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Streit um Lohn im öffentlichen DienstDie Schlichtung soll es richten

Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sind gescheitert. Gewerkschaften kritisieren das Angebot der Arbeitgeber.

Der Tarifkonflikt geht weiter: Streiks wie noch am Montag sind zunächst aber nicht geplant Foto: Carsten Koall/dpa

Als Verdi-Chef Frank Werneke und sein Beamtenbund-Pendant Ulrich Silberbach kurz nach Mitternacht am Donnerstag in Potsdam vor die Presse traten, war ihnen ihr Frust anzusehen. Seit Montag hatten sie versucht, mit den Un­ter­händ­le­r:in­nen des Bundes und der Kommunen zu einem Kompromiss im Tarifkonflikt um die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu kommen. „Hinter uns liegen drei wirklich intensive Tage“, sagte Werneke müde. „Am Ende mussten wir feststellen, dass die Unterschiede nicht überbrückbar waren.“

Damit sind die Verhandlungen für die über 2,4 Millionen Tarifbeschäftigten der kommunalen Arbeitgeber und 134.000 des Bundes erst einmal gescheitert. Nun müssen zwei unabhängige Schlichter versuchen, eine Lösung zu finden. Um ihre Aufgabe sind sie nicht zu beneiden: Auch wenn der Bund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände in der letzten von drei Verhandlungsrunden ihr bisheriges Angebot nachgebessert haben, gehen die Vorstellungen noch immer weit auseinander.

„Wir wären bereit gewesen zu einer linearen Entgelterhöhung von 8 Prozent – und das mit einem Mindestbetrag von 300 Euro“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die Verhandlungsführerin des Bundes, nach dem Scheitern der Gespräche. „Darüber hinaus wären wir zu steuerfreien Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 3.000 Euro bereit gewesen – zum Ausgleich der hohen Inflation.“ Damit sei die Arbeitgeberseite den Gewerkschaften „sehr weit entgegengekommen“.

Wie auch die Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD), die Verhandlungsführerin der Kommunen, erläuterte Faeser allerdings nicht die Details ihres Angebots, das bemerkenswerterweise nicht schriftlich vorgelegt und in den Beratungen auch nur als „Denkmodell“ bezeichnet wurde. Wie die taz aus Verhandlungskreisen erfuhr, sah es so aus: Geboten wurde eine Gehaltserhöhung um 4 Prozent, mindestens 180 Euro monatlich ab Oktober, im Juni 2024 sollten nochmal 3 Prozent, mindestens 120 Euro, hinzukommen. Die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie solle gesplittet gezahlt werden: insgesamt 2.000 Euro dieses Jahr, 1.000 im nächsten. Unklare Aussagen gibt es über die anvisierte Laufzeit des Tarifvertrags: entweder 24 oder 27 Monate.

Auf jeden Fall ist dieses Angebot ziemlich weit entfernt von der Gewerkschaftsforderung nach einer Tariferhöhung um 10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro alleine in diesem Jahr. „Wir können nicht nachvollziehen, dass die Gewerkschaften hierauf nicht eingegangen sind“, sagte Welge gleichwohl. „Dass eine Einigung nicht zustande kam, werten wir auch als Warnzeichen für eine funktionierende Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaften.“

Demgegenüber beklagte Beamtenbund-Chef Silberbach, Bund und Kommunen sähen die Sorgen und Nöte ihrer Beschäftigten nicht. „Und sie schätzen Frustration und Entschlossenheit der Kolleginnen und Kollegen falsch ein“, so Silberbach. „Wir müssen Reallohnverluste verhindern und brauchen einen nachhaltigen Inflationsausgleich.“ Das sei von Anfang an klar gewesen. „Nach jetzigem Stand der Dinge sind die Arbeitgebenden dazu nicht bereit“, sagte Silberbach. Er erkenne zwar an, dass es „Bewegung von beiden Seiten“ gegeben habe, sagte Werneke. Letztlich seien die Arbeitgeber nicht bereit gewesen, den Beschäftigten beim Mindestbetrag ausreichend entgegenzukommen. „Die Vorschläge der öffentlichen Arbeitgeber hätten nicht sichergestellt, dass die Kaufkraft insbesondere für die unteren und mittleren Einkommensgruppen erhalten bleibt“, so Werneke.

Nun soll es die von den Arbeitgebern angerufene Schlichtung richten. Als unabhängige Schlichter im Gespräch sind der frühere sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und der frühere Bremer Finanz-Staatsrat und Verwaltungswissenschaftler Hans-Henning Lühr (SPD). Der Zeitplan ist straff: Nach der Anrufung der Schlichtung bleibt eine Woche bis zur Konstituierung der Schlichtungskommission. Dann bleibt eine weitere Woche, in der die Kommission eine Empfehlung ausarbeiten soll. Mitte April könnten dann die Streitparteien darüber beraten, ob sie dieser folgen wollen. Während der Schlichtung gilt eine Friedenspflicht, es darf also in dieser Zeit nicht gewarnstreikt werden.

Kommt es nicht zu einer Einigung, könnten die Gewerkschaften in die Urabstimmungen gehen. Zum letzten Mal war das 1992 der Fall, die Folge war ein elftägiger flächendeckender Streik, der das Land weitgehend lahmlegte. Ab Anfang Mai wären unbefristete Streiks möglich. Angesichts der bisherigen Ignoranz der Arbeitgeber gebe es eine große Streikbereitschaft, zeigte sich Silberbach überzeugt. Noch ist es nicht soweit.

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18 Kommentare

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  • Es gibt kein gutes Angebot, sondern den Vorschlag zu einem Reallohnverlust.



    Die Schlichter, die das dann der Gewerkschaft bzw. den Arbeitnehmern reindrücken sollen, werden scheitern. Nicht aus Renitenz oder aus Wut, sondern weil viele Kollegen einfach nicht mehr genug verdienen. Die brauchen eine echte Erhöhung, damit sie ungefähr auf das Gehalt von Januar 2022 kommen. Das verweigern die Arbeitgeber und nutzen jeden Trick und machen Propaganda, etwa acht Prozent, es sind vier pro Jahr.



    Und niedrige Lohngruppen sind die öffentlichen Arbeitgebern besonders egal, dass diese Menschen wirtschaftlich zu kämpfen haben, ist ganz offenbar denen egal. Und diese Botschaft wird die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst auch erreichen. Gerade diese merkwürdige Art, einen Reallohnverlust offensiv als gutes Angebot zu bewerben, wird einiges an Reaktionen und Gefühlen bei den Beschäftigten auslösen.



    Die Schlichtung ist nur der Versuch, Zeit zu schinden und ein Schuldzuweisungsspiel zu beginnen. Darauf wird aber kaum jemand reinfallen, weil es so offentlich ist. Die Arbeitgeber haben so abstruse Forderungen aufestellte, um genau das auszulösen und dann in lange, zähe Verhandlungen einzusteigen und die Gewerkschaften zu pressen.

    Die könnten erstmals eisenhart das Land lamm legen. Die Streikbereitschaft ist hoch. Die Wut steigt, ganz besonders nach so faulen Angeboten.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Frau Faeser sollte die Öffentlichkeit nicht für dumm verkaufen wollen und bei der Wahrheit bleiben.



    Die 8%, von denen sie spricht, sind auf zwei Jahre verteilt - mithin nicht einmal 4% pro Jahr, weil die zweiten von einer höheren Basis ausgehen würden.



    Dann schauen wir auf die Inflation: 2021 3,9%, 2022 7,9%, aktuell 7,6%.



    Ich nehme an, Frau Faeser ist trotz Jura-Ausbildung (also nicht mit mathematischem Schwerpunkt) zu einfachsten arithmetischen Operationen fähig. Sie war im Interview zusammen mit ihrer Mit-Verhandlerin "geschockt", dass die Arbeitnehmer bei aktuell (samt Basiseffekt) über 20% Inflation in den letzten drei Jahren mit knapp 7% Lohnerhöhung nicht zufrieden waren.



    Und die rechtsortientierten uter den Medienschaffenden stoßen wie üblich in's selbe Horn.



    Das nennt man dann wohl Realitätsverschiebung.

    • @655170 (Profil gelöscht):

      Nancy Faser kann sehr wohl rechnen. Das Ganze ist als Verarmung vieler Beschäftigter so geplant. Der Staat will so weitermachen wie bisher, also zu wenig einnehmen, Leistungsstarke nicht voll besteuern etc., dafür sollen dann die Beschäftigten büsen. Gerade die Verhandlungsführerin aus Gelsenkirchen rennt rum und erzählt jedem, wie marode und kaputt ihre Stadt Gelsenkirchen ist, was sie dazu beigetragen hat, das will sie lieber nicht erzählen, weil es sollen die Beschäftigten ausbaden, die zollen mit niederiger Kaufkraft das Ganze bezahlen.

  • Der Vorschlag der Arbeitgeber ist schlicht eine Frechheit. Der ÖD ist nun einmal nicht die "freie Wirtschaft", bei der in "guten Jahren" ordentliche Lohnerhöhung einfach Mal durchgewunken werden und in "schlechten" dann gespart wird. Beim ÖD sind die Zeiten immer schlecht, da gibt es keine saftigen Gewinne zu verteilen. Wobei die letzten Jahre gab es ja immer Rekordsteuereinnahmen, von Rekordlohnerhöhung hat man aber nie was gehört. Es ist Zeit, jetzt ein paar Dinge gerade zu rücken. Die Pendler können sich schon einmal freuen.



    Bezeichnend übrigens für viele Zeitungen, bei der Nachricht über das Arbeitgeberangebot wegzulassen, dass die Erhöhung auf 2,5 Jahre verteilt werden soll. Ein bisschen zuviel der Liebe für Andrea Nahles.



    Die Lohnkostensteigerungen hat man sich von der Arbeitgeberseite doch selber eingebrockt:



    Immer schön fleißig neue Regelungen und Gesetze beschließen, für die neues Personal eingestellt werden muss, was dann nicht adäquat bezahlt werden "kann", weil die Budgets eben auch dank diverser Subventionen und Wahlgeschenke begrenzt sind.

  • Also 8 % gestreckt auf 2,5 Jahre ist bei einer jährlichen(!) Inflation von knapp 10 % schon ziemlich frech. Insbesondere wenn man die zwischenzeitlichen Gehaltssteigerungen der BT-Abgeordneten und EU-Beamten kennt.

  • Ich gönne den Mitarbeitenden im ÖD durchaus ihre Tariferhöhungen, gerade in den unteren Lohngruppen. Fakt ist aber auch, dass meine Branche im letzten Jahr einen Abschluss von 3 Prozent hatte und ich die gleichen Belastungen habe hinsichtlich Inflation, Energiekosten etc. wie die Leute im ÖD.



    Da wären im letzten Jahr 8 Prozent Tarifabschluss, garniert mit einen hohen Einmalzahlung ein Traum gewesen.

    • @Kloetzchenschieber:

      Der ÖD hat im letzten Jahr nur 1,4 % bekommen.

      Und die 8 % der AGler sind natürlich nicht für ein Jahr, sondern für 24 oder sogar 27 Monate, d.h. entsprechen nur ca. 3,5 bis 4 %.

  • Jeder gönnt den unteren Tarifgruppen im ÖD ein fettes Plus. Wenn die Gewerkschaft bloß nicht immer für den Beamtenbund mitverhandeln würde. Die Pensionen werden ja dann ebenfalls analog angepasst. Ich bin deshalb für Einmalzahlungen statt prozentualen Erhöhungen. Davon profitieren die Geringverdiener deutlich mehr als der gehobene Dienst. Das solche Vorschläge immer sofort abgelehnt werden spricht Bände um was es hier primär geht.

    • @Šarru-kīnu:

      es gibt auch viele Beamte die nicht viel verdienen, dieses ewige Genörgel dass alle Beamten in Geld schwimmen würden geht mir tierisch auf die Nerven

      • @Ich1000:

        Dann eben nur eine Erhöhung für alle Beamten unter sagen wir A8? Verdi marschiert und alle zeigen immer telegen auf die Erzieherinnen. Warum müssen dann aber auch die Pensionen der Studienräte um den gleichen Prozentsatz steigen? Früher hatten Linke mal ein Klassenbewusstsein.

    • @Šarru-kīnu:

      Einmalzahlungen sind kein Mittel gegen Inflation, weil Sie davon bereits im Folgejahr rein gar nichts mehr haben, die gestiegenen Kosten aber bleiben.

      Einmalzahlungen sind daher v.a. eine Falle, in die Gewerkschaften nicht tappen sollten und höchstens als Zusatzinstrument sinnvoll.

      • @karlkaefer:

        das ist aber ein bisschen übertrieben

        • @Ich1000:

          Was soll da übertrieben sein? Das sind ja letztlich recht objektive Fakten. Das auf AG-Seite übliche Verrechnen von dauerhafter prozentualer Erhöhung und Einmalzahlung ist jedenfalls Nonsens und unseriös.

          Als AN habe ich lieber 1 % mehr linear als 3000 € EZ.

    • @Šarru-kīnu:

      Ich sehe Einmalzahlungen ebenfalls als effizienteren Inflationsausgleich, der sich in einen Jahr auch wieder in Luft auflösen kann und ebenfalls wird damit die Inflationsspirale nicht angefeuert. Wenn am Ende alle Arbeiter 10% mehr Gehalt fordern, hat am Ende auch keiner wirklich was davon. Die Preise für Waren und Dienstleistungen werden sicher nicht den jetzigen Stand beibehalten, sondern sich ebenfalls entsprechend anpassen.

      • @Montagsdepression:

        Sollte in diesem Zeitraum die Inflation zurückgehen, bedeutet dies ja nicht zwingend, dass die Preise wieder zum Ausgangspunkt zurückgehen. Eine prozentuale Erhöhung boldet einen Sockel, auf dem die nächste Tarifverhandlung aufbaut. Einmalzahlungen sogen für Reallohn-/Kaufkraftverluste.



        Lohnkosten sind nicht der preistreibende Faktor, im Moment sind es ohnehin hauptsächlich die Energiekosten, die die Preise emportreiben. Es entsteht daher keine Loh-Preis-Spirale.

    • @Šarru-kīnu:

      Menschen in den unteren Lohngruppen mögen kurzfristig von Einmalzahlungen profitieren, langfristig schadet das allerdings deren Altersversorgung.

      • @Piratenpunk:

        Ich finde das Angebot gar nicht so schlecht nur müßten die 500 € für die unteren Einkommensgruppen trotzdem durchgesetzt werden. es gibt viele Gutverdiener im öffentlichen Dienst

      • @Piratenpunk:

        die Altersvorsorge reicht bei denen eh nicht von daher ist es egal