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Strategiewechsel der Letzten GenerationProtesthochburg Kassel

Die Letzte Generation rückt einen Flughafen in den Fokus. Gespräche mit dem Flughafenverband ADV blieben ergebnislos.

Die Letzte Generation blockiert als Protest gegen den Flughafen Kassel-Calden den Altmarkt in Kassel, im September 2024 Foto: Christian Schauderna/imago

Kassel taz | Sie blockieren die A49, lassen sich von der Polizei wegtragen oder hängen Plakate am Regierungspräsidium auf: Statt bundesweit für Aufmerksamkeit zu sorgen, konzentrieren sich die Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen der Letzten Generation nunmehr ganz auf einen Ort. Die Gruppe hat Kassel zum neuen Zentrum ihrer Proteste erklärt. Seit gut einer Woche finden dort verschiedene Aktionsformen gegen den Regionalflughafen Kassel-Calden statt. Am Mittwoch forderten sie Kassels Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne) in einem offenen Brief zum Gespräch auf.

Der kleine Airport in Nordhessen schreibt seit seiner Eröffnung 2013 rote Zahlen. Im Jahr 2023 betrug das Defizit laut hessischem Verkehrsministerium 4,98 Millionen Euro. Die Kosten trägt größtenteils das Land Hessen, das mit 68 Prozent größter Anteilseigner des Flughafens ist. Je 14,5 Prozent entfallen auf die Stadt und den Kreis Kassel, drei Prozent hält die Gemeinde Calden.

„Eine Flughafenschließung ist eine Win-win-Situation: mehr Steuergelder für sinnvolle Investitionen und weniger Klimazerstörung“, erklärt Letzte-Generation-Sprecherin Lina Johnsen, die an den Demonstrationen beteiligt ist. Sie verlangt von Schoeller als stellvertretendem Vorsitzenden des Flughafen-Aufsichtsrats, den „ersten Schritt“ in Richtung Schließung zu wagen.

Die Ak­ti­vis­t*in­nen drängen den Bürgermeister, den Airport Kassel-Calden nicht länger mit Steuergeldern am Leben zu halten. Sowohl Bundes- als auch Re­gio­nal­po­li­ti­ke­r*in­nen müssten damit aufhören, in die fossile Zerstörung des Planeten zu investieren, heißt es in einer Presseerklärung.

Nutzen des Flughafens ist umstritten

Eine Studie des BUND aus dem Jahr 2020 bescheinigt dem Flughafen Kassel-Calden und sechs weiteren Regionalflughäfen, dass ihr Nutzen in keinem Verhältnis zu dem Schaden steht, den sie verursachen. „Ein Beitrag zur Konnektivität ist nicht erkennbar“, sagt der hessische Landesvorsitzende Jörg Nitsch.

„In anderthalb Stunden ist der Frankfurter Flughafen per Zug erreichbar.“ Die Studie empfiehlt gleichsam, den Flughafen Kassel-Calden dichtzumachen. Im Winterflugplan von November bis Januar gibt es keine regelmäßigen Verbindungen, nur einzelne Flüge.

Einige Ex­per­t*in­nen werten die Proteste der Letzten Generation rund um den Regionalflughafen als Strategiewechsel. „Es gibt ja auch andere Gründe als die Emissionsfrage, diesen Flughafen und die Art und Weise der dauerhaften öffentlichen Subventionierung kritisch zu sehen“, sagte Dennis Eversberg, Umweltsoziologe an der Uni Frankfurt, der Hessenschau. „Insofern empfinde ich das als einen klug gewählten Ort des Protests.“ Er sei gespannt, ob die Aktionsform der Gruppe in der Öffentlichkeit weiterhin als nicht zu rechtfertigende Störung wahrgenommen werde.

Für Unmut unter Autofahrenden sorgte jüngst die Blockade der Autobahn A49 mit 40 Aktivist*innen, am Wochenende blockierten mehr als 60 Menschen auf einer großen Straße in der Kasseler Innenstadt den Verkehr. In der Vorwoche wurde etwa die Fassade des Flughafen-Terminals mit der Parole „How dare you?“ – zu Deutsch: „Wie könnt ihr es wagen?“ beschmiert.

Gespräch mit Flughafenlobby ADV ohne Ergebnis

Um Proteste an Flughäfen ging es auch am vergangenen Mittwoch. Mitglieder der Letzten Generation haben sich erstmals mit dem Flughafenverband ADV getroffen, nachdem dieser bereits Anfang August eine Einladung ausgesprochen hatte.

Das Gespräch sei „höflich und respektvoll“ verlaufen, allerdings sei der Eindruck entstanden, dass der ADV nicht wirklich daran interessiert war, ernsthaft über den notwendigen Strukturwandel des Flugverkehrs in Deutschland zu sprechen, monierte der Sprecher der Letzten Generation, Rolf Meyer. Abmachungen oder sonstige Arbeitsergebnisse habe es nicht gegeben.

Kritik entzündet sich in der Debatte an einem Punkt: Bis klimaneutrales Fliegen möglich sei, müsse laut Meyer darüber gesprochen werden, wie die Anzahl der Flüge und Flughäfen zurückgefahren werden kann. Davon habe der ADV, der als Lobbyverband die Interessen der meist staatlichen Flughafenbetreiber vertrete, nichts wissen wollen.

Der Flughafenverband teilte ebenfalls mit, die Gespräche hätten nicht zu einer Annäherung der Positionen geführt. Man habe erläutert, wie der Luftverkehr aus Sicht des Verbandes zur Wohlstandsförderung beitrage, und Bemühungen zur Emissionsminderung vorgestellt.

Die Flughäfen hätten ihre CO2-Emissionen von 2010 bis 2023 um knapp 60 Prozent reduziert, argumentierte der Verband. Die Aktionen der Letzten Generation in den vergangenen Monaten habe man scharf verurteilt, heißt es in einer Mitteilung.

Davon lässt sich die Gruppe offenbar nicht beeindrucken: Die Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen werden noch einige Zeit in Kassel bleiben, sie haben sich in einem Protestcamp in der Goetheanlage eingerichtet. Für den 5. Oktober kündigen sie ein „Straßenfest gegen fossile Subventionen“ zusammen mit anderen Umweltgruppen an. Am 12. Oktober rufen sie erneut zu einer ungehorsamen Protestversammlung auf.

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11 Kommentare

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  • Wann merken die endlich, daß sie nur nerven und sehr viele Menschen gegen sich aufbringen. Ihrer Sache dient das nicht. Sie sind so in ihrer Blase gefangen, dass sie auch noch überzeugt sind mit den Aktionen etwas zu erreichen.

  • taz: *Am Mittwoch forderten sie Kassels Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne) in einem offenen Brief zum Gespräch auf.*

    Dann wollen wir doch mal schauen, ob der grüne Oberbürgermeister wirklich noch 'grün' ist und sich mit den Klimaschützern unterhält - oder ob er schon ein waschechter Berufspolitiker geworden ist, der sich mit "Klimachaoten" (Bildzeitungsjargon) nicht an einen Tisch setzt.

    taz: *Der kleine Airport in Nordhessen schreibt seit seiner Eröffnung 2013 rote Zahlen.*

    Für sinnvolle Sachen ist ja angeblich nie Geld da, aber für einen kleinen sinnlosen Flughafen - der nicht nur klimaschädliches Kerosin in den fliegenden Kisten verbrennen lässt, sondern auch die Steuergelder der Bürger - hat man mal eben jährlich 5 Millionen Euro übrig.

    Aber viele dummfreche Medien - die im Besitz derjenigen Leute sind, die den klimaschädlichen Wahnsinn nicht beenden wollen - werden wieder einmal die 'Letzte Generation' an den Pranger stellen und der einfältige Leser wird dazu auch wieder applaudieren.

  • 5 Millionen Subventionen für einen Provinzflughafen im Jahr 2023. Und Hessen/Kassel will auch 2025 weiter einen auf dicke Hose, oder genauer, dicken Provinz-Flughafen machen.

    Für Reichenscheiß/Privatflieger ist doch immer wieder Steuergeld übrig. Gewerblich fliegt da ja kaum noch ein Flugzeug.

    Was sagt eigentlich der Bund der Steuerzahler zu dieser klimaschädlichen und völlig überflüssigen Steuerverschwendung?

    • @Goldi:

      Naja. In Kassel erwartet ich jetzt keine Reichenscheißprivatflieger.

  • Ökologisch ist der Flughafen kein Problem. Da fliegt ja praktisch nix. Gähnende Leere und Langeweile 99,9 % der Zeit. Die Verschwendung von Millionen Euro schmerzt dagegen. Die Baukosten, rund 270 Mio Euro, sind verloren. Egal ob man jetzt jährlich 5Mio nachschiebt oder nicht. Seit Eröffnung rund 60Mio zusätzlich zu den Baukosten versenkt. Damit muss Schluss sein. Wird es aber nicht. Weil niemand, der verantwortet, soviel Geld rausgehauen zu haben, bereit ist, einzugestehen, dass es ein Fehler war und diesen beendet.

  • Ja der Flughafen kann sofort weg. Warum ein grüner Bürgermeister hier nicht durchgreift ist wohl wiedermal ein "Schmankerl". Mit den gesparten Millionen, könnten die Zugverbindungen verbessert werden.



    So wäre auch ein pünktliches Ankommen in Frankfurt möglich.



    Aber Grün hat es nicht so mit Flughafen kann weg.



    Wie war das doch gleich nochmal mit dem Terminal 3 am Frankfurter Flughafen? Tarek Al-Wazir und seine Freunde haben damals schon für ausreichend Alternativen zu Kassel-Caldern gesorgt. Warum nun dieser nicht ausgeschaltet wird, bleibt deren regionales Geheimnis.

    • @Sonnenhaus:

      Wenn die Welt so einfach wäre. Der Flughafen liegt in der Gemeinde Calden in der Nähe von Kassel und gehört hauptsächlich dem Land* und der grüne Bürgermeister von Kassel ist auch kein Diktator, sondern von einer Jamaika-Koalition gewählt.

      *) " Der Flughafen wird von der Flughafen GmbH Kassel betrieben, Gesellschafter sind das Land Hessen (68 %) sowie die Stadt Kassel, der Landkreis Kassel (beide zu je 14,5 %) und die Gemeinde Calden (3 %). " aus de.m.wikipedia.org...afen_Kassel-Calden

  • Kassel-Caldern kann definitiv weg.



    Ob dadurch die Anzahl der Flüge geringer würde, sei dahin gestellt "„In anderthalb Stunden ist der Frankfurter Flughafen per Zug erreichbar.“ Wobei, das Argument führt vielleicht doch zur Verringerung, da mit der Strategie der eine oder andere Flug verpasst werden dürfte.

    • @fly:

      Kassel-Calden kann definitiv weg. ?



      ---



      Na ja, abreißen wäre wohl falsch, aber vom Regionalflughafen zur/m RMZ, Sonderflugplatz, Verkehrslandeplatz usw. (1) zurückstufen, wäre auch eine Lösung!



      Dann fällt viel, z.B. Flugsicherung, Rettungskräfte, usw. weg. Das spart eine Menge Kosten & mit einem "Flugleiter" ist die Infrastruktur dann doch noch für GA, auch mal für einen Sonderflug nutzbar.



      Daraus eine Go-Kartbahn zu machen, wäre doch, wenn wir uns die Baukosten anschauen, ein wenig "Geldverschwendung"!



      Btw. Paderborn, Münster, Dortmund usw. sind auch solche "Millionen-Gräber".



      Auch DIE bringen massive Verluste, einige weit höher als Calden! Sollten wir auch mal darüber nachdenken, denn den Oberbürgermeister Gedächtnis-Airport, dessen Verluste die "Stadtwerke", die Kommune usw. als Verkehrsträger übernehmen, braucht wirklich niemand!:-)







      (1) de.wikipedia.org/w...te_Flugpl%C3%A4tze

    • @fly:

      Bleibt nur mit den Auto zu fahren. 🤣

  • Dieser Flughafen war in der Tat von Anfang an mehr als flüssig. Da hätte eigentlich die FDP als selbst ernannte Hüterin der wirtschaftlichen Vernunft direkt eine Sitzblockade durchführen müssen.