Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
Sobald die Menschen - ob in D oder F - das Wort "Reform" hören, legen sie verständlicherweise ihre Hand auf die Geldbörse.
Die kapitalistische Kommandowirtschaft verträgt sich nunmal nicht mit Demokratie.
Sobald heutzutage im üblichen Jargon wie "Reformstau", "…sind überfällig" etc. sogenannte Reformen gefordert werden, geht es ausschließlich um Verschärfung der neoliberalen Transformation.
In Frankreich wird also nicht mehr der Busfahrer in Paris früher in Rente gehen können als der Busfahrer in Bordeaux, sondern der Fahrer aus Bordeuax muss auch länger arbeiten.
Manche finden, das sei nur gerecht. Immerhin kann Macron dann das mit der Rentenreform eingesparte Geld in die Rüstung stecken und irgendwie den Spagat zwischen NATO-Zugehörigkeit und europäischer Verteidigung gegen Russland und China durchsetzen.
Wenn man ihn lässt…
„Doch die Französinnen und Franzosen trauen Macron nicht zu, ein neues, gerechteres System zu schaffen. Im Gegenteil: Sie fürchten, hinterher nur weniger Geld zu haben“
Oder, bezogen auf die im Beitrag erwähnten Busfahrer: Der Pariser Busfahrer will danach keinesfalls weniger verdienen als zuvor, und der Busfahrer in Bordeaux will dann mindestens soviel verdienen, wie sein Pariser Kollege bisher schon. Nicht nur Mathe-Professoren könnten fragen, woher der Differenzbetrag kommen soll?
Wo ist bloß der Gold-Esel aus dem bekannten Märchen der Gebr. Grimm abgeblieben? Der ist heutzutage nötiger denn je – nicht nur in Frankreich!
"Wenn er die „Mutter aller Reformen“ gegen den Protest der Straße durchsetzt, hat er die Weichen für seine Wiederwahl gestellt."
Ein sehr schöner Satz bei dem sofort klar wird, für bzw. gegen wen in unserer heutigen Zeit politische Entscheidungen getroffen werden.
„Schnell“ und „diskriminierungsfrei“ soll die Bezahlkarte sein, mit der Asylsuchende in Hamburg einkaufen müssen. Doch für Omar ist sie das Gegenteil.
Rentenproteste in Frankreich: Wut und Misstrauen
Eine Rentenreform ist in Frankreich überfällig. Doch viele misstrauen Macrons Vorhaben. Sie befürchten, dass sie bald noch weniger Geld haben werden.
Paris ist lahmgelegt, weil die Transportgesellschaften streiken. Viele sind auf das Rad umgestiegen Foto: Gonzalo Fuentes/reuters
Die nächsten Präsidentschaftswahlen sind in Frankreich erst in zweieinhalb Jahren. Doch das politische Schicksal von Emmanuel Macron entscheidet sich schon in diesen Tagen. Der Präsident will mit seiner Rentenreform beweisen, dass er mehr Mut und mehr Durchsetzungskraft hat als alle seine Vorgänger. Wenn er die „Mutter aller Reformen“ gegen den Protest der Straße durchsetzt, hat er die Weichen für seine Wiederwahl gestellt. So lautet zumindest das Kalkül in den Hinterzimmern des Präsidentenpalasts.
Keine Frage: Die 42 Renten-Sonderregelungen abzuschaffen, ist nüchtern betrachtet eine gute Idee. Es ist nicht einzusehen, warum ein Busfahrer der Pariser Verkehrsbetriebe früher in Rente geht und auch noch mehr Geld bekommt als sein Kollege in Bordeaux. Das alte System, das noch aus dem 19. Jahrhundert stammt, ist undurchsichtig und unverständlich. Die Reform als solche wird deshalb von einer Mehrheit begrüßt. Doch die Französinnen und Franzosen trauen Macron nicht zu, ein neues, gerechteres System zu schaffen. Im Gegenteil: Sie fürchten, hinterher nur weniger Geld zu haben. Sie misstrauen dem Mann im Elysée, der in der ersten Hälfte seiner Amtszeit die soziale Ungleichheit nur noch verstärkt hat.
Sicher haben Macrons Reformen den französischen Unternehmen gut getan. Doch die Mehrzahl der Franzosen profitierte nicht davon. Im Gegenteil: Die Proteste der „Gelbwesten“ führten dem Staatschef drastisch vor Augen, dass es noch ein anderes Frankreich gibt, das bei seiner Politik nur verliert.
Dieses andere Frankreich streikt und demonstriert nun. Es sind nicht nur die Eisenbahner, die ihr eigenes Rentensystem behalten wollen und deshalb die Arbeit niederlegen. Längst hat der Protest auch all jene erreicht, die mit der Sozialpolitik Macrons unzufrieden sind. Und das sind viele. Krankenschwestern, Lehrer, Studentinnen und Polizisten demonstrieren schon seit Monaten, weil sie nicht mehr genug zum Leben haben. 52 Prozent der französischen Haushalte haben laut OECD Probleme, mit ihrem Geld bis zum Monatsende hinzukommen. Die Rente ist für sie nur die Spitze des Eisbergs.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Kommentar von
Christine Longin
Autor*in
Themen