Streit um Bürgschaften für Syrer*innen: Hamburg stellt sich stur
In vielen Bundesländern sehen die Behörden davon ab, Geld von Bürger*innen zu fordern, die für Syrer*innen bürgten. Hamburg hingegen hält daran fest.
Und zwar so lange, bis diese hier einen Asylstatus und damit ein Recht auf Sozialleistungen in Deutschland zugesprochen bekamen. Auf diese Weise konnten Syrer*innen Familienangehörige per Flugzeug nachholen, statt sie dem Todestrip über das Mittelmeer auszusetzen.
Viele der Bürg*innen mussten sich danach allerdings vor Gericht mit den Sozialämtern auseinandersetzen. Der Streitpunkt ist bei allen betroffenen Bürg*innen die Frage, wie lange ihre finanzielle Verpflichtung eigentlich gilt. Der entsprechende Paragraf im Aufenthaltsgesetz beantwortete diese Frage damals nicht.
Beim Unterschreiben gingen die Bürg*innen davon aus, dass ihre Verpflichtung enden würde, sobald die Geflüchteten anerkannt und damit sozialleistungsberechtigt würden. Vor Gericht bekamen sie damit zum Teil Recht. In Hamburg ist dazu bisher noch nichts entschieden worden. Der erste Fall wird am Montag vor dem Verwaltungsgericht verhandelt.
Nach fünf Monaten kam der erste Zahlungsbescheid
Michael N. (Name geändert), der am Montag als Kläger gegen die Stadt Hamburg vor Gericht steht, unterstützte zusammen mit einem Freundeskreis die Familie von Fathi Mustafa. Er konnte daher seine Eltern, seine beiden Brüder und seine Oma auf legalem Weg nach Deutschland nachholen. Michael N. bürgte für Mustafas Oma. Im Oktober 2015 unterschrieb er die Verpflichtung, im Januar 2016 landete die Syrerin in Hamburg. „Es war eine gute Möglichkeit zu helfen“, sagt N.
Fathi Mustafa
Ein Jahr nach ihrer Ankunft bekam Mustafas Großmutter den subsidären Schutzstatus und damit einen Anspruch auf Grundsicherung zugesprochen. Fünf Monate später flatterte der erste Zahlungsbescheid bei N. ins Haus. Er legte Widerspruch ein und vereinbarte mit der Rechtsabteilung der Behörde, die Zahlung zu stunden, bis das Gericht darüber entschieden hat. Für ihn geht es um 14.760 Euro.
Mittlerweile hat die Gesetzgeberin den Paragrafen im Aufenthaltsgesetz geändert, seit August 2016 heißt es dort explizit, dass die finanzielle Verpflichtung nicht mit einem positiven Asylbescheid endet, sondern künftig für fünf Jahre gilt. Vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene Bürgschaften, wie die von N., befristete sie rückwirkend auf drei Jahre. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte den Anspruch der Jobcenter, bereits ausgezahlte Gelder von den Bürgen zurückzufordern.
Aber die Oberverwaltungsgerichte der Länder fanden trotzdem Lösungen, die Bürg*innen nicht im Regen stehen zu lassen, wie es unter anderem auch der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) gefordert hatte. Letztlich stellt sich in jedem einzelnen Fall die Frage, von welchem Gültigkeitszeitraum eine objektive Beobachterin zu dem Zeitpunkt ausgehen musste, zu dem ein Bürge oder eine Bürgin die Verpflichtung unterschreibt.
Der Richter will Michael N. Recht geben
Laut der Anwältin Cornelia Ganten-Lange, die Michael N. bei der Verhandlung am Montag vertritt, stellte der zuständige Verwaltungsrichter bereits in Aussicht, der Einschätzung des Klägers zu folgen. Das bedeutet, dass Michael N. wohl Recht bekommen wird. Ganten-Lange versteht daher nicht, warum das Amt daraufhin trotzdem nicht von der Forderung absah, sondern es auf die Verhandlung ankommen lässt. Vor allem auch deshalb, weil Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Januar 2019 die Jobcenter anwies, von den Forderungen gegenüber den Bürg*innen abzusehen.
Der Fall von N. liegt allerdings noch etwas anders, weil hier das Grundsicherungsamt des Hamburger Bezirks Altona zuständig ist. Trotzdem: „Auf Bundesebene wurde ein politischer Strich unter die Forderungen gezogen“, sagt Anwältin Ganten-Lange. In Schleswig-Holstein etwa sehen die Behörden von den Forderungen ab. In Niedersachsen entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zugunsten der Bürg*innen, andere Verwaltungsgerichte folgten dem Urteilsspruch, obwohl er nicht bindend ist. „Nur Hamburg stellt sich quer“, sagt Ganten-Lange. Das Bezirksamt Altona äußerte sich am Donnerstag nicht zu dem laufenden Verfahren.
Für Fathi Mustafa ist es nicht nachzuvollziehen, dass die Bürg*innen, die ermöglichten, dass seine Familie auf sicherem Wege nach Deutschland kommen konnte, nun vor Gericht ziehen müssen. „Es war doch alles legal“, sagt Mustafa. Er findet den Streit auch politisch falsch. „Diese Menschen haben Leben gerettet, sie verdienen das nicht. Sie müssten vielmehr als Helden anerkannt werden“, fordert er.
Für Michael N. ist das Hin und Her mit der Behörde zwar nervig, aber nicht überraschend. „Der Staat ist nach der Menschenrechtskonvention und der europäischen Gesetzeslage verpflichtet, Asyl zu gewähren, aber er wälzt die Verantwortung auf die Bürger ab“, kritisiert er. Das passe in das große Gesamtbild, wie in Deutschland mit Asylrechten umgegangen werde.
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