Streamingdienst Disney+ in Deutschland: Baby Yoda attackiert Netflix
Disneys eigenes Streamingportal startet im März. Mit Kampfpreisen will es Netflix Konkurrenz machen und den Streamingmarkt verändern.
Günstiger wird es, wenn man ein Jahresabo zum Preis von 69,99 Euro kauft. Die Ersparnis von 13,89 Euro entspricht dann etwa zwei Monatsgebühren, die wegfallen. Gleich mit dabei sind Auflösungen von bis zu 4K, sieben unterschiedliche Profile auf einem Account und das Herunterladen von Inhalten auf bis zu zehn Endgeräten. Disney+ wird am 24. März 2020 auch in Frankreich, Großbritannien und weiteren europäischen Ländern starten. Weitere Länder sollen im Sommer folgen.
Disney befindet sich mit seinem Streaming-Dienst in einer bequemen Ausgangslage und kann sich die Preisschlacht leisten. Nachdem Netflix den Weg geebnet und den Streaming-Markt erschlossen hat, will das Unternehmen auch ein Stück vom Kuchen abhaben. Das Risiko ist relativ gering, Disney leistet sich seinen Streaming-Dienst einfach nebenbei bei einem Umsatz von rund 70 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019.
Ganz anders als Netflix, deren Hauptgeschäftsmodell das Streaming-Business ist. Als kleiner Nebenableger bleibt Netflix seiner Ausgangsidee von 1998 treu, nämlich dem Versand von DVDs. Bis Ende August 2019 verschickte das Unternehmen fünf Milliarden DVDs. Pro Jahr nimmt es in den USA so noch 230 Millionen US-Dollar ein.
Netflix verliert Kund*innen in den USA
In den USA ist Disney+ bereits im November vergangenen Jahres erschienen und hatte binnen weniger Tage zehn Millionen Abonnent*innen, ein paar Tage später schon 24 Millionen. Im Vergleich zu Netflix ist das noch nicht so viel. Aktuell haben rund 167 Millionen Menschen weltweit ein Abo bei Netflix. In den USA und Kanada sind es ungefähr 67 Millionen. Deutschland ist nicht explizit angegeben, Schätzungen gehen aber von bis zu sechs Millionen Abonnent*innen hierzulande aus, Tendenz steigend.
Während die Zahl der Kund*innen außerhalb der USA im vierten Quartal 2019 um mehr als acht Millionen gewachsen ist, stagniert sie in den Vereinigten Staaten – und ist teilweise sogar rückläufig. In den USA verlor der Streaming-Anbieter im vergangenen Jahr rund 100.000 Abonnent*innen.
In seinem Länderbericht zu Abonnent*innenzahlen kaschiert Netflix diesen Rückgang, indem es die zahlenden Mitglieder aus den USA und Kanada einfach zusammenfasst. Daheim ist der Markt gesättigt, Expansion ist notwendig. Auf Werbung will das Unternehmen nach Aussagen von Netflix-Chef Reed Hastings aber auch in Zukunft verzichten.
Wöchentlicher Turnus statt Binge-Watching
Ein weiteres Problem für Netflix: Disney+ und künftige Streaming-Anbieter ziehen ihre eigenen lizenzierten Inhalte von der Plattform ab, um sie auf ihren eigenen Diensten anzubieten. Disney kündigte kürzlich an, dass einmal veröffentlichte Filme für immer auf dem Streaming-Portal bleiben würden. Anfang dieses Jahres verschwanden Inhalte dann aber auf einmal, wohl wegen noch laufender Verträge mit anderen Unternehmen. Aktuell fehlen laut Schätzungen noch mehr als 300 Disney-eigene Produktionen auf der hauseigenen Plattform.
Anders als Netflix, das Serien zumeist am Stück veröffentlicht und so das berühmt-berüchtigte Binge-Watching etablierte, erscheinen die Folgen auf Disney+ im wöchentlichen Turnus. Das liegt einerseits am kleineren Angebot, das das US-amerikanische Unternehmen so breiter auswalzen kann und Abonnent*innen dazu zwingt, länger zu zahlen, sofern sie auch das Ende einer Serie sehen wollen.
Ein kleineres Angebot, das dafür umso hochwertiger ist. Denn Disney verfügt über hunderte Klassiker, angefangen von Zeichentrickfilmen wie „Pinoccio“ oder „Bambi“ bis hin zu Pixar-Animationsfilmen, die vor allem für viele Familien ein triftiges Kaufargument sein werden. Hinzu kommen Franchises wie „Star Wars“. Die dazugehörende Serie „The Mandalorian“ bekam auf der Plattform Rotten Tomatoes hervorragende Wertungen. Baby Yoda ist bereits jetzt ein Popkultur-Phänomen.
Streamingpionier Netflix
Aufgrund des hochwertigeren Angebots von Disney+ will auch Netflix künftig seinen Kurs ändern und weg von seinem meist mittelmäßigen Überangebot hin zu ausgewählten Exklusivproduktionen gehen und ein differenzierteres Profil bekommen. Im Quartalsbericht sagte Hastings, er verlasse sich auf „die Unterschiede im Angebot“. Alfonso Cuaróns oscarprämierter Film „Roma“, Martin Scorseses „The Irishman“ oder die Miniserie „Maniac“ sind dabei hochwertige Beispiele.
Nachdem Netflix als Pionier die 2010er Jahre als Streaming-Jahrzehnt geprägt hat, ziehen neben Disney weitere Unternehmen nach. Apple hat seinen Dienst Apple+ ebenfalls im November vergangenen Jahres gestartet. Amazon bietet bereits hunderte Filme und Serien im Stream an. Dazu starten bald die Angebote von Warner Media und NBC Universal. Expert*innen sprechen bereits davon, dass sich der Streaming-Markt 2020 deutlich verändern wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mindestlohn feiert 10-jähriges Jubiläum
Deutschland doch nicht untergegangen