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Streamingdienste und MusikerDie Leiche furzt weiter

Die Einkünfte über Spotify und zukünftig Apple-Music sind ein schlechter Witz. Alternativen gibt es für die Künstler jedoch nicht.

Alle Produkte aus einer Hand, alles Geld an einen Ort: Streaming, auch durch Apple, nützt Musikern kaum etwas. Foto: dpa

Thom Yorke wird sich wohl geirrt haben. Der Radiohead-Sänger sagte vor zwei Jahren zu den ersten Erfolgen des Streamingdienstes Spotify: „Das ist der letzte verzweifelte Furz einer Leiche.“ Yorke, der zum Spotify-Boykott aufrief, sah die mächtige Musikindustrie am Ende. „Was danach kommt, wird spannend.“

Einzig: Danach kommt bislang nichts. Das Streaming über große Portale ist die Zukunft des Musikhörens. Dass Apple am kommenden Dienstag mit einem eigenen Dienst (Apple Music) an den Start geht, ist ein weiteres Indiz dafür. Schließlich macht man damit dem eigenen Downloadportal iTunes Konkurrenz. Und es ist auch kein Geheimnis, dass nur der Streamingmarkt in den letzten Jahren im digitalen Musikmarkt Umsatzzuwächse (zuletzt 78 Prozent) verzeichnete.

Mit Apple Music wird Spotify nun wohl einen großen Gegenspieler haben. Die ersten drei Monate sind bei Apple Music für den Nutzer kostenlos, danach zahlt man monatlich 9,99 Euro – für rund 30 Millionen Songs.

Eine gute Nachricht ist dieses Kulturgut-Dumping nicht. Per se mag Streaming super sein – aber nicht so, wie es jetzt läuft. Auf einer rein symbolischen Ebene wird Musik entwertet, auch auf einer ökonomischen: So viel, wie man bislang für ein Album – zehn Songs – bezahlt hat, berappt man nun monatlich für einen Katalog von 30 Millionen Liedern. Und wenn einer der beiden mächtigsten Kommunikationskonzerne der Welt eine Kulturflatrate einrichtet, dürfte das für die Kultur nichts Gutes bedeuten.

Zucker für den Affen

Denn das Abhängigkeitsverhältnis ist am Ende ein ungleiches. Man sah das bereits bei Spotify: Viele Künstler hielten den schwedischen Dienst für ein Elend, weil Majorlabels als Teilhaber fungierten – und wegen der lächerlichen Summen, die pro gehörtem Track bei den Bands landen. Auf der Plattform vertreten sein wollten sie dennoch.

Apple Music wollte die Musiker die ersten drei Monate gar nicht vergüten. Nach Kritik des US-Popsternchens Taylor Swift lenkte das Unternehmen ein. Nun zahlt man zunächst 0,2 US-Cent pro gespieltem Track an die Rechteinhaber.

„Taylor Swift zwingt Apple in die Knie“, lauteten die Schlagzeilen. Auch abgesehen davon, dass 0,2 Cent eher ein Stückchen Zucker für den Affen sind, ist das nicht richtig. Denn selbst sie, die auf die Summen tatsächlich verzichten könnte, suchte nach einer einvernehmlichen Lösung, schmierte Apple noch ein bisschen Honig um den Mund. Der Furz der Leiche, er hallt bis heute nach.

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10 Kommentare

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  • Ich finde dieses Streaming-Bashing als Außenstehender immer etwas seltsam. Ich habe das Gefühl, da wird vergessen, dass ich dem Künster jedes Mal Geld einbringe, wenn ich ein Lied höre. Und das tue nicht nur ich, sondern Millionen anderer Leute auch, die sich sonst nie Alben oder Singles gekauft haben. Das läppert sich. Hier gib't ne schöne (unvollständige) Übersicht über die verschiedenen Verdienste für Musiker CD vs. Streaming. Wobei da Merchandise, Konzerte und Airplay noch gar nicht einberechent sind!

    Mir kommt da übertrieben gesagt der Eindruck, da beschweren sich Leute, dass sie nicht ohne viel Arbeit zu Millionären gemacht werden.

    http://www.informationisbeautiful.net/visualizations/how-much-do-music-artists-earn-online-2015-remix/

  • Ich kauf weiterhin Vinyl. Was es auf Vinyl nicht gibt, kaufe ich evtl. auf CD. Was es weder auf Vinyl noch auf CD gibt, kaufe ich auf Kassette (ja, das gibt´s auch noch). Was es weder auf Vinyl noch auf CD noch auf Kassette gibt, brauch ich nicht. Aber auch beim Vinyl habe ich angefangen, teilweise zu boykottieren. Wenn Alben von 40 Minuten Länge als teures Doppelvinyl (manchmal mit nur 3 bespielten Seiten) verkauft werden: Nein, danke!

     

    Die Abzockeritis ist im Musikgeschäft an der Tagesordnung. Und wenn Musiker jammern, daß sie an ihren Veröffentlichungen nix verdienen: Wird doch niemand gezwungen, Verträge zu machen, die ihn über den Tisch ziehen.

     

    Das Grundproblem ist heute eher die inflationäre Masse der Künstler, der Veröffentlichungen und Veranstaltungen.

     

    Für Live-Konzerte zahle ich grundsätzlich nicht mehr als 35.- Euro. Auch meine absolute Lieblingsband kann mich mal, wenn das Ticket 85.- kostet. Da interessiert mich auch nicht, daß immer der Veranstalter für die hohen Preise verantwortlich gemacht wird. Für diese Kohle krieg ich nämlich schon wieder ein paar Scheiben.

  • Ich kaufe Vinyl oder Tapes auf Konzerten. Oder ich überspiele von einem kostenlosen Spotify-Account oder youtube auf Tape. Da verdienen die MusikerInnen zwar nix dran, aber das haben die früher beim Tape-Trading auch nicht. Es bereitet mir einfach eine diebische Freude dem Streamingprinzip solch ein analoges Schnippchen zu schlagen :)

  • 1G
    10391 (Profil gelöscht)

    streaming dienst user zahlen im jahr rund 120 $ oder € für ( werbefreie ) musik. das ist deutlich mehr als der "normale" musikhörer der sich vielleicht zwei oder drei cd´s im jahr kauft. von diesen 120 € geht der größte teil nicht an die streamingdienste wie spotify, deezer, rdio oder andere sondern an die labels der content industrie, die letzlich dafür verantwortlich sind, das die musiker so mies bezahlt werden.

     

    taylor swift. netter marketing gag um die musikerin und das neue apple portal bekannter zu machen. jede wette, diese aktion war von apple geplant.

  • Der gerne gezogene Vergleich zwischen Streaming-Abonnements und Download- oder CD-Verkäufen ist leider irreführend,

     

    Richtig wäre ein Vergleich zwischen Streaming-Diensten und Rundfunk, denn beide Angebote strahlen nur aus, wobei das Rundfunk-Angebot vom Hörer überhaupt nicht beeinflußbar ist.

     

    Wenn wir also Streaming-Angebote mit - reglemäßig kostenlosen - Rundfunk-Angeboten vergleichen: Wird das Kulturgut Musik durch die Ausstrahlung eines 24/7-Musikprogramms im Radio also abgewertet?

     

    Wie schaut es mit dem Vergleich der (tatsächlichen) VG-Einnahmen bei Airplay mit den Tantiemen aus Streaming-Angeboten aus, wie mit den Mulitplikatoren-Effekten, Zielgruppen-Ansprache und Streuungsverluste usw.?

     

    Und schließlich sollte man sich fragen, welche Rolle die Tatsache spielt, daß a) Menschen mehr Kulturgüter konsumieren, als je zuvor und es b) ein Angebot an Kulturgütern gibt, das noch nie so groß´und so leicht zugänglich war wie heute - und künftig weiter wachsen wird.

     

    Rein ökonomisch betrachtet, werden Güter wertvoller, je knapper sie sind. Da machen Kulturgüter keine Ausnahme.

  • Mich interessiert ohnehin primär Live-Musik. iTunes ist doch eher was für Leute, die unbedingt ihre Trojaner auf der Festplatte auch noch mitbezahlen wollen. Wenn ich eine Band unterstützen will, weil ich die Musik gut finde, dann gehe ich zu den Konzerten und kauf mir da direkt CDs für max. 15€.

    • @Rainer B.:

      Sobald Sie den kongenialen Songwriter The White Buffalo nach Deutschland bekommen, sagen Sie mir Bescheid und ich bin gerne vor Ort. Oder aber Wardruna (die u.A. für den Soundtrack der Serie Vikings genutzt werden). Die Liste ist lang an hochwertigen Musikern abseits des Mainstreams und jenseits des Hipstertums.

       

      Die Anmerkung zum Thema Trojaner verstehe ich übrigens genausowenig wie mein Mitkommentator denn Spotify mag zwar einen Facebook-Account wollen, das heißt aber noch lange nicht, dass ich einen authentischen Facebookaccount besitzen muss. Ich hab mich zuletzt online mit Klarnamen registriert vor 16 Jahren. Seitdem... nada, niente. Alles Andere wäre mMn Irrsinn. Achne, eine Ausnahme gabs.. beim Bafög-Online zwischendurch ;)

    • @Rainer B.:

      Was iTunes mit Malware zu tun hat, ist mir schleierhaft ... ansonsten gehe ich mit, das Bands natürlich am meisten mit und bei Live-Konzerten verdienen.

       

      Aber nicht alle Bands geben Konzerte bei denen man dabei sein kann und möchte und Live-Konzerte sind auch kein Ersatz für den (Online-)Plattenladen.

  • Es ist nicht entscheidend, wie viel Musik im Angebot ist, sondern wie viel pro Monat gezahlt wird. Wer hat schon mehr als 4 teure Alben pro Jahr oder mehr als 10 Songs pro Monat bei iTunes gekauft.

    Entscheidend sind zwei Dinge:

    a) Werden Streaming Angebote auch von der Masse oder nur von den Heavy Usern gekauft?

    b) Gibt die Plattform das Gros der Einnahmen weiter oder speist sie die Kreativen mit Brosamen ab.

    Wenn beide Fragen zufriedenstellend gelöst werden, kann Streaming für Künstler zum Erfolgsmodell werden. Bei Punkt b) könnte auch der Gesetzgeber aktiv werden.

    Das Modell an sich ist nicht verkehrt - schliesslich wird beim Radio deutlich weniger als 0,2 Cent pro Zuhörer und Song gezahlt. Auf das Ergebnis kommt es an.