Streit um Abtreibungsrecht in den USA: Texanische Richterin bremst Verbot
Maya Guerra Gamble verhindert vorerst die Anwendung des neuen restriktiven Abtreibungsrechts in Texas. Frauen dort schöpfen Hoffnung.
Ungeachtet der zunächst für zwei Wochen gültigen einstweiligen Verfügung allerdings bleibt das texanische Verbot der Abtreibung nach der sechsten Schwangerschaftswoche weiterhin in Kraft.
Das radikalste Antiabtreibungsgesetz der letzten vier Jahrzehnte in den USA ist seit letztem Mittwoch in Texas rechtskräftig. Da 85 bis90 Prozent aller Schwangerschaftsabbrüche in Texas erst nach Ablauf der sechsten Woche stattfinden, ist das Gesetz ein De-fakto-Verbot. Abtreibungszentren in dem Bundesstaat mussten in den zurückliegenden Tagen bereits zahlreiche Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch wollen, abweisen.
Das Gesetz ist der bislang größte politische Erfolg der selbsternannten „Pro Life“-Bewegung seit 1973. Damals entschied der Oberste Gerichtshof in dem Grundsatzurteil „Roe gegen Wade“, dass Frauen das grundsätzliche Recht auf Schwangerschaftsabbruch haben. Jetzt hat die konservative Mehrheit in Texas einen Trick gefunden, den zahlreiche andere republikanisch regierten Bundesstaaten kopieren wollen: Sie ermuntert BürgerInnen zur Denunziation.
Wer denunziert, wird belohnt
Privatleute sollen Frauen, die nach Ablauf der sechsten Wochen abtreiben wollen, sowie Angehörige, die sie unterstützen, Fahrer, die sie transportieren, und Beschäftigte im Gesundheitswesen, die sie beraten, anzeigen. Im „Erfolgsfall“ winken den DenunziantInnen 10.000 Dollar.
Guerra Gamble stammt aus Texas. Seit ihrer Zulassung als Anwältin Mitte der 90er Jahre hat sie viel über Kinderrecht und Einwanderungsrecht gearbeitet. Sie ist Demokratin, Feministin und stolz auf ihre Vorfahren, die aus Mexiko gekommen sind. Seit ihrer Wahl zur Bezirksrichterin im Jahr 2018 gilt sie als eine Latina-Erfolgsgeschichte in Texas.
Auf ihrer Facebookseite hat die Richterin sich für viele Belange eingesetzt, die den in Texas vorherrschenden Republikanern gegen den Strich gehen: Sie wirbt für Covid-19-Impfungen und sie beging den neuen Bundesfeiertag Juneteenth, der an die Sklavenbefreiung erinnert. Als Joe Biden und Kamala Harris im Januar ihr Amt antraten, schrieb sie: „Heute ist ein großartiger Tag“.
„Wir sind erleichtert“, erklärte Helene Krasnoff, Vizepräsidentin von Planned Parenthood, nach der einstweiligen Verfügung. Ihre Organisation, die das Bezirksgericht in Austin eingeschaltet hat, ist in Texas schon lange ständiger Überwachung und Bedrohung ausgesetzt. Am 13. September wird die einstweilige Verfügung gerichtlich überprüft. Sollte sie standhalten, wird sie auch anderen Organisationen als Modell dienen.
Gleichzeitg planen Frauengruppen quer durch die USA einen Aktionstag für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch am 2. Oktober.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“