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Streit um Kopftuchverbot in BerlinGut betucht oder schlecht beraten?

Ein neues Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienst empfiehlt, Lehrerinnen das Kopftuch zu erlauben.

Für Schülerinnen ist das Kopftuch ok – für Lehrerinnen auch? Foto: dpa

Berlin bekommt offenbar ein neues Neutralitätsgesetz. Man gehe davon aus, dass es Änderungsbedarf geben wird, hieß es am Donnerstag aus Senatskreisen gegenüber der taz. Bis zum Herbst soll sich die rot-schwarze Landesregierung mit dem Gesetz beschäftigen, das Richtern, Polizisten oder Lehrern bislang untersagt, im Dienst Kreuze, Kopftuch, Kippa oder Ähnliches sichtbar zu tragen.

Laut einem jetzt vorliegenden Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes des Abgeordnetenhaus ist Berlin in der Pflicht, Lehrerinnen das Kopftuch in der Schule zu erlauben. Die Senatsverwaltung für Inneres hingegen hat ihre Überprüfung des Gesetzes weiter nicht beendet.

Hintergrund ist eine Mitte März veröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über eine Klage zweier muslimischer Lehrerinnen in Nordrhein-Westfalen. Das Gericht urteilte dabei, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen an deutschen Schulen rechtswidrig ist und gegen die Religionsfreiheit verstößt. Für ein Verbot müsse vielmehr eine „konkrete Gefahr der Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität“ vorliegen.

Beschränkung auf Schule

Auf das Urteil folgten Debatten auch in den sieben anderen Bundesländern, die ein Kopftuchverbot haben. In Ostdeutschland ist das nur Berlin. Weil das Verfassungsgericht sich auf das Arbeitsfeld Schule beschränkte, ist auch die aktuelle Diskussion darauf begrenzt und bezieht sich nicht auf Polizei oder Gerichte. Im juristischen Bereich hatte jüngst in Neukölln ein Fall Aufsehen erregt, als eine Frau als Rechtsreferendarin mit Kopftuch im Bezirksamt tätig sein wollte.

Innensenator Frank Henkel hatte sich direkt nach dem Urteil hinter das Neutralitätsgesetz gestellt: „Die bisherige Regelung hat sich in der Praxis bewährt und als sehr positiv für das Zusammenleben in einer vielfältigen Metropole wie Berlin erwiesen.“ Er kündigte damals aber dennoch eine Überprüfung des 2005 unter seinem SPD-Vorgänger Ehrhart Körting entstandenen Gesetzes an. Die dauert jedoch laut Henkel-Sprecher Stefan Sukale an. „Zeitnah“ soll ein Ergebnis vorliegen.

Der Wissenschaftliche Parlamentsdienst hingegen, der im Auftrag der SPD-Fraktion ebenfalls im März mit seiner Prüfung begann, konnte sein Gutachten am Mittwoch vorlegen. Zwei Juristen arbeiteten nach Parlamentsangaben daran. Die Innenverwaltung beschäftigt ein Vielfaches von Rechtsexperten.

CDU lehnt Lockerung ab

Die CDU-Fraktion lehnt trotz des Gutachtens eine mögliche Lockerung ab. „Wir wollen das Neutralitätsgesetz in jetziger Form aufrechterhalten“, ist von Burkard Dregger zu hören. Er widerspricht dem Ansatz des Verfassungsgerichts, wonach nur eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens ein Verbot rechtfertigt: „Wir wollen Streit in den Schulen vermeiden, statt ihn nachher schlichten zu müssen.“ Diese Haltung gibt es aus Dreggers Sicht auch in weiten Kreisen der SPD-Fraktion. Dort gilt Fraktionschef Raed Saleh, selbst Muslim, als klarer Befürworter einer Neureglung, auch wenn er jetzt das Neutralitätsgesetz als „gute Lösung“ bezeichnete.

Die Opposition hingegen drängt geschlossen auf ein Ende des Kopftuchverbots. „Der Senat muss eine Neufassung vorlegen“, forderte der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Klaus Lederer. Für ihn unterstellt das Verbot eine bestimmte Geisteshaltung. „Da wird vom Äußerlichen auf die Gesinnung geschlossen – das geht nicht.“ Entscheidend sei nicht die Kleidung der Lehrerinnen, sondern ihr Auftreten in den Schulen: „Wenn Menschen im Unterricht missionieren, gehören sie nicht in den Schuldienst.“

Piraten wollen Anhörung

Grünen-Rechtsexperte Dirk Behrendt hält es für „befremdlich“, wie lange die Henkel-Verwaltung für ihr eigenes Gutachten braucht. „Es ist klar, dass das Verbot religiöser Symbole in der Schule nicht haltbar ist“, sagte er. Von Berlin dürfe man durchaus erwarten, dass es dem Urteil des Bundesverfassungsgericht folgt, anders etwa als Bayern 1995. Da hatte das Gericht eine Vorschrift als verfassungswidrig angesehen, wonach in jedem bayerischen Klassenzimmer ein Kreuz zu hängen hatte.

Behrendt mochte nicht so weit gehen, auch ein Ende des Verbots religiöser Symbole im Richterdienst oder bei der Polizei zu fordern. „Da kann man durchaus einen Unterschied sehen“, sagt er. Diese Berufsgruppen verkörpern aus seiner Sicht eindeutig den Staat. Bei Lehrern hingegen ist das für ihn fraglich.

Die Piratenfraktion hat zum Kopftuchverbot bereits eine Anhörung im Ausschuss für Integration beantragt. Fabio Reinhard drängt darauf, dass es gleich nach der parlamentarischen Sommerpause am 17. September dazu kommt. Auch für ihn ist klar: „Das Neutralitätsgesetz muss überarbeitet werden.“

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