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Streit in der AfD Nordrhein-WestfalenLandesvorstand blockiert Direktkandidaturen

Der Streit in der AfD NRW eskaliert: Der Landesvorstand um Martin Vincentz blockiert die Direktkandidaturen der Abgeordneten Helferich und Beckamp.

Martin Vincentz, Vorsitzender der AfD-Fraktion NRW, am 13. 9. 2024

Berlin taz | Der Streit in der AfD Nordrhein-Westfalen eskaliert: Der Landesvorstand um Martin Vincentz hat nun den beiden Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich und Roger Beckamp die Unterschrift für ihre Wahlkreiskandidaturen verweigert. Beide waren von ihren Kreisverbänden für die vorgezogene Bundestagswahl im Februar aufgestellt worden. Doch die eigentlich formal noch erforderliche Unterschrift, damit die Kandidatur offiziell werden kann, verweigert der Landesvorstand nun und blockiert damit die beiden Kandidaten.

Sowohl Beckamp als auch Helferich sind gut vernetzt in extrem rechten Kreisen. Beide sind für offenen Rassismus bekannt. Seit Monaten machen die beiden Stimmung gegen den Landesvorstand, der mit dem Höcke-Lager über Kreuz liegt und sich gerne als liberalkonservativ verharmlost. Nun hat der zurückgeschlagen.

Helferich, der sich mal als das „freundliche Gesichts des NS“ bezeichnet hatte, machte den Vorgang am Montag öffentlich und höhnte auf X: „Vincentz’ Frau tut mir leid: Er scheint von mir besessen zu sein. Heute legte der Landesvorstand Einspruch gegen die Wahl von Roger und mir als Direktkandidaten ein. Man ist im Vincentz-Lager wohl so verzweifelt, dass man nun Wahlen rückgängig macht.“

Der Pressesprecher von Vincentz bestätigte der taz, dass der Landesvorstand die Kandidatur nicht unterstützt. Hintergrund sei unter anderem das laufende Parteiausschlussverfahren gegen Helferich. Der Sprecher sagte: „Herr Helferich wird wahrscheinlich nicht mehr lange Mitglied der Partei sein. Er hat sich hervorgetan durch parteischädigendes Verhalten.“ Sowohl Beckamp als auch Helferich arbeiteten seit Monaten öffentlich gegen den eigenen Landesverband und leisteten so gut wie keine parlamentarische Arbeit als Abgeordnete: „Daher erachten wir beide als ungeeignete Kandidaten und sind bestrebt, Schaden von unserer Partei abzuwenden“, so der Sprecher.

Hausdurchsuchungen, Urkundenfälschung, Geldwäsche

Beckamp hatte zuletzt ein ausführliches Statement veröffentlicht, in dem er dem Landesvorstand zahlreiche Vorwürfe machte. Man laufe in Nordrhein-Westfalen Gefahr, der AfD den Einzug in den Bundestag zu verhageln, weil es Rechtsunsicherheiten bei der Aufstellung der Landesliste geben könnte, so der Abgeordnete in dem aufwändig produzierten Facebook-Video.

Er bezog sich darin auch auf Vorwürfe gegen den Landtagsabgeordneten Klaus Esser, bei dem die Staatsanwaltschaft Aachen letzte Woche eine Hausdurchsuchung durchführte. Esser gilt als Vertrauter des Landesvorsitzenden Vincentz. Er soll sich zu Unrecht als Jurist ausgegeben und Urkunden gefälscht haben. Zudem gibt es gegen ihn eine Anzeige wegen Geldwäsche. Hinzu kommt, dass er bei der Mitgliedsaufnahme getrickst haben soll, was eventuell die Rechtmäßigkeit der anstehenden Aufstellungsversammlung für die Bundestagswahl beeinflussen könnte. Esser bestreitet die Vorwürfe. Der Ermittlungen wegen Geldwäsche sollen laut Partei mittlerweile eingestellt sein.

Beckamp kritisiert in seinem Video, dass der Landesvorstand bereits lange über die „kriminellen Machenschaften“ Essers Bescheid gewusst, aber nicht reagiert habe. Zudem äußerte der Abgeordnete Zweifel, dass der in Marl vom 2. bis zum 5. Januar anstehende Landesparteitag an mehreren Werktagen und in den Weihnachtsferien nicht zumutbar sei – und damit möglicherweise auch rechtlich angreifbar. Es sei ein Unding, „dass die Delegierten unter der Untätigkeit und leider auch Unfähigkeit des Landesvorstands leiden müssen“, so Beckamp.

Der taz sagte Beckamp am Montag nun zur Blockade seiner Direktkandidatur: „Traurige Geschichte, dass man im innerparteilichen Wettbewerb solche Methoden anwendet.“ Er warf dem Landesvorstand vor, wie „Altparteien“ zu agieren. Angriffslustig kündigte er an, bei einer erneuten Aufstellungsversammlung in seinem Wahlkreis in Rhein-Sieg nochmal kandidieren zu wollen – dann könne der Landesvorstand die Kandidatur nicht mehr verhindern. Ein Ende des Streits ist also noch lange nicht in Sicht.

Auch Helferich kündigte der taz gegenüber an, erneut antreten zu wollen. Er sei sich der Unterstützung seines Kreisverbands Dortmund sicher. Sein Parteiausschlussverfahren sei hingegen noch nicht eröffnet, sagte Helferich, der selbst Jurist ist. Gegen das Parteischiedsgericht liege ein Befangenheitsantrag vor. „Die machtpolitische Willkür ist offensichtlich und man scheut sich meinem Eindruck nach, weiterzuverhandeln.“ Sowohl Helferich als auch Beckamp wollen sich Anfang Januar beim Parteitag in Marl auch auf die Landesliste wählen lassen.

Sollte die Landesliste aufgrund rechtlicher Anfechtungen im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen nicht zustande kommen und die AfD nicht antreten können, könnte das die autoritär-nationalradikale Partei vier bis fünf Prozentpunkte der Gesamtstimmen bei der Bundestagswahl kosten. Auch die Landeswahlleitung hat in dem Fall aufgrund der Ungereimtheiten bereits bei der AfD nachgefragt. Der Landesvorstand beteuert hingegen, alle rechtlichen Probleme aus der Welt geschafft zu haben. Die AfD-Spitze um Alice Weidel bleibt wohl trotzdem alarmiert.

Hinweis: Der Text wurde am 10.12.2024 um die Information aktualisiert, dass das Ermittlungsverfahren gegen Klaus Esser wegen Geldwäsche mittlerweile eingestellt ist.

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3 Kommentare

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  • Ja bitte, zerlegt euch nur selbst, weiter so !

  • Oh, was wäre das schön, wenn die Albernariven sich auch nach Zoz weiter selbst ausbremsen würden. Glück auf!

  • >Sollte die Landesliste aufgrund rechtlicher Anfechtungen im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen nicht zustande kommen und die AfD nicht antreten können, könnte die autoritär-nationalradikalen Partei das vier bis fünf Prozentpunkte der Gesamtstimmen bei der Bundestagswahl kosten.

    Was jetzt genau? 4-5 Prozentpunkte bei den gesamten Wählerstimmen? Hieße das, dass die AfD statt 18 nur 13-14 Prozent bekäme? Oder sind Prozent der AfD-Gesamtstimmen gemeint? Immerhin wohnen auch in NRW nur ein Fünftel der Wahlberechtigten, und die AfD ist dort unterdurchschnittlich stark bei Wahlen. Aber wieso dann Prozentpunkte statt Prozent?