucht es auf der Mühlendammbrücke für Pkws und Lkws. Ob dieser sich für Busse, Fahrräder oder FlaneurInnen öffnet, wird in künftigen Legislaturen – und somit an der Wahlurne – entschieden.
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