Streit um Berliner Markthalle: Halle für alle
Kampf um Aldi: Am Samstag protestierten Anwohner gegen die Schließung der Discounterfiliale in der Markthalle Neun.
„Bei dm kann man kein Bier klauen“, hat ein Anwohner auf sein Plakat geschrieben. Ein anderer hält ein Schild hoch, an dem er einen Kuscheltier-Elefanten befestigt hat: „Ein Elefant im Porzellanladen ist nichts gegen euch“ steht darauf. Am Samstag um 15 Uhr haben sich rund 300 Menschen vor dem Haupteingang der Markthalle Neun in der Kreuzberger Eisenbahnstraße versammelt. Sie singen, tragen Gedichte vor und diskutieren – um einen Discounter zu retten. Die Aldi-Filiale in der Markthalle soll bleiben.
Die Betreiber haben dem Discounter gekündigt, stattdessen soll im nächsten Jahr eine dm-Filiale einziehen. Anwohner fürchten deshalb, eine der letzten günstigen Einkaufsmöglichkeiten im Kiez zu verlieren.
„Ich hätte mir nie im Leben vorstellen können, mal für Aldi auf die Straße zu gehen“, sagt eine Anwohnerin beim „offenen Mikrofon“ auf der Kundgebung. Tatsächlich möchte keiner der Anwesenden die Supermarktkette verteidigen. Man unterstütze den Wunsch der Betreiber, regionales Bioessen anzubieten, heißt es. Aber es gehe darum, die Markthalle nicht in eine kommerzielle Eventlocation zu verwandeln. Nicht oft genug geöffnet sei sie, häufig fänden Veranstaltungen statt, die Eintritt kosten. Die Events zögen zu viele Touristen an, die seien laut, alkoholisiert und würden den Verkehr mit ihren Reisebussen verstopfen. Auch der Müll sei ein Problem.
2011 hatten die jetzigen Betreiber ihr Konzept vorgestellt, um die ausgestorbene Markthalle mit neuem Leben zu füllen. Die Anwohner unterstützten damals den Plan, auf kleine regionale Händler zu setzen. Dass 100 Gramm Käse nun 4 Euro kosten, sei für viele aber nicht mehr tragbar. Die Aldi-Kündigung bestätigt ihre Sorge, im Kiez nicht mehr willkommen zu sein. „Die Markthalle in ihrer gegenwärtigen Form trägt auch dazu bei, dass die Mieten hier weiter steigen“, sagt eine Sprecherin der Initiative.
Aber auch die regionalen Händler haben es nicht leicht. „Wo soll das Geld denn herkommen, wenn alles so billig sein muss?“, sagt eine Floristin, die in der Markthalle Blumen verkauft. Wer nachhaltig handeln und seine Mitarbeiter gleichzeitig fair bezahlen wolle, müsse höhere Preise verlangen. Gegen die Händler richte sich der Protest nicht, antwortet die Initiative. Sie wollen mit ihnen gemeinsam nach Lösungen suchen.
Die Betreiber haben nun ein weiteres Gespräch für Dienstagabend in der Markthalle angekündigt, um ihre Interessen mit denen von AnwohnerInnen und HändlerInnen abzustimmen. Einen ersten runden Tisch gab es bereits am Dienstag. Die Aldi-Kündigung wollen die Betreiber aber nicht zurücknehmen.
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