Streiks in Frankreich gehen weiter: Comeback der Gelbwesten
Die Proteste gegen die Rentenreform haben den Gelbwesten neuen Mut gegeben. Seit Tagen streiken die Menschen – ein Ende scheint vorerst nicht geplant.

Heute marschieren GewerkschafterInnen und Gelbwesten gemeinsam. Trotz der Risiken, beim geringsten Anlass von rücksichtslos vorgehenden Ordnungskräften gestoppt zu werden, versammelten sich bereits am Vormittag unweit des Finanzministeriums mehrere Hundert Gelbwesten und andere Regierungsgegner zu einem Demonstrationsmarsch, der quer durch die Hauptstadt führen sollte. Bereits am frühen Nachmittag war es zu einigen Zusammenstößen zwischen Gelbwesten und Polizei gekommen, die unter anderem auch Tränengas einsetzte.
Die Konvergenz der Forderungen und Bewegungen findet auf der Straße statt und bringt die Regierung unter Druck. Nicht alle haben dieselben Zielsetzungen. Am Samstag haben beispielsweise LKW-Fahrer an mindestens 15 verschiedenen Orten Autobahnen oder strategische Verkehrsknoten blockiert, um gegen ihre Steuerlast und Abgaben auf Treibstoff zu protestieren, die sie im Wettbewerb mit Konkurrenten aus dem europäischen Ausland benachteiligten und ein „Sozialdumping“ zur Folge habe. Weiterhin werden auch einige Erdölraffinerien und Treibstofflager blockiert.
Keine Schule, kein Weihnachtsgeschäft – keine Rentenreform?
Auch am Samstag war der Bahnverkehr in ganz Frankreich und auch die Pariser Metro von Streiks weitgehend still gelegt. Die Bahnhöfe sind seit Donnerstag wie ausgestorben. Vor den Bushaltestellen in Paris bilden sich kleine Gruppen, die auf eine Fahrgelegenheit warten. Glücklich schätzt sich, wer ein Fahrrad hat oder eine der elektrischen „Trottinettes“ (Mietroller) benutzen kann. Vor allem auf den Zu- und Ausfahrten und der Ringautobahn um Paris bilden sich immer wieder enorme Staus.
Wegen des Streiks fiel auch der Unterricht für Schulkinder aus. Für ein oder zwei Tage hatten sich deren Eltern untereinander oder mit Verwandten sowie für den Weg zur Arbeit mit Carsharing organisieren können. Nach drei Tagen geht das auf die Nerven. In den Zentren der Städte klagen auch die Geschäftsleute über dramatische Ausfälle im Weihnachtsverkauf, da ihre Kunden wegen der Transportprobleme ihr Einkäufe im Internet tätigen.
An dieser Krisensituation soll sich auch bis Mitte der nächsten Woche nichts ändern. Von Tag zu Tag beschließen die Streikenden die Fortsetzung ihrer Aktionen, für Dienstag möchten die Gewerkschaften erneut massiv zu Kundgebungen mobilisieren, bevor dann am Mittwoch Premierminister Edouard Philippe die Absichten der Regierung bezüglich ihrer Pläne für die Rentenreform präzisiert. Er hat erklärt, er suche nicht die „Konfrontation“ und hat bereits durchblicken lassen, dass Konzessionen möglich wären. Grundsätzlich will er aber am einheitlichen Punktesystem festhalten, mit dem die Regierung die derzeit 42 Rentenkassen ersetzen möchte. Bestärkt vom Erfolg der Mobilisierungen fordern die Gewerkschaften und Linksparteien den bedingungslosen Rückzug der Vorlage.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen