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Streit mit der TürkeiBerlin weist Nazi-Vergleich zurück

Der Ton wird rauer. Deutsche Politiker mahnen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Bundesregierung kritisiert die Äußerungen Erdoğans scharf.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf Konfrontationskurs Foto: dpa

Berlin afp/epd/rtr | Die Bundesregierung hat den Nazi-Vergleich des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan scharf kritisiert. „Gleichsetzung der Politik des demokratischen Deutschlands mit der des Nationalsozialismus weisen wir entschieden zurück“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Ohnehin seien NS-Vergleiche immer absurd und deplaziert, denn sie führten nur dazu, die Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus zu verharmlosen.

Mehrere abgesagte Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsvertreter in Deutschland waren in der Türkei auf Kritik gestoßen. Erdoğan hatte das Vorgehen kommunaler Behörden mit „Nazi-Praktiken“ verglichen.

Der Bundesregierung liege viel an einem guten Verhältnis mit Ankara, betonte Seibert. Es gebe in diesen Tagen aber tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und der Türkei. Die Bundesregierung habe in den vergangenen Monaten immer wieder ihre große Sorge über die Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit ausgedrückt.

Erneut forderte die Bundesregierung eine faire und rechtsstaatliche Behandlung für den in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel. Man erwarte, dass Yücel möglichst bald seine Freiheit wieder erlange. Schließlich habe er sich freiwillig den Ermittlungen zur Verfügung gestellt.

Seibert betonte die Dialogbereitschaft der Bundesregierung. Unter Partnern müsse man die Auseinandersetzung führen, sagte der Regierungssprecher. Dies müsse unter Berücksichtigung der Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit geschehen.

Özdemir fordert eine europäische Antwort

Zuvor hatten führende Politiker aus Koalition und Opposition vor einer Eskalation des Streits mit der Türkei gewarnt. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir bewertete den Nazi-Vergleich Erdoğans am Montag in der ARD als irrational und mahnte dazu, kühlen Kopf zu bewahren.

Er forderte die Bundesregierung aber auf, die Entscheidung über Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland nicht bei den Kommunen abzuladen. Am besten wäre eine gemeinsame, abgestimmte europäische Antwort auf diese Frage. Wenn türkische Politiker hier reden wollten, müssten sie sich an die Regeln und Gesetze halten.

Bundesjustizminister Heiko Maas lehnt ein Einreiseverbot für türkische Politiker ebenfalls ab. „Die Verhängung eines Einreiseverbots würde nichts verbessern“, sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“. Den Vorwurf Erdoğans an deutschen Behörden, mit der Untersagung von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker zu handeln wie in der Nazi-Zeit, nannte Maas „so abstrus, infam und abwegig, dass man sich ja fast die Frage stellt, ob es einem nicht zu blöd ist, das überhaupt noch zu kommentieren“.

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12 Kommentare

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  • Und zwischendurch lobte Erdogan das regierungssystem unter Hitler. Vielleicht mal die Rückfrage, ob er Deutschland loben oder kränken wollte. Und wie steht die AfD dazu? Sieht sie das als Lob oder als Kränkung? ganze Landesverbände von denen sind doch schließlich extrem rechts utnerwandert (Saarland, Thüringen, Bayern zum Beispiel und von den adneren fehlen mir die Kenntnisse).

  • „Die Bundesregierung kritisiert die Äußerungen Erdoğans scharf“

     

    Nicht nur die Bundesregierung, auch die Opposition! Genauer gesagt, ein Teil davon: Auch Cem Özdemir von den Grünen fand angemessene Worte. Nur den Politikern der Linkspartei blieb es mal wieder vorbehalten, die Kritik der anderen Parteien zwar beiläufig zu erwähnen, dann aber vor allem die Bundesregierung zu kritisieren, und Forderungen an diese zu stellen:

     

    Nämlich „eine rote Linie“ zu ziehen“, den „Flüchtlingspakt zu beenden“, die „BW aus Incirlik abzuziehen“, sowie schulmeisterlich zu erklären, was „die konsequente Haltung der Bundesregierung sein“ müsste . Natürlich kann man all das fordern, aber zunächst mal wäre es wichtiger gewesen, dass Erdoğan eine einstimmige Zurechtweisung von ALLEN demokratischen Parteien aus Deutschland erfährt! https://www.neues-deutschland.de/artikel/1043861.bartsch-kein-geld-mehr-fuer-den-autokraten-erdogan.html?sstr=erdogan|nazi

  • Wenn sich Herr Erdogan nicht scheut mit seinem Nazi-Vergleich ins selbe Horn zu stoßen wie Bunga-Bunga-Berlusconi, dann wird er sicherlich nichts dagegen einzuwenden haben, mit ihm auch auf dasselbe Niveau gestellt zu werden. Immerhin sind auf diesen seinerzeit auch über einige Jahre die Mehrzahl der italienischen Wähler hereingefallen. Das steht auch hier zu befürchten.

     

    Möglicherweise könnte deshalb Martin Schulz aus alter Erfahrung mit solchen Leuten etwas besser umgehen.

    • @noevil:

      Was hat Schulz denn gemacht, als Berlusconi ihm die Rolle in der Sitcom anbot?

       

      Eine Reaktion von ihm ist mir gar nicht bekannt.

      • @Age Krüger:

        Das weiss ich, aber: Ich bin mir sicher, dass Martin Schulz danach gedanklich auf einige wirkungsvolle mögliche Reaktionen als Lösungsansatz gestoßen ist. Denn so etwas beschäftigt natürlich, besonders, wenn man momentan sprachlos ist... ;)

  • Sind das nicht dieselben Heinis, die sich vorbehalten, zu genehmigen, ob deutsche Soldaten in Incirlik besucht werden dürfen?

  • Herr Erdogan soll sich schämen.. und sollte sich für seine verbalen Entgleisungen Entschuldigen! Seine hässliche Rhetorik ist eines ernstzunehmenden Präsidenten nicht würdig! Bravo Cem Özdemir !

  • Cem ist an dieser Stelle aber so was von thematisch gut aufgestellt!

    Dickstes aller Lobe für ihn.

  • Vielleicht war Böhmermann mit seinem Gedicht einfach ein Jahr zu früh?

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @cursed with a brain:

      Böhmermanns einziges Verdienst: Die Dünnhäutigkeit und Humorlosigkeit Erdogans hat er zutage befördert.

      Was sollte er denn jetzt noch damit erreichen können, außer Öl ins lodernde Feuer zu gießen?

  • http://www.der-postillon.com/2017/03/schnurrbart-mann.html

     

    Klirr, Berst, Schepper! Ach Erdogan, im Glashaus läßt sich treffsicher mit Steinen (und/oder Nazivergleichen) werfen!