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Streit bei den WirtschaftsweisenExpertin beschädigt sich selbst

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Manche wittern hinter dem Streit eine Intrige gegen die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Tatsächlich geht es um etwas anderes.

Veronika Grimm bei der Vorstellung des Jahresgutachtens 2023/24 der Wirtschaftsweisen im vergangenen November Foto: dts/imago

D arf Veronika Grimm als eine von fünf Wirtschaftsweisen ein Mandat als Aufsichtsrätin in einem großen Industrieunternehmen annehmen? Ja, sie darf, formal ist dagegen nichts einzuwenden. Das Sachverständigenratsgesetz von 1963 schließt die Wahl eines Ratsmitglieds in einen Aufsichtsrat nicht aus.

Die Frage beim mittlerweile nicht mehr internen Streit des wichtigsten ökonomischen Beratergremiums der Bundesregierung ist aber eine andere: Ist eine solche Doppelrolle legitim? Das ist eine moralische und keine juristische Frage. Und die ist klar mit Nein zu beantworten.

Nicht nur, weil die Interessenüberschneidung klar auf der Hand liegt. Die Professorin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist Energieexpertin, Siemens Energy, wo Grimm das Mandat bekommen soll, ist ein Konzern im Bereich der konventionellen und erneuerbaren Energien.

Das Nein zum Mandat ergibt sich auch aus einem gesellschaftlichen Wandel: Früher wurden solche Personalien gern hinter verschlossenen Türen verhandelt, die Bevölkerung wurde mit dem Ergebnis überrascht und musste es schlucken. So einfach geht das heute nicht mehr, vielmehr müssen Compliance-Regeln eingehalten werden, Kon­troll­gremien überwachen Vorgänge wie diese und können Einspruch erheben. Das ist Demokratie. Und das soll Korruption verhindern. Auch werden solche Vorgänge heute viel schneller öffentlich, der „Brandbrief“ der vier anderen Wirtschaftsweisen, die sich gegen die Annahme des Mandats ihrer Kollegin aussprechen, ist im Internet nachzulesen.

Manche wittern hinter dem Streit eine Intrige gegen Grimm. So kann man das sehen. Man kann aber auch anerkennen, dass Grimm mit ihrem ökonomischen Konservatismus, der zuweilen ins Neoliberale abgleitet, vor allem die Interessen der Unternehmen im Blick hat. Insofern wundert es nicht, dass Siemens sich sie als Aufsichtsrätin wünscht. Und dass Grimm jetzt vor allem von Konservativen unterstützt wird. Ihrer eigenen Reputation hat Grimm trotzdem keinen Gefallen getan.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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16 Kommentare

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  • " Ist eine solche Doppelrolle legitim? Das ist eine moralische und keine juristische Frage."

    --> Schön, dass Frau Schmollack einräumt, dass es keinerlei Sachargumente gegen die Stelle als Aufsichtsrätin gibt.

    Es ist wie immer: Immer dann, wenn eine Seite keine oder keine logischen Sachargumente hat, wird die gute alte Moralkeule aus der Mottenkiste geholt. Denn gegen moralische "Argumente" gibt es keine Verteidigung. Leider offenbart sich daran auch, dass die Gegner von Frau Grimm keine anderen Argumente mehr haben und es sich um eine misogyne Kampagne gegen eine erfolgreiche Frau handelt.

    "So einfach geht das heute nicht mehr, vielmehr müssen Compliance-Regeln eingehalten werden, Kon­troll­gremien überwachen Vorgänge wie diese und können Einspruch erheben"

    --> Und offensichtlich ist keine einzige dieser Compliance-Regeln verletzt und es hat kein Kontrollgremium Einspruch erhoben. Anders als bei der Habeck'schen Vetternwirtschaft im Wirtschaftsministerium hat sich Frau Grimm offenkundig an alle Vorgaben gehalten.

    Von daher: Die Hetzkampagne kann und sollte eingestellt werden. Sie hat misogyne Züge und die taz sollte sich daran nicht beteiligen (oder gelten feministische Argumente nur dann, wenn es Grüne oder Linke trifft?).

    • @Kriebs:

      Interessenskonflikte sind keine Moralkeulen. *eyeroll*

      Bezeichnend, dass sie als Beispiel für Vetternwirtschaft auf Habeck verweisen und nicht auf Wissing, dessen Ministerium jetzt die Reißleine ziehen musste und alle Wasserstoffförderungen erstmal auf Eis legen musste...

      • @pika:

        "Interessenskonflikte sind keine Moralkeulen. *eyeroll*" --> Das ist richtig. Das Problem daran ist, dass ebenjene (vermeintlichen) Interessenkonflikte bestenfalls herbeigeraunt werden. Weder Frau Schmollack, noch irgendjemand anderer konnte bisher keinen einzigen Interessenkonflikt auch nur klar benennen, geschweige denn, dass irgendwelche Belege für diesen angeblichen Interessenkonflikt vorliegen.

        Pointiert gesagt: Ein Interessenkonflikt ist auch unmöglich. Die Aufgabe des Sachverständigenrates ist nach § 2 des Gesetzes:

        "Der Sachverständigenrat soll in seinen Gutachten die jeweilige gesamtwirtschaftliche Lage und deren absehbare Entwicklung darstellen. [...] Der Sachverständigenrat soll Fehlentwicklungen und Möglichkeiten zu deren Vermeidung oder deren Beseitigung aufzeigen, jedoch KEINE EMPFEHLUNGEN für bestimmte wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen aussprechen."

        Die wichtigste Stelle habe ich in Kapitälchen gesetzt. Mit anderen Worten: Der Sachverständigenrat hat kein politisches Mandat (nicht einmal beratend). Damit kann es auch keinen Interessenkonflikt geben, weshalb Frau Schmollack ja schrieb:

        "Das ist eine moralische und keine juristische Frage."

        Daneben: Die Rolle des Aufsichtsrates ist die Kontrolle des Vorstands. § 111 AktG:

        "(1) Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen. [...]

        (4) Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden."

        Deshalb bleibt es dabei: Es handelt sich um eine misogyne Kampagne gegen eine erfolgreiche Frau mit Ansichten, welche die Übrigen Mitglieder am Liebsten loswerden würden.

  • Der Kommentar hätte detaillierter den



    Interessenkonflikt beschreiben sollen,



    der hier als Grund für die Unzulässigkeit



    der AR-Mandats- Übernahme durch Frau



    Grimm angeführt wird. Weder hat ein



    AR-Mitglied Einfluß auf konkrete



    operative Unternehmensentscheidunge



    noch geben die Wirtschaftsweisen



    konkrete Empfehlungen zu einzelnen



    Branchen, die Regierung hält sich



    ohnehin nicht an deren generellen Rat.

  • Warum soll sie das Mandat nicht annehmen?



    Nur weil sie mit ihrer Meinung nicht der Ampelmeinung entspricht?



    Das ist ja wohl kein Grund. Die Wirtschaftsweisen reden der Regierung schon genug nach dem Mund.

  • Das ist so typisch: Die großen Unternehmen, die uns die Klimascheiße eingebrockt haben und immer noch die ersten Ansprechpartner für die Politik sind sollen noch an der Abwicklung des Desasters beteiligt bleiben (weil sie ja oft mehr Kohle=Einfluß als der Staat haben) statt alles, was aus Profitgründen an der Umweltzerstörung beteiligt war, in Frage zu stellen: Shell, die Autoindustrie, RWE, BASF/Wintershall, aber auch Siemens etc. Das Verrückte ist ja auch: Weil die Multis ob ihrer Größe viel schneller an die Grenzen ihres Wachstums angekommen sind, haben sie doch gar keine Zukunft mehr, wo wollen sie denn noch hin, wenn ihre Märkte erschöpft sind. Mit ihrer Sorge sind 'Politiker' wirklich schlecht beraten, wenn sie jetzt noch mit den 'Großen' die Welt, die sie zerstören, retten wollen, das gilt auch für die Beraterinnen und Berater.

  • Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist meines Erachtens nach eh eine sehr fragwürdige Organisation.

    1) Das von der Bundesregierung ausgewählte Gremium wird wohl kaum eine schlechte Wirtschaftspolitik der Bundesregierung offen aussprechen.



    2) In ihren Vorhersagen des Wachstum lagen sie in den letzten Jahren stark daneben, und liegen für dieses Jahr total daneben. Erst sollten es 1.3% Wachstum sein, jetzt 0,2%. Es wird wohl eher -0,5 bis -1% werden.

    Da ich am Sinn dieser Organisation zweifle, ist es mir eh egal, wer da was macht. Neutral sind sie ohnehin nicht.

  • Man fragt sich, für was der Steuerzahler ihr ein Gehalt zahlt, wenn sie "nebenbei" auch noch Zeit und Muse für die Tätigkeit als Wirtschaftsweise und als Aufsichtsrat.



    Von der Unabhängigkeit der Forschung noch gar nicht gesprochen, wenn man bei der Nebentätigkeit 150% der Vergütung des Hauptjobs bekommt

  • Das muss geändert werden. Wirtschaftsweise dürfen nicht eine Aufsichtsratsrolle übernehmen. Das ist ja auch unlauterer Wettbewerb.



    PolitikerInnen sollten auch keine einflußreichen, anderen Posten übernehemen dürfen!

    • @emmicam:

      Gibt es für ihre Meinung auch Argumente? Unlauterer Wettbewerb ist etwas ganz anderes, sie können sich gerne mal das entsprechende Gesetz durchlesen.

    • @emmicam:

      Wer soll das ändern? Die FDP? Oder CDSU?? Die SPD??? Da geht den Parteien ein schöner "Belohnungsparkplatz" für verdiente Kader flöten. Das machen die niemals!!!

      • @Perkele:

        Sie haben die Grünen vergessen, die sind auch Weltmeister für "Belohnungsparkplätze"

  • Ich bin darüber verwundert, dass dieser Streit "im Gremium" ausgetragen wird bzw. zunächst ausgetragen worden ist. Diese Frage der Einmischung der übrigen Mitglieder ist nicht deren Aufgabe. Dazu sind sie nicht berufen.

    In einem weiteren Schritt muss man dan schauen, mit welchen Aufgaben die Position eines Aufsichtsrates verbunden ist. Ein Aufsichtsrat vertritt nicht das Unternehmen, sondern die Interessen einer Interessengruppe - Eigner oder Arbeitnehmer. Insoweit sehe ich keinen Konflikt, wenn und soweit die Berufung zum Aufsichtsrat bekannt ist. Es handelt sich um ein Beratungsgremium und nicht um ein Entscheidungsgremium.

    Auch in der Vergangenheit gab es Wirtschaftsweise mit gleichzeitiger Aufsichtsratposition (u.a. Frau Weder di Mauro).

    Für Problematisch erachte ich auch die Vermischung der Themen "Aufsichtsrat" und "ökonomischer Konservatismus". Das verstärkt dann das Gefühl der Intrige.

  • Sie müsste selbst erkennen, wo das Problem liegt. Das sie das nicht kann oder will, ist das eigentlich Unfassbare in der Angelegenheit.

    • @vieldenker:

      Unfassbar? Nein. Das würde ich eher in ein bekanntes Verhalten bei Neoliberalen und Konservativen einordnen.



      Menschen deren Geldbeutel kopflastiger ist als Ihre Professur, erkennen den qualitativen Unterschied einer unabhängigen Expertise meist nicht mehr.



      Das kann schon mal die Sicht "vernebeln" oder belasten, weil Geld eben schwerer ist als das freie Spiel der Gedanken.

      • @Sonnenhaus:

        Überall sind Professoren neben Forschung und Lehre tätig für andere



        Auftraggeber und schreiben Gutachten -



        das tun sie nicht um sonst. Haben Sie



        schon mal eine Expertenanhörung zu einem Gesetz mitverfolgt ? Da treten



        lfd. Professoren mit ihren gutachterlichen Stellungnahmen auf.