Streik in den Kitas: Oma bleibt wichtig
BETREUUNG Der Streik an kommunalen Kindertagesstätten geht in die zweite Woche. In Berlin sind nur die Einrichtungen des Studentenwerks betroffen. Der Notbetrieb läuft.
Verständnis habe sie ja für die Forderungen der ErzieherInnen – aber nein, ein gutes Gefühl habe sie heute Morgen nicht gehabt, als sie ihren Sohn in der einzigen Notfallkita des Studentenwerks in der Marchstraße abgegeben hat, erzählt die Mutter des kleinen Leo. Fremde Räumlichkeiten für den Dreijährigen, unbekannte ErzieherInnen im Morgenkreis – aber was solle man machen, wenn Kita-Streik ist? „Ich arbeite als Lehrerin und die Abiturklausuren laufen gerade, mein Mann hat Prüfungen an der Uni. Da sind wir froh, dass Leo überhaupt irgendwie untergebracht ist.“
Notfallbetreuung, Improvisation, Organisationsstress für die Eltern – der bundesweite Kitastreik geht in die zweite Woche. Die Gewerkschaften Verdi und Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordern für die insgesamt rund 240.000 Beschäftigten an kommunalen Kindertagesstätten und Jugendhilfeeinrichtungen die Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe.
Streiken für mehr Lohn
Auch in Berlin streiken ErzieherInnen für mehr Lohn (siehe auch Text unten) – allerdings weit weniger öffentlichkeitswirksam: Die sechs Kitas des Studentenwerks sind die einzigen Einrichtungen, die direkt von dem Streik betroffen sind. Denn nur die Studentenwerk-Kitas bezahlen ihre MitarbeiterInnen nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD). Für alle anderen Beschäftigten an den landeseigenen Kitas gilt in Berlin der Tarifvertrag der Länder (TV-L).
In der Kita Marchstraße auf dem Gelände der Technischen Universität sei der Notbetrieb gut angelaufen, sagt Anja Kunstmann, Bereichsleiterin der Kita beim Studentenwerk. Rund 90 Prozent der rund 100 ErzieherInnen hätten sich am Streik beteiligt. „Dennoch können wir in dieser Woche Notplätze für etwa 60 bis 70 Kinder bereitstellen.“
Zum Zuge kommt, wer zwingende Gründe für die Notfallbetreuung nachweisen kann: etwa, dass er eine Prüfungsleistung an der Uni zu absolvieren hat. Krippenkinder unter drei Jahren nehme man allerdings nicht – „die Kleinen brauchen ja ihre Bezugserzieher“ – und die Eltern müssten bis spätestens 16 Uhr wieder auf der Matte stehen: „Mehr lässt sich mit sieben Fachkräften plus vier Auszubildenden nicht machen.“
Auch wenn man noch keine Eltern in Not abgewiesen hätte: der Bedarf sei eigentlich höher, sagt Kunstmann. „Viele Eltern schaffen es offenbar doch noch, die Großeltern einzuspannen.“
Oma wird wohl auch in der kommenden Woche wichtig bleiben: „Wir sind von einer Einigung mit der Arbeitgeberseite noch weit entfernt“, sagt Andreas Splanemann, Pressesprecher bei Verdi im Landesverband Berlin-Brandenburg.
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