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Strafverfolgung im Internet der DingeVerbrecher fangen mit Kühlschrank?!

Können Elektronikgeräte zur Verbrechensaufklärung beitragen? Das erforscht Niedersachsens Polizei mit Wis­sen­schaft­le­r:in­nen.

Ungebetener Besuch? Der smarte Fenstergriff könnte ihn zumindest registrieren Foto: Ina Fassbender/dpa

hamburg taz | Ein Mensch wird ermordet – und den entscheidenden Hinweis auf den Täter liefert der Kühlschrank. So muss man sich wohl Kriminalfälle vorstellen, die die Polizei in Zukunft auch mithilfe von Smart-Home-Forensik lösen möchte. Denn längst sind viele Geräte wie Glühbirnen oder Staubsauger in Privathaushalten intelligent, mit Chips und Sensoren ausgestattet, untereinander und oft auch mit dem Internet vernetzt. Alexa und Co. können ganze Etagen abhören. Und sie sammeln dabei eine Flut von Daten.

Wie man all das, was in WLANs, Bewegungsmeldern oder Stromzählern anfällt, für die Aufklärung von Verbrechen nutzbar machen kann, soll in den kommenden zwei Jahren ein gemeinsames Forschungsprojekt des „Innovation Hub“ der niedersächsischen Polizei und der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften im östlichen Niedersachsen herausfinden. Das gab die Hochschule Anfang Dezember bekannt. Knapp 400.000 Euro gibt es für das Projekt „Smarthome Forensics“ vom Land und der EU.

Die Möglichkeiten, digitale Zeugen zu befragen, sind nämlich vielfältig. Die Daten eines WLAN-Routers könnten zeigen, wer zum Zeitpunkt einer Straftat eingeloggt und also am Tatort war. Bewegungsmelder könnten Aufschluss darüber geben, wie viele Personen vor Ort waren. Und wenn zum Beispiel „der Stromverbrauch plötzlich nachts ansteigt“, erklärt Projektleiter Felix Büsching von der Ostfalia, „ist das zumindest ein Hinweis auf irgendeine Aktivität zum betreffenden Zeitraum“. Sein Kollege Thorsten Uelzen geht noch weiter: „Allein durch die Betätigung von Lichtschaltern oder das Auslösen von Bewegungssensoren könnte ein Tathergang in einem Haus zeitlich perfekt rekonstruiert werden.“

Nut­ze­r:in­nen haben angeblich schon zugestimmt

Dass bei dem Projekt der Datenschutz und rechtliche Aspekte „eine wesentliche Rolle“ spielen, ist den Verantwortlichen bewusst. Die Auswertung der Daten orientiere sich „stets an den bereits vorhandenen Regelungen“, sagt Kathleen Arnhold, Vizepräsidentin der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen. Das heißt, die Auswertung muss richterlich angeordnet werden. Zusätzliche Geräte würden nicht installiert, betont Büsching.

„Anfälligkeiten für Manipulationen oder Spionage“ durch möglicherweise böswillige andere Akteure solle das Projekt erkennen und „Möglichkeiten zum Melden oder Schließen der entdeckten Lücken“ etablieren. Und der Verwendung der Daten hätten die Nut­ze­r:in­nen ja „bei der Installation der smarten Geräte bereits ex- oder implizit zugestimmt“, so Büsching.

Zunächst solle es aber laut der Ostfalia darum gehen, herauszufinden, welche smarten Haushaltsgeräte überhaupt Daten speichern, die später interessante Zusatzinformationen liefern können, und wie diese Geräte an einem Tatort ausfindig gemacht werden. Herauskommen solle unter anderem eine Handlungsempfehlung an die Ermittelnden, ob es jeweils besser ist, die Geräte vom Tatort mitzunehmen oder sie vor Ort auszuwerten, damit möglichst wenig Daten zum Beispiel durch Stromverlust verloren gehen.

Außerdem sollen Szenarien entwickelt werden, „die sich an der tatsächlichen Ermittlungsarbeit von Polizei, Kriminaltechnik und Forensik orientieren“. Dafür sollen Forschende und Studierende bei der Polizei hospitieren, um „die Szenarien und Lösungen innerhalb des Projekts möglichst praxisnah und praxistauglich gestalten zu können“.

Die Vielzahl von Auswertungsmöglichkeiten in einen Zusammenhang zu stellen, sei „eine Mammutaufgabe“, die in zwei Jahren Projektlaufzeit nicht „vollumfänglich“ gelöst werden könne, schätzt Büsching, „aber wir können anhand von Beispielen aufzeigen, wo die Reise hingehen kann“.

Vorläuferprojekt fand Sicherrheitsprobleme

Ein ähnliches Projekt zu polizeilichen Ermittlungen im „Internet der Dinge“ gab es von 2018 bis 2021 in Mecklenburg-Vorpommern. Das Kooperationsprojekt „Emerge IoT“ von der Uni Rostock und dem Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern hatte zum Ziel „die Entwicklung von Kompetenzen, Methoden und Werkzeugen für zukunftsorientierte Ermittlungen und Ermittlungsunterstützung im „Internet of Things“ (IoT)“. Herausgekommen war dabei unter anderem auch, wie viele Sicherheitsprobleme es bei smarten Geräten zu Hause gibt.

Das Thema polizeiliche Ermittlungen im Internet der Dinge sorgt immer mal wieder für Aufregung. 2019 hatte es vor der Innenministerkonferenz Gerüchte gegeben, die Innenminister wollten Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf Alexa und Co geben. „Wir wollen keine Kinderzimmer überwachen“, beschwichtigte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Niedersachsens damaliger Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte: „Weder Alexa noch Google Home sollten und dürfen abgehört werden.“

Daten eines intelligenten Kühlschranks zu beschlagnahmen und auszuwerten, war aber auch damals schon möglich, nämlich immer dann, wenn es bei einem traditionellen Kommunikationsmittel oder Speichermedium oder Gerät auch erlaubt wäre, merkte das Online-Portal netzpolitik.org an. Die Bundesregierung hatte 2017 in ihrer Antwort auf eine Anfrage der FDP nämlich längst klargestellt, dass smarte Geräte nichts anderes als informationstechnische Systeme sind, für die es Regeln gibt. Es sei deshalb „gar kein spezifischer strafprozessualer Regelungsbedarf ersichtlich“.

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7 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Zur Auswertung der Daten benötigt die Polizei/Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht und einen richterlichen Beschluss.



    Aus- und inländische Geheimdienste sowie das organisierte Verbrechen werden davon nicht beeinträchtigt.



    Was unsere Polizei bald theoretisch könnte, können weniger gesetzestreue Gestalten schon lange. Deswegen kommt mir so ein smarter Sch*** nicht ins Haus. Noch bin ich in der Lage, selber meinen Kühlschrank zu bestücken und das Licht ein/auszuschalten.

  • Schuldig, weil die Sensoren das so sagen?

    Wenn ich an der Tankstelle mit EC-Karte ein Brötchen kaufe, jemand mit mir zum Auto läuft und um Mitfahrt bittet, ich sie aber nicht mitnehme, sondern von mir wegdrücke weil sie aufdringlich war (das sieht nur die Kamera nicht mehr), am nächsten Waldparkplatz das Brötchen esse, eine Zigarette rauche und 1/2 Stunde später jemand genau da die Leiche ablegt, wo meine Tüte liegt, dann sagen die digitale Spuren: "eindeutig schuldig, Person ging mit ihm zum Auto, die Papiertüte und der Zigarettenfilter liegt neben der Leiche, Person Dank EC-KArte identifiziert, DNS auf Jacke des Opfers, Tüte und Zigarette passt"



    Klar, klingt sehr hypothetisch, aber bei Milliarden gesammelter Datensätzen bist du plötzlich doch mal ein potentieller Straftäter.



    Konkret fürchte ich, dass man sofort in Verdacht gerät, nur weil die Computer aus Millionen Datensätze welche filtert, die rein zufällig aus dir einen Verdächtigen machen können.



    Das spricht nicht gegen diese Art der Forensik, warne aber zur kritischen Betrachtung der Validität der Schlussfolgerungen rein digitaler Daten.

  • Hoffentlich hat die Bundeswehr ein ähnliches Projekt mit Blick auf unsere Verteidigung.

  • Denkt auch irgendjemand daran, was es für Möglichkeiten eines Überwachungsstaates gibt? Wäre die DDR untergegangen, wenn die Stasi diese Möglichkeiten gehabt hätte?



    Denn es gibt zusätzlich zum abgreifen von Daten ja auch die Option, die Steuerung zu übernehmen. Oder Daten schlicht zu fälschen.



    Die AfD wartet schon darauf an die Schaltkreise der Macht zu kommen. Und an diesen Schaltstellen werden dann die PolizistInnen gesetzt die jetzt schon AfD Fans sind.

  • Die Geschichte könnte auch ganz anders begonnen:

    Anonymer Whistleblower deckt Korruption im Rathaus auf – aber dank eines entscheidenden Hinweises seines Kühlschranks konnte dieser Abschaum identifiziert und dingfest gemacht werden...

    Oder so ähnlich ...

    Doppeltplusungut würde Winston Smith wohl dazu sagen...



    Aber den kennt ja heute Niemand mehr. Leider.

    Und: In den Chefetagen krimineller Konzerne stehen die Kühlschränke abseits in den Kaffeeküchen ...

    • @Bolzkopf:

      Naja - "Niemand" ist doch wohl etwas zu sehr verallgemeinert.

  • Mannomann, bin ich naiv!



    Ich habe die Serie "Arcadia" für fiktiv gehalten...