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Strecke Hamburg-Berlin wird gesperrtICE-Fahrer aussteigen!

Gernot Knödler
Kommentar von Gernot Knödler

Für eine Generalsanierung will die Bahn die Strecke Hamburg – Berlin ein halbes Jahr lang sperren. Was wäre wohl los, wenn das die Autobahn beträfe?

Kein Zug nach Berlin: So könnte es während der Streckensanierung im Hamburger Hauptbahnhof aussehen Foto: Bodo Marks/dpa

S tellen Sie sich vor, die Autobahn 24 zwischen Hamburg und Berlin würde für sechs Monate gesperrt – total. Was das für einen Aufschrei gäbe bei der FDP, beim ADAC, bei der Springerpresse. Kein Verkehrsminister würde das politisch überleben. Doch genau das plant die Deutsche Bahn für die Strecke Hamburg–Berlin.

Die ICE-Strecke zwischen Deutschlands beiden größten Städten wird 2025 Opfer eines neuen Konzepts, mit dem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bahnchef Richard Lutz den Sanierungsstau in den Griff bekommen wollen. Die Strecke verläuft in einem von mehreren Hochgeschwindigkeitskorridoren, die die Bahn nicht wie bisher bei laufendem Betrieb instand halten, sondern in einem Zug „grundsanieren“ will.

Einmal ein halbes Jahr unter Vollsperrung bauen – und dafür ist dann für die nächsten acht bis zehn Jahre Ruhe, so lautet das Versprechen des Bahnchefs. „Wir müssen dieses Thema grundsätzlicher und radikaler angehen“, sagt Lutz. „Lieber eine große statt vieler kleiner Sperrungen.“

Doch während der Generalsanierung wird es bitter, vor allem für Vielfahrer. Die Bahn leitet die Züge über Uelzen, Salzwedel und Stendal um, auch über Hannover. Die 105-minütige Fahrzeit zwischen den Hauptbahnhöfen verlängert sich der Bahn zufolge um 45 bis 105 Minuten. Im schlimmsten Fall dauert es also doppelt so lange. Wer an der Strecke wohnt, ist fast noch übler dran. Er darf sich auf Bus-­Ersatzverkehr freuen.

Verschleppte Instandhaltung

„Die Bahnverkehrsunternehmen und die Kunden werden durch ein Tal der Tränen gehen“, sagt der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, Klaus-Dieter Hommel, der im Bahn-Aufsichtsrat sitzt. „Aber die Kunden werden das honorieren, weil die Situation auf der Straße auch nicht besser wird und sie umweltbewusst sind.“

Dass sein Wort in Gottes Ohr Gehör findet, daran hat die „Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene“ größte Zweifel. „Ein Programm der Generalsanierung bis 2030 mit jeweiliger halbjähriger Totalsperrung einer strategischen Verbindung wird den Schienenverkehr massiv schädigen“, prophezeien die Verkehrsfachleute und Aktivisten der Bürgerbahn. Das erklärte Klimaziel der Bundesregierung, bis 2030 den Schienenverkehr zu verdoppeln, werde damit in die Tonne getreten.

Aus Sicht der Bürgerbahn ist der von Lutz und Wissing geplante Befreiungsschlag so gefährlich wie unnötig und außerdem teuer: Seit 100 Jahren bewährte Praxis sei es, Bahnstrecken „unter dem rollenden Rad“ zu unterhalten und zu ertüchtigen.

Dafür geben sich Lutz und Wissing dem Wunschtraum hin, die jahrzehntelang vernachlässigte Instandhaltung mit einem Zauberstreich korrigieren zu können. Davor, wie sich das auf den ohnehin überlasteten Rest des Netzes und den labilen Fahrplan auswirken wird, darf man sich fürchten.

Teuer wird der Generalsanierungsplan, weil auf einen Schlag gleich mal alles ersetzt und renoviert wird. Sprich: Es werden Sachen angefasst, die noch gar nicht dran wären. Schön für die Bahn: Alles was ersetzt und nicht bloß saniert wird, zahlt nicht sie, sondern der Bund.

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Gernot Knödler
Hamburg-Redakteur
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11 Kommentare

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  • Hm. Gut verkaufte Sabotage?

  • Wenn doch bis dahin wenigstens der zweigleisige Ausbau der Strecke Stendal Uelzen komplett fertig wäre...

  • Das tolle ist: will man z.B. von Berlin nach Ludwigslust, ist man dann statt 1h 20 ungefähr 3h 30 unterwegs.

    Und dafür zahlt man dann auch noch mehr, schließlich ist man ja mehr Kilometer gefahren.

  • Das gab es doch schon bei einer Autobahn. Vollsperrung und Umleitung durch Wohngebiete. Während der Arbeiten vielleicht nerviger als die Halbsperrung, aber dafür wesentlich schneller fertig.

  • So etwas können sich nur Autofahrer ausdenken: Kommt keine Bahn, nehme ich halt mal wieder das Auto. Fahrradfahrer wie ich stehen dagegen wie vor einer Wand. Das ist die totale Arroganz! Ich bin so wütend. Die Bahn handelt auch andernorts so: Gestern wurde mein ICE nach Hamburg einfach in Dortmund abgestellt. Wie geht es weiter? Müssen Sie schauen! Bei der Flutkatastrophe bin ich auch im Nichts auf dem Kölner Hbf in der Obdachlosigkeit gestrandet und habe nur mit Glück einem Flixbus aus Leverkusen ergattern können, zu dem ich mit dem Taxi gebrettert bin. Der Bahn sind ihre Kunden einfach völlig egal.

    • @hedele:

      Ja, und damit das so bleiben kann, werden dem Auto mehr und mehr Steine in den Weg gelegt. Schon in den 80ern waren die Grünen für Tempo 100, nicht um Energie zu sparen, sondern vor allem, damit das Auto seinen Geschwindigkeitsvorteil vor der Bahn verliert.

  • man kappt damit halt nicht nur die verbindung nach hamburg, sondern auch die nach schleswig-holstein und macht hannover alternativlos, um nach bremen und an die nordsee zu kommen...muss man wollen...für mich persönlich ziemlich nervig. zeigt nochmal deutlich, wo die prioritäten in der ministeriellen planung liegen (spoiler: autos und flugzeuge statt bahn und fahrrad)

  • Der Vergleich mit der Autobahn hinkt ziemlich. Auf Autobahnen werden solche Arbeiten üblicherweise so durchgeführt, dass eine Seite gesperrt wird und beide Fahrtrichtungen auf verengen Fahrbahnen auf einer Seite fahren. Das ist bei einer zweigleisig Bahnstrecke schlicht nicht möglich.

    Dass solche Arbeiten "seit 100 Jahren unter dem rollenden Rad" durchgeführt werden ist schlicht falsch, andere ICE-Strecken waren in den letzten Jahren auch vollgesperrt. Es geht hier nicht um irgendwelche Bimmelbahnen, sondern um Hochgeschwindigkeitszüge. Das ist wahrscheinlich einfach zu gefährlich. Man müsste über einen viel längeren Zeitraum sehr viele Langsamfahrstrecken einrichten, was wahrscheinlich in der Summe zu noch mehr Verzögerungen führen würde und erheblich teurer sein dürfte.

    So ärgerlich es ist, dass sich die Fahrtzeit von Hamburg nach Berlin für einen beschränkten Zeitraum erhöht, ee dürfte relativ wenig Pendler treffen, dafür sind die Distanzen zu groß und das Gebiet zu dünn besiedelt. Wer in Berlin oder Hamburg arbeitet, aber billig in Ludwigslust oder Wittenberge leben will, der ist dann auch ein bisschen selbst schuld.

    Besonders merkwürdig ist der letzte Satz. Es ist doch gut, dass die Bahn Sachen prophylaktisch austauscht, und nicht erst, wenn sie wirklich kaputt sind.

    • @Ruediger:

      "Wer in Berlin oder Hamburg arbeitet, aber billig in Ludwigslust oder Wittenberge leben will, der ist dann auch ein bisschen selbst schuld."

      Freuen Sie sich über jeden Pendler, der die Wohnraumknappheit in den Städten nicht noch weiter verschärft.

    • @Ruediger:

      wer billig in wittenberge oder ludwigslust leben will....



      so, so...



      darauf muss man auch erstmal kommen.



      gut, die schleswigholsteiner grad nördlich des nordostseekanals sind eh nicht so wirklich öpnv- oder bahnverwöhnt, muss eben doch weiter das auto genutz werden.



      rüdiger, dafür, dass sie hier so fröhliche sachen schreiben, scheinen sie denkbar wenig hintergrundwissen zu haben was pendler und landleben und mietpreise und jobs außerhalb großer städte angeht.



      vielleicht geht es den bahnoberen auch alles gepflegt am hintern vorbei?



      wer finanziert jetzt noch gleich die modernisierung der bahnstrecke hamburg-berlin???

  • Kaputtgewirtschaftet bis auf die Knochen.