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Streit um Facebook-FahndungJustizsenator muss sich stellen

FDP und CDU werfen Senator Steffen vor, die Polizei bei der Fahndung nach dem mutmaßlichen Berlin-Attentäter behindert zu haben. Der Justizausschuss soll es klären

Das riecht nach Kritik: Justizsenator Till Steffen (Grüne) soll sein Vorgehen im Justiz-Ausschuss erklären. Foto: Daniel Reinhardt (dpa)

HAMBURG taz | Justizsenator Till Steffen (Grüne) muss sich heute vom Ausschuss für Justiz und Datenschutz zur Rolle seiner Behörde bei der Fahndung nach dem mutmaßlichen Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri befragen lassen. CDU und FDP werfen Steffen vor, die Hamburger Polizei bei der Fahndung nach Amri behindert zu haben, weil er erst mit Verspätung der öffentlichen Fahndung via Facebook und Twitter zugestimmt hatte. Die FDP sieht im Justizsenator sogar eine Gefahr für „mittlerweile alle Bürgerinnen und Bürger auch über Hamburgs Grenzen hinaus“.

Der justizpolitische Sprecher der CDU, Richard Seelmaecker, begründet die Einberufung zur Sondersitzung des Justizausschusses mit einer angeblichen Behördenpanne: „Wir wollen klären, wie wir zukünftig sicherstellen, dass unsere Strafverfolgungsbehörden umfassend handlungsfähig sind.“ Denn laut FDP und CDU habe die Justizbehörde und allen voran Senator Steffen deren Arbeit behindert. Erst mit zwölfstündiger Verspätung hatte die Behörde der Polizei erlaubt, auch auf Facebook einen Fahndungsaufruf nach dem mutmaßlichen Berliner Attentäter zu veröffentlichen.

Aus Sicht des FDP-Ausschussmitglieds Anna von Treuenfels-Frowein verstieß Steffen damit gegen seinen Amtsauftrag: „Eine frühere Facebook-Fahndung durch Hamburgs Polizei hätte zu seiner Ergreifung beitragen können.“ Auch wenn Amri sich nach derzeitigem Stand auf seiner Flucht nicht in Hamburg aufgehalten habe, sei von Treuenfels-Frowein dennoch „ernsthaft geschockt“ von Steffens unentschlossenem Handeln.

Die Justizbehörde sieht die Fahndung mithilfe von Facebook und Twitter anders. Einerseits bestehe die Gefahr, dass „auf der offiziellen Seite der Polizei von Privaten beleidigende, volksverhetzende oder in anderer Weise strafbare Inhalte verbreitet werden“, lässt die Behörde mitteilen. Zudem könnte die Arbeit der Ermittlungsbehörden durch in den Kommentarspalten getätigte Zeugenaussagen auch behindert werden. Weil vor allem Facebook die Forderung der Behörde zur Deaktivierung der Kommentarfunktion in solchen Fällen nicht nachkomme, will sie die Internetplattform nicht nutzen, heißt es. Im Fall Amri stimmte Steffen später doch noch zu – aufgrund der herausgehobenen Bedeutung der staatsgefährdenden Straftat.

Fahndung via Facebook

Ausgangspunkt der Debatte war die Entscheidung des Bundeskriminalamts, kurz vor Weihnachten öffentlich nach dem mutmaßlichen Attentäter von Berlin zu fahnden.

Außer Hamburg und Bremen hatten die Polizeibehörden aller Bundesländer den Fahndungsaufruf auch auf Facebook sofort veröffentlicht.

Justizsenator Till Steffen (Grüne) gilt als großer Kritiker von Fahndungsaufrufen via Facebook, da das Unternehmen nichts gegen Hasskommentare unternehme, so seine Begründung.

Mittlerweile hat Steffen den Generalstaatsanwalt um eine einstweilige Regelung gebeten, sodass auch Hamburgs Polizei vorerst über Facebook und Twitter Fahndungsaufrufe veröffentlichen kann.

Steffen erklärte, die Polizei hätte nicht auf seine Anweisung warten müssen. „Wir haben da keine eigene Zuständigkeit“, sagte er dem Hamburger Abendblatt. AfD, CDU und FDP fordern nun den Rücktritt des Justizsenators. „Der Senator verwickelt sich in immer mehr Widersprüche“, sagt von Treuenfels-Frowein. Er wolle die Schuld auf die Polizei abschieben. „Wenn er seine widersprüchlichen Aussagen in der Ausschusssitzung nicht erklären kann, muss Bürgermeister Olaf Scholz von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und einen Ersatz finden.“

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2 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Ich würde die Redaktion bitten, zu diskutieren, ob die ständige Nennung des vollen Namens des Attentäters wirklich eine gute Idee ist.

     

    Damit wird diese Person noch bekannter macht, die Wahrnehmung als Märtyrer und damit die Vorbildfunktion steigt. Die Medien sind dann wohl mit verantwortlich dafür, wenn Attentäter zu Berühmtheiten werden und wie Popstars verehrt werden.

    Dabei ist es völlig egal, wie der Wahnsinnige heißt. Er ist keine Person der Öffentlichkeit, kein Imam, kein Politiker, Künstler, Unternehmer o.ä..

     

    Der Name dient hier einzig und allein der Identifikation der Person. Dafür würde aber auch "Attentäter von Berlin" genügen.

    Es ist angenehm, mit dem Namen als Tag in eurer Datenbank zu suchen, aber das könnte man auch mit einem Chiffre wie Berlin191216 erreichen (da läge der Fokus auch eher bei den Opfern als beim Täter).

     

    Das die Attentäter hinterher zu Berühmtheiten werden, gehört doch zum Kalkül der Islamisten und auch der Rechtsradikalen (beim NSU oder Breivik ist die Lage ähnlich).

    Die Terroristen kennen die Funktionsweise der Medien und benutzen sie.

    Irgendeine Möglichkeit sollte man sich doch als Journalist einfallen lassen, dass man dieses Spiel nicht einfach mitspielt.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Sein Name ist nicht nur länderübergreifend, sondern sogar "interkontinental" bekannt. Der kann nicht mehr "bekannter" gemacht werden und "Märtyrer" ist er bei der entsprechenden Klientel bereits. Wie Sie allerdings auf den NSU kommen, verstehe ich nicht, die haben ja gerade alles dafür getan NICHT bekannt zu werden. Auch Breivik wollte kein "Märtyrer" werden, sondern ein "Fanal" setzen, weil er in seiner Fantasiewelt glaubte, der "Krieg der Kulturen" stünde bevor und es bräuchte nur noch Einen, der ihn initiiert.